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Laufberichte

Freundschaftsmarathon von Grodno nach Druskininkai

18.07.15 Special Event
 

Wir Mitglieder vom Country Marathon Club in Begleitung eines US-Läufers, der wie ich Mitglied bei den Marathon Maniacs ist, brechen nun auf, um Grodno zu erkunden. Mario interessiert sich für einen weiteren Aufnäher für seine 100 MC DEU-Jacke, auf der Dutzende Sticker von Ländern und Städten angebracht sind, wo er schon überall einen Marathon gelaufen ist. Klaus ist auf der Suche nach Fotomotiven, Guiseppe möchte seiner ehemaligen Schulfreundin die gewohnte Postkarte aus einem fernen Land schicken, ich würde gerne einen Supermarkt aufsuchen. Jürgen hingegen scheint schon jetzt voll motiviert zu sein und sich gedanklich auf den morgen Lauf zu konzentrieren. Er und der Ami trennen sich von uns und gehen früher zurück. Als Alexander uns nach einem Spaziergang durch Grodno in einen Supermarkt führt, staune ich über die übervollen Regale. Ich erkenne keinen Unterschied zum Warenangebot bei uns, nur sind die Güter und Konsumartikel mindestens die Hälfte billiger. Eine Verkäuferin bekommt ca. 300 Euro im Monat, erzählt Alexander, das gleicht sich dann wieder aus.

Als wir wieder in Stadionnähe sind, bleibt noch eine gute Stunde Zeit, um in der Kantine ein Essen zu bekommen. Für rund 55.000 Byr (3 Euro) kann man sich ein paniertes Hühnerfilet mit Reis und Mineralwasser bestellen.  Gegen 23 Uhr spaziere ich noch durch die Stadt in Richtung der Laufstrecke. Einige der zahlreichen Plattenbauten haben eine desolate Fassade, die Bausubstanz der Balkone ist schlecht. Aber ein Stück weiter ist ein riesiges Plakat angebracht. In Weißrussisch wird ausgedrückt: „Я люблю Беларусь“ (Ich liebe Belarus). Aber statt des russischen Wortes für lieben (люблю) ist ein Herz eingefügt. Seit meinem Antritt in St. Petersburg Ende Juni 2014 versuche ich en-passant, wenn geboten (wie heuer in Novi Grad) für cyrillische Aufschriften die lateinische Entsprechung zu finden – nicht alle lassen sich zuordnen.

Tagwache am Renntag ist bei mir um 5 Uhr morgens, mein Frühstück bereite ich mir selbst zu, die Einkäufe reichen aus. Nur die in Druskininkai gekaufte und nach Grodno eingeschleuste Milch in der  ½ l Packung  ist ungenießbar, ich hätte sie über Nacht im Kühlschrank lassen sollen, so wurde sie sauer. Ich esse reichlich, einige Bananen, Äpfel und Brot lasse ich im Zimmer zurück.

Wir sollen zwischen 6 und 7 Uhr 30 das Gepäck sowie die Reisepässe im Stadion abgeben. Als ich um 7 Uhr 15 eintreffe, sind fast alle Läufer schon versammelt. Die gleiche Frau, die unsere Pässe im Bus  entgegengenommen hat, ist auch diesmal mit dieser Aufgabe betraut.  Sie macht das mit ernster Miene – vielleicht ist das auch nur gespielt und sie lacht, wenn wir weg sind.

Nur einer fehlt, als ich zur Country Club Gruppe stoße – es ist Jürgen, mit 77 Jahren allerdings besser in Form als ich und andere Kollegen. Wir knipsen eifrig  vor dem Start. Ein gemeinsames Foto soll dokumentieren, dass der Marathon von Grodno nach Druskininkai auch innerhalb der Gruppe den Zusammenhalt vertiefen möge. Alle sind am Start, der Platzsprecher ist am Wort, ein honoriger Herr hält eine Ansprache. Doris hat ihre Sorge um Jürgen offen ausgesprochen, doch wenige Augenblicke vor dem Startschuss ab 8 Uhr trudelt er ein, gibt seinen Pass und den Rucksack ab und stellt sich zu uns.

