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Laufberichte

Gipfeltreffen der Champions

 
Autor: Joe Kelbel

Also laufe ich so schnell ich kann hinunter zum Findelbach, über die Brücke und wieder hinauf, am Bergrestaurant Grünsee vorbei. Es ist eines der ältesten Hotels im Zermatter Gebiet. Als es 1887 gebaut wurde, reichte der Findelgletscher bis unterhalb des Hotels, bis zum unbewohnten Weiler Gant. Die Besenläufer haben mich wieder eingeholt, ab jetzt gibt es Fotos mit dem Titel:

 

“Die Freundchen, der Berg und ich”

 

Die Strecke führt auf die Seitenmoräne, die der Findelgletscher nach der Eiszeit hinterlassen hat. Ein unglaublich gewaltiges, bröckliges Ding. Zunächst noch mit Gräsern bewachsen, wird es hinter der 10 km-Marke dann mondhaft. Ich überhole Felix. Wenigstens habe ich die Freundchen nicht mehr im Rücken.

Den Gornergrat, rechts oben passieren wir weit unterhalb, kämpfen uns durch das Geröll rