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Laufberichte

Eine Stadt, die ich gut riechen kann!

11.09.11
Autor: Joe Kelbel

„Weißt du, wo Münster liegt?“ „Klar, auf dem Hindenburgplatz!“  So geht es  mir an diesem Sonntagmorgen durch den Kopf, als ich den Hindenburgplatz suche. Das war mal ein gängiger Witz, 1946, als sich die Trümmer der Stadt nach 5 Jahren Bombardierung auf dem Platz türmten. Die Trümmer verhinderten das Abfließen des Regenwassers, so dass Münster 1946 nur mit Booten befahrbar war.

Der münsterschen Bevölkerung ist es zu verdanken, daß  die Stadt originalgetreu aufgebaut wurde. Zur Finanzierung des Rathauses mit seinem gotischen Giebel wurde eine Lotterie veranstaltet. Im Rathaus, in der Bogenhalle,  seht ihr vier Zangen an den Säulen. Am 22 Januar 1536 wurden die drei Anführer der Sekte der Täufer von Münster hier öffentlich hingerichtet. Die drei Männer wurden an Pfähle gebunden und mit glühenden Zangen von zwei Henkern zerrissen, bevor sie durch einen Messerstich in die Brust erdolcht wurden. Der selbsternannte König soll noch eine Stunde lang gelebt haben. Zur Mahnung und Abschreckung sind hier die für die Hinrichtung verwendeten Zangen angebracht.

Die Geschehnisse, die zu dieser Hinrichtung führten, haben tiefe Wunden in Neu Jerusalem, wie Münster damals hieß, hinterlassen. Die münsterschen Täufer waren eine radikale Bewegung, die den Weltuntergang predigten. In den Wirren von Reformation und Gegenreformation gelangten die Täufer an die Stadtherrschaft. Münster wurde als Königreich Zion proklamiert.

Als die versprochene Erscheinung von Jesu Christi aber ausblieb, radikalisierte sich die Bewegung. Wer nicht konvertierte floh, oder wurde hingerichtet. Eine radikale Gütergemeinschaft wurde eingeführt. Im Sommer 1534 lebten unter den Täufern dreimal soviele Frauen wie Männer, der selbsternannte König von Zion hatte 16 Ehefrauen. Bischof Franz von Waldeck liess die Stadt belagern, die Täufer wurden ausgehungert. Sie kratzten die Kalkfarbe von den Kirchen und stellten daraus „Milch“ her. Witzig, dass ich dann heute Läufer mit T-shirts sehe, wo „Milch läuft“ draufsteht. Hätten die Täufer doch Bier aus den Kirchenwänden gekratzt!  Vor den Häusern Prinzipialmarkt 29 und 41 seltsame Stolpersteine, die an die Hingerichteten erinnern.

Noch eine Drohung ist an der Aussenseite des Rathauses zu finden: Das Sendschwert. Dreimal im Jahr findet eine große Party auf dem Hindenburgplatz statt, die Send. Das Schwert dokumentiert das verschärfte Strafrecht während der Zeit des Jahrmarktes.

Im Friedenssaal drei mysteriöse Gegenstände: Einmal der Goldene Hahn, aus dem Ehrengäste Wein trinken dürfen. Das Gefäß zeigt den Hahn, der bei der Belagerung der Stadt durch Fürstbischof von Galen vor dem Kochtopf flüchtete und auf die Stadtmauer sprang. Die Belagerer, selbst äußerst hungrig, waren so erstaunt darüber, dass es immer noch Essbares in der Stadt gab, dass sie umgehend abzogen.

Ein mindestens 500 Jahre alter Pantoffel, dessen Aufbewahrungsgrund Rätsel aufgibt und, ganz merkwürdig: auf einem Kästchen aus Eichenholz eine abgeschlagene Hand. Unheimlich viele Geschichten gibt es dazu zu erzählen, doch ich habe nun einen Parkplatz auf dem Hindenburgplatz gefunden, der Parkplatzwächter verdient heute ein Vermögen.

