Es ist doch eigenartig: Gegen den Sommer hin, wenn mein Laufpensum endlich wieder mit meinen Laufwünschen korrespondiert, fühle ich mich richtig gesund und fit, so wie ich es mir vorstelle. Ausgerechnet in dieser Zeit muss ich mir wieder vermehrt Fragen gefallen lassen, ob ich eigentlich krank oder gar gestört sei, nur weil ich jedes zweite Wochenende die Schuhe für einen oder zwei Laufanlässe mit mindestens 42 ,195 Kilometer schnüre.
Sollte ich in dieser Hinsicht also krank sein, dann kommt mir eine Veranstaltung in Bad Waldsee mit dem Titel Lauffieber gerade gelegen.
Selber darauf gekommen bin ich nicht. Obwohl gar nicht weit von meinem Wohnort entfernt, ist Bad Waldsee bisher auf meinem Laufradar noch nicht bewusst identifiziert worden. Der Chefredakteur weiß Bescheid, denn er ist vor sechs Jahren just an diesem Ort den ersten Teil seines ersten Doppeldeckers gelaufen – und wir wissen alle, dass es Klaus gut bekam. Er braucht also keine Überredungskünste, um mich davon zu überzeugen, dass ich auf dem Weg zum iWelt Marathon in Würzburg einen kleinen Umweg über Bad Waldsee machen am Samstag dort den Marathon auch gleich mitnehmen könne. Dazu kommt das Versprechen auf der Website des Kneippkurorts und Moorheilbads: Bad Waldsee tut gut.
Wie gesagt, die Veranstaltung heißt Bad Waldseer Lauffieber und umfasst Bambini- und Kids-Läufe, einen Lauf über 10‘000m, die Stadtsee-Staffel über 4x2000m, den Halbmarathon und den Marathon. Alle Alters- und Fitnessstände sind dabei, das Fieber entwickelt sich zum neunten Mal zur Pandemie. Resistenzen sind auf der langen Strecke zu bemerken, da ist das Feld nur zur Hälfte des Möglichen, 300 Teilnehmende, besetzt.
Der Zeitpunkt des Starts um 13.00 Uhr ist für mich ideal. Zuhause noch das Eine oder Andere erledigen und dann ohne Hast in Richtung Bodensee fahren, das passt. Die längere Umleitung wegen Bauarbeiten erhöht zwar kurzfristig meinen Adrenalinspiegel, es bleibt nach meiner Ankunft trotzdem genügend Zeit, um die Formalitäten zu erledigen und Kohlenhydrate zuzuführen. Von den verschiedenen Parkplätzen zur Stadthalle und zum Start-/Zielbereich beim Rathaus sind es kurze Fußwege.
Bevor wir auf den langen Kanten gehen, ist der Läufernachwuchs an der Reihe. Obwohl es in der vorher schon gestarteten Serie zu Stürzen in der Startkurve gegeben hat und deshalb zur Vorsicht gemahnt wird, gibt es auch diesmal einen Haufen, aus dem sich die jungen Athleten herauswühlen und wieder aufrappeln. Alles oder nichts heißt die Devise, was nicht weiter verwunderlich ist, wenn es links und rechts so viele Zuschauerin und Zurufe gibt.
Auf dem kleinen, von schönen alten Gebäuden gesäumten Platz zwischen dem Rathaus und dem Kornhaus dürfen wir uns nun, umgeben von professionellen Einrichtungen, die jeder Großveranstaltung Ehre machen würden, auch vor der Startlinie aufstellen. Außer in der vordersten Reihe ist keine Hektik und Nervosität zu spüren, es sind zu viele alte Hasen dabei.
An den Zuschauern vorbei geht es zuerst auf die Hochstatt. Zahlreich stehen sie in der Fußgängerzone oder an sitzen an den vielen Restauranttischen, die an diesem schönen Tag eine valable Alternative zu meinem eben gestarteten Samstagsnachmittagsprogramm bieten. Auf der Hochstatt steht die Bühne, auf welcher am Abend die Siegerehrungen stattfinden werden. Der Weg dort hinauf ist noch lang und muss vor allem furchtbar schnell unter die Füße genommen werden.
Zum Stadtsee geht es direkt am Polizeiposten vorbei. Der 1650 entstandene Hufeisenbau diente bis 1806 den Franziskanern als Kloster. Dass Sponsoring und Product Placement keine Erfindung neueren Datums ist, beweist die Geschichte dieses Ortes. Weil die Mönche so arm waren, stiftete ihnen die Stadt ein Messgewand. Fortan prangte das eingestickte Stadtwappen auf dem Ornat und die Mönche verrichteten ihren geistlichen Dienst mit Schild, Fisch und Kornschaufel, dem Logo ihres Kleidungssponsors auf dem Rücken.
Auch das heutige Raubrittertum auf der Straße ist keine Erfindung der diensthabenden Politiker. Es wäre spannend zu wissen, welche Gesamtsumme an Maut in all den Jahren beim Wurzacher Tor eingetrieben wurde und in den Staatssäckel und in sonstige Taschen floss. Die stattliche Erscheinung des gesamten Torturms bekommt man von der Laufstrecke nur zu Gesicht, wenn man sich die Zeit nimmt, dann schräg nach hinten zu blicken, wenn die sonstige Bebauung den Blick darauf freigibt.
Von der Promenade im Schatten der Bäume kann man auch beim Flanieren mit erhöhter Kadenz den schönen Ausblick hinüber auf das historische Städtchen genießen. Wer sich den Namen nicht richtig merken kann, bekommt nach der Umrundung des Sees im Garten eines Eisenbahnliebhabers eine kleine Nachhilfestunde. Es steht dort neben einem Andreaskreuz ein altes, großes Bahnhofsschild von Bad Waldsee. Dass der Name weder etwas mit Wald noch mit einem der beiden Seen zu tun hat, ist auf der informativen Website des Badeorts nachzulesen. Der ursprüngliche Namen Walahsé ist auf das althochdeutsche "walh", zurückzuführen, in dessen Verwandtschaft das Wort "welsch" liegt, also fremd. Die Walchen waren der keltische Stamm, der Süddeutschland bewohnte. Mit ziemlicher Sicherheit ist der Name Walahsé im 4. Jahrhundert entstanden, als die aus dem Norden vordringenden Alemannen das Land eroberten.