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Laufberichte

Juwel im Norden

26.06.10
Autor: Klaus Duwe

Gäbe es den Hasetal Marathon nicht, mir ginge es wie Euch: Ich wüsste nicht, wo Löningen liegt. Mein frisch erworbenes Wissen möchte ich sofort mit Euch teilen. Löningen liegt im Landkreis Cloppenburg im Dreieck Oldenburg, Osnabrück und Niederländische Grenze. Von mir aus gesehen also am anderen Ende der Republik.

Wenn ich mich auf eine so weite Reise mache, hat das einen besonderen Grund. Diesmal ist es die Neugier. Was ist das für eine Veranstaltung, für die die  Teilnehmer beim letztjährigen Voting so fleißig abstimmten,  dass am Ende der vierte Platz in Norddeutschland herausschaute?

Die Suche nach einem Laufbericht vom Hasetal Marathon geht auf marathon4you.de ins Leere, was  äußerst selten passiert und mich zusätzlich motiviert. Der Start ist am Samstag um 17.00 Uhr. Zeit für eine stressfreie Anreise  also. Einquartiert habe ich mich in einem Landhotel, nur 12 km von Löningen entfernt. Der Veranstaltungsort selber ist ausgebucht. Zumindest die Gasthöfe und Hotels. Es gibt beim Wellenfreibad nur noch Zelt- und Stellplätze für Wohnmobile und Wohnwagen, die aber kostenlos.

Gegen 14.00 Uhr versammelt sich auf dem Marktplatz ein interessantes Publikum. Marathonis, unschwer zu erkennen an den bunten Finisher-Shirts oder der bereits angetackerten Startnummer und Teenies, meist weiblich, teilen sich die knappen Sitzplätze oder stehen sich die Beine in den Bauch. Joey Kelly ist angesagt. Die einen freuen sich auf seinen Vortrag über seine Laufabenteuer, die anderen haben ihn  noch als Pop-Star in Erinnerung, der mit seinen Geschwistern immerhin 20 Mio. Tonträger verkaufte.

Darüber verliert er aber kein Wort. Nur am Schluss kommt er kurz darauf zu sprechen, als er kartonweise CD’s kostenlos unter den Fans verteilt. Und wenn er über seine läuferischen Großtaten spricht, tut er das nie großspurig oder angeberisch. Im Gegenteil. Zum Einstieg zeigt er Bilder von seinem ersten Triathlon, deutet auf den Exoten, der im Schmetterling-Stil dem Feld hinterher schwimmt und sagt: „Das bin ich.“ Er macht sich über sich selber lustig. Man spürt, wie ihm die Sympathien zufliegen. Man denkt: „Blöder kann ich mich auch nicht anstellen.“ Das Konzept geht auf. „Ich wollte gar kein Läufer oder Triathlet werden. Meine Schwester wollte das unbedingt. Ich wollte sie nur begleiten. Sie hat bis heute keinen Triathlon gemacht. Aber ich bin dabei geblieben“, sagt er weiter.  

Warum er nach Löningen kommt? Er will mal wieder was Neues machen.  Waas, in Löningen? Ja. Er hat von Jeffrey Norris gehört, dem blinden Läufer und Ironman. M4Y-Leser kennen seine haarsträubende Geschichte. Heute sagt er zu seiner Erblindung nur: „Es war ein Unfall.“  Joey Kelly präsentiert seinen neuen Freund als den eigentlichen Star, den er zusammen mit Thomas Eller (auch er ein Extremläufer, Stichwort UTMB), heute über die Marathonstrecke führen will. „Es ist mir eine Ehre“, sagt Joey und gewinnt die restlichen Sympathien.