Ich laufe gerne in Münster, jeder liebt diese Stadt und ich lief hier meine Bestzeit. Gab es vor zwei Jahren noch einige Mitstreiter, die den Doppeldecker aus P-Weg und Münster Marathon mitgemacht hatten, so humpel ich jetzt alleine irgendwie zum Gymnasium Paulinum, dort gibt es wie immer die Startunterlagen. An diesem frühen Morgen ist nicht viel los. Klo, Duschen sind jetzt und auch noch nach dem Lauf blitzsauber. Ein Frühstück im Café Malik direkt am Startbogen und ich bin fit für den heutigen Marathontag.

Fotojagd vor dem Fürstbischöflichen Schloß. Dreimal am Tag erklingt von den Glocken auf dem Dach des Schlosses ein Glockenspiel. Insgesamt sind 10 verschiedene Lieder  einprogrammiert. Hier tummeln sich die aufgeregten Staffelläufer.

9 Uhr Start am Hindenburgplatz, direkt am Schloß. Der Platz liegt außerhalb der ursprünglichen Stadtbefestigung. Marco Diehl wird heute den dritten Platz der Deutschen machen, aber ich komme nicht da vorne in den Startblock hinein.

Heute lass ich es mir gut gehen. Keine Eile, ich habe gestern meine Leistung vollbracht, heute genieße ich den Marathon, der für mich zu den schönsten Stadtläufen gehört. Wenn da nicht das Gemüffel wäre....

Der prämarathonale Gestank ist in Münster so allgegenwärtig wie der Duft nach ländlicher Gülle und Schweinemast. Wenn  man ganz hinten im Startblock steht, dann ist man zwischen den Läufern, die noch kein Finishershirt haben. Die haben nur ein (1) Trainigsshirt und von der Erfindung des Deos noch nichts gehört. Liebe Leute! Liebe Läufer aus Münster, nächste Jahr bitte nicht wieder!

Gleich biegen wir ab in Richtung Innenstadt, die Luft wird dadurch nicht besser. Gut sichtbar die mittelalterliche Aegidiischanze, auch Kanonenberg genannt. Sie diente als Verteidigungsstellung. Wir sind ja erst 700 Meter gelaufen und niemand schaut in diese blütenreiche, duftende Blumenanlage.

Vorbei an der Überwasserkirche, so genannt, weil sie westlich des Domes, auf der gegenüberliegenden Seite der Aa liegt. Im Innenhof ist ein Hufabdruck zu sehen. Der Sage nach handelt es sich dabei um den Fußabdruck des Teufels, der sich gegen den Bau der Kirche gewehrt hatte.

Vor dem Kiepenkieker steht Rudi Assauer im dunklen Anzug mit Gattin Britta Idrizi. Ob nun Malteserhund Connor oder Leon an der Leine war, weiss ich nicht, interessiert euch ja auch nicht. Mich auch nicht, ich hatte ja gefrühstückt. Ich weiss auch nicht, ob Rudi durchgemacht hat, jedenfalls steht er sehr perplex und wortlos am Streckenrand, während Britta mir, der schon klattschnass geschwitzt ist, sowas wie ne Liebeserklärung macht und der Hund, scheißegal wie er heißt, mir die Füße leckt.

Empfehlenswert ist ein Besuch des Hochbunkers in der Lazarettstrasse. Der Bunker sollte von den britischen Bombern nicht entdeckt werden, deswegen tarnte man ihn durch eine mittelalterliche Bauweise samt Wassergraben und Zugbrücke. Originale Innenausstattung.

Wir passieren den St.-Paulus Dom auf der nördlichen Seite. Über die Promenade geht es zum Buddenturm, auch Pulverturm genannt. Es ist ein Wehrturm (um 1150 gebaut),  Rest der ehemaligen Stadtbefestigung.

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Informationen: Volksbank Münster-Marathon
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