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Laufberichte

Oulu Terwamaraton: Ren(n)tierjagd in Nordfinnland

24.05.14

Das Buffet ist eröffnet – Aber wo ist der Kuchen?


Bei Kilometer 3,4 erreichen wir in Nallikari schon die erste Verpflegungsstelle. Die heißen hier Huoltopiste, was man wissen muss, da nichts auf Englisch ausgeschildert und Finnisch für Deutsche schlechterdings wenig intuitiv verständlich ist. 200 Meter vor jedem Huolto weisen Schilder auf die kommende Verpflegungsstelle hin. Dort gibt es Wasser (vesi), Iso (Squeezy Forti Energy Drink) und Bananen (banaani). Außerdem Rosinen (rusina) und saure Gurken (suolakurkku). Dass die Helfer einem das Ganze auch noch zurufen ist zwar lieb gemeint, aber nicht wirklich hilfreich.



Durch asphaltierte Waldwege durchlaufen wir den nördlichen Teil der Insel, bevor wir kurz nach KM 5 auch schon wieder eine Brücke erreichen und zurück auf das Festland laufen. „Die ersten 5 km sind die besten“, das hat noch nie ein Marathonläufer gesagt und das wird vermutlich auch heute niemand sagen. Die kommenden Kilometer gibt es nichts zu bestaunen außer Baustellen und Kräne, Sand und Schutt.

Nach der zweiten Verpflegungsstelle in Tuira bei KM 6,8 beginnt ein modernes Neubaugebiet, bestehend aus Appartementwohnungen mit Meerblick. Aus den verglasten Wintergärten schauen uns verstörte Anwohner hinterher, denn keiner scheint so richtig zu wissen und zu verstehen, was und vor allem warum wir tun, was wir hier tun. Für uns macht das aber auch eigentlich keinen Unterschied. Ich hatte nicht erwartet, dass es hier in Nordfinnland viele Zuschauer bei diesem Marathon geben wird und auch wenn Christian insgeheim anderes gehofft hatte, wird auch ihm langsam bewusst, dass dies kein nahtlos bejubelter Stadtmarathon à la Berlin ist und dass man auch eine Sambaband vergeblich suchen wird.

Die Finnen sind allgemein auch nicht dafür bekannt, schnell neue Bekanntschaften zu schließen und mit Fremden gerne und lebhaft zu kommunizieren. Dasselbe gilt anscheinend auch für ihre Bereitschaft, Sportler anzuspornen und zu motivieren (Eishockey ist hiervon vielleicht ausgenommen). Auch ohne ihren Zuspruch bewegen wir uns durch den kleinen Park und erreichen bei KM 10,2 in Laanilan koulu schon den dritten Verpflegungspunkt, wo man uns wieder Wasser, Iso, Bananen, Rosinen und Gurken anbietet.

Nach diesem Punkt biegt die Strecke hinter einem Supermarkt direkt in den Wald ab. Und auch wenn es vorher auf dem Streckenplan so aussah, als ob die gesamte Strecke durch die Stadt verläuft, stellen wir jetzt fest, dass Städte hier oben nun mal einfach so aussehen. Der Wald ist überall – man
hat lediglich Häuser zwischen die Bäume gebaut, ein Straßenschild angebracht und nennt das trotzdem Stadt. So laufen wir die nächsten 5 Kilometer auf einem breiten asphaltierten Weg durch den Wald parallel zu einer Art Bundesstraße, auf der wahrscheinlich mehr Hirsche als Autos verkehren. Mitten im Wald ist auch der vierte Huoltopiste in Oulujoki kurz nach KM 14. Auch hier gibt es keinen Kuchen! Spiderman hier hat morgen Geburtstag und 42 Kilometer erscheint mir eine Menge Arbeit für ein paar Bananen. Aber es hilft ja alles nichts, nach einer Handvoll rusina und einem Schluck vesi laufen wir weiter.

Das finnische Geld liegt seit je her in den Wäldern, auch wenn Ende des 19. Jahrhunderts keiner mehr den hier aus den Bäumen gewonnenen Teer kaufen wollte. Mit dem Untergang der Teer- beginnt so der Aufstieg der Papierindustrie. Neben der Papierindustrie ist Oulu auch durch die namhaften Technikfirmen bekannt geworden. Darunter Unternehmen wie Nokia, VTT und ein – uns Läufern – sehr bekannter Konzern: Polar.

Schon bald queren wir ein weiteres Mal eine Brücke. Im Winter braucht man die Brücken eigentlich gar nicht, da sowieso jedes Tröpfchen Wasser gefroren und unter einer meterdicken Schneeschicht versteckt liegt. Auf der anderen Uferseite geht es wieder an einem Strand entlang, wo auch diesmal keiner so richtig davon begeistert zu sein scheint, dass hier Läufer mit ihrem Asphalt-Getrampel das Mittagsschläfchen erschweren. In Koskennista bei KM 18 gibt es die fünfte (und für die Halbmarathonläufer auch letzte) Verpflegungsstelle. Von hier aus geht es über mehrere Umwege wieder zurück Richtung Raatin Stadion. Das Stadion wird im Herbst übrigens mit Wasser „geflutet“, sodass es als Eishockeyfeld und Schlittschuhbahn genutzt werden kann.

Durch den blühenden Stadtpark Hupisaaret verläuft die Strecke nun entlang der Lachstreppen Merikoski – einem künstlich angelegten Fischweg, der den Lachsen die Wanderung über den Staudamm ermöglicht. Wir weichen Fußgängern und Radfahrern aus und nachdem wir am Nord-Österbotten Museum vorbeigelaufen sind, erreichen wir die Halbinsel Linnansaari. Hier stehen die Ruinen der Burg Oulu. Sie stammen von der 3. Burg des schwedischen Königs Karl IX aus dem Jahr 1603. Als ein Lagerkeller am 31. Juli 1793 um 22:45 Uhr durch einen Blitzschlag in Flammen aufgeht, explodiert auch der Schießpulverkeller und zerstört damit die gesamte Burg. Der Legende nach soll bei der Explosion ein Stein bis zur Insel Pikisaari geflogen sein. Dieser soll dort in ein Dach eingeschlagen und neben einem in der Wiege schlafenden Kind auf den Boden gefallen sein. Uns trennen von Linnansaari aus auch nur noch ein Steinschlag und eine letzte Brücke vom Halbmarathon-Schild und dem Start der zweiten Runde.

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