Noch mehr Ultrapower repräsentieren René Strosny, frisch gebackener Deutscher Meister im 24Stunden-Lauf (236, 518 km)und seine Angela, zusammen auf dem Weg in den noch höheren Norden (Nordkap-Ultra).  Dass ich den Marathonsammler Nr. 1, Horst Preisler, hier treffe, überrascht mich nicht. Obwohl, Löningen ist nur sein Plan B für dieses Wochenende. Favorit war St. Petersburg. „Aber die Russen kamen mit dem Visum nicht rechtzeitig rüber“.

Und dann ist das noch Marco Diehl. Er ist von allen bisher erwähnten der einzige „Wiederholungstäter“. Aber entgegen seiner sonstigen Gewohnheit hat er noch nie gewonnen. „Meistens war es zu warm, oder andere waren einfach schneller,“ sagt der bescheidene Ausnahmeläufer.

Ja, Marco Diehl ist ein Ausnahmeläufer. Er hat noch keinen wirklich großen Marathon gewonnen. Aber in den 8 Jahren, in denen der heute 41jährige Banker läuft, hat er 85 Marathons gefinisht.  Ok, andere haben mehr. Ich auch. Aber Marco Diehl ist bei jedem Start für eine Zeit von 2:30 – 2:38, je nach Gelände, gut. Eingebrochen ist er noch nie. Ich behaupte mal, dass es bei uns keinen Marathoni gibt, der auf diesem Niveau mehr läuft.

Marco Diehl ist einer von uns. Einer, der Spaß hat, einer,  der eine schöne Strecke, eine gute Organisation und ein angenehmes Umfeld zu schätzen weiß. „Und wenn keiner schneller ist, nehme ich den Sieg halt auch noch mit,“ meint er schmunzelnd.

Natürlich drängt sich die Frage auf, welche Zeiten er wohl laufen könnte, wenn er sich „seriös“ vorbereiten würde. Davon will Marco aber nichts wissen: „Mir fehlt die Grundschnelligkeit.“ Auch von Ultras will er (vorerst) nichts wissen. „Ich kann das bestimmt. Aber es würde mich Schnelligkeit kosten. Vielleicht später.“ 

So ziemlich das Gegenstück zu Marco Diehl ist Hajime Nishi. Als mir Jürgen Patock, der mit Wilfried Senger und Jürgen Schelze das „magische Dreieck“ im Orga-Team bildet, erzählt, dass gestern ein Japaner angerufen hat und teilnehmen will, muss ich sofort an ihn denken. Und als ich mich gerade am Auto umziehe, läuft er mir tatsächlich über den Weg. Hajime Nishi ist ein Genussläufer der „schlimmsten“ Sorte. 2048 wird er 100 Jahre alt. Dann will er 1000 Marathons in 250 Ländern gelaufen sein. Dabei nutzt er das Zeitlimit aus bis zum Geht-nicht-mehr und hat es am liebsten, wenn er letzter wird. In 168 Tagen ist er einmal auf jedem der sieben Kontinente mindestens einen Marathon gelaufen. Das brachte ihm einen Eintrag ins Guinness-Buch ein.

Hajime ist auch so einer, der sich mit Laufen aus der größten Krise seines Lebens befreit hat. Er handelte mit Filmrechten, es ging ihm gut. Dann starb seine Frau an Krebs. Seine drei Kinder brauchten ihn, das hielt ihn am Leben. Seinen Job gab er auf, er fing an zu laufen. Das brachte eine neue Qualität in sein Leben. 1994 lief er in Honolulu den ersten Marathon. Seither ist er Weltreisender.

Jetzt hat er einen neuen Coup vor: Er organisiert einen eigenen Marathon in Japan. Das kann natürlich kein 08/15-Event werden. Schon vor dem Start müssen die Teilnehmer bestimmte Bedingungen erfüllen. Zum Beispiel dürfen sie nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrädern oder zu Fuß anreisen. Und das Zeitlimit müssen sie auch unbedingt einhalten:  5 Stunden. Mindestens. Wer schneller ist, kommt nicht in die Wertung.

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Informationen: Remmers-Hasetal-Marathon
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