Einen Chip haben wir nicht bekommen, im Ziel wird die Einlaufzeit gewertet. Klaus ist am Knie verletzt und daher gehandicapt, auch Giuseppe will sich mehr Zeit geben und rechnet mit 5:30 bis 6 Stunden, solange ist der Marathon offen. Jürgen hat von einer 4:10er-Zeit geredet, die ihm auf einer flachen Strecke zuzutrauen ist. Der Marathonkurs hier ist wellig, es gibt langgezogene leichte Anstiege, die Kraft kosten. Bei der Fahrt mit dem Bus ist mir das schon aufgefallen.

Ich nehme mir vor, eine Zeit unter 5 h zu laufen, will daher die ersten 10 km unter 60 min bleiben und die Halbdistanz mit 2:15 erreichen. Daher  gehe ich es am Anfang schneller als sonst an, wodurch meine Anfangsfotos vom Geschehen mehr Läufer im Bild haben, aber die Gefahr besteht, dass ich nach dem bronchialen Infekt, mit ich den Montafon- und Gletschermarathon bei Temperaturen um 35 Grad C am 4. und 5. Juli wider die Vernunft gelaufen bin, noch nicht fit bin. Bis auf Mario, der davon zieht, sind alle Freunde vom Country Club hinter mir, als wir nach 5 km die kleine Ortschaft Zaritsa erreichen. Die Polizei hat die Straße weitgehend gesperrt, nur Einsatzfahrzeuge dürfen passieren. An der Labe  wird Wasser und Iso angeboten, auch Bananenstücke gibt es.

Bei Km 7 hat die Feuerwehr eine Art Fontäne angebracht – wer will, kann unter der Dusche durchlaufen und sich abkühlen. Noch ist es nicht wirklich heiß, doch mit ca. 25 bis 28 Grad ist zu Mittag zu rechnen. Links an der Straße steht wieder das bekannte Plakatmotiv:  Erdbeeren auf einem weißen Teller symbolisieren die Liebe zu Belarus.

Die 10 km-Tafel steht nahe der Gemeinde Ostrovok. Alle Kilometer auf weißrussischem Staatsgebiet werden angezeigt, ähnlich wie in St. Petersburg steht ein Helfer oder ein hübsches Mädchen hinter der Tafel. Mit 58 min liege ich gut in der Zeit, spüre aber, dass ich über meine Verhältnisse gelaufen bin und nehme daher das Tempo zurück.

Bei Km 15 liegt Gozha, ein weiterer Ort, dessen Gemeindegebiet sich auch abseits der Durchgangsstraße P42 erstreckt. Die Marathonstrecke ist wellig, aber wenig spektakulär. Links und rechts der Straße befinden sich Föhrenwälder mit etwas Mischwald und Buschwerk. Die Menschen in den Orten nehmen kaum oder korrekt eher keinen Anteil am Geschehen, nur eine Kindergruppe in Gosha applaudiert. Es kommt wie es kommen muss: Läufer rücken von hinten auf und überholen mich. Bei Km 15 bin ich mit 1:35 schon aus dem 6er-Schnitt , ich will jetzt kontrolliert laufen. Den Kollegen habe ich schon am Vortag mitgeteilt, dass ich spätestens um 14 Uhr geduscht in Druskininkai weg muss, um die Abreise nicht zu verpassen.

Ich erreiche die Halbdistanz nach 2:18, zumindest zeigt das meine Garmin an – der Helfer ruft mir etwas auf Weißrussisch zu, das ich nicht verstehe. Nach der Labestelle stürmt bei km 22 Jürgen förmlich heran und erklärt, dass er sich in dem Gelände sehr wohl fühle, weil es auch abwärts geht. Ich lasse ihn ziehen.

Als ich die Straße queren will, um kurz auszutreten, kommt mir eine von einem Polizeiauto eskortierte Autoschlange entgegen, die ich abwarten muss. Fünf Minuten vergehen, bis ich nach dem kleinen Geschäft wieder das Rennen aufnehmen kann. Doris Sagasser ist ohne mich zu sehen, inzwischen aufgerückt und vorbeigezogen. Ich hole sie bei der nächsten Labe wieder ein und frage, wie es den anderen geht. Sie weiß nur, dass sich Giuseppe habe zurückfallen lassen und Klaus sein Knie spürt. Auch Doris muss ich ziehen lassen, sie hat ihre Kräfte bisher besser als ich eingeteilt.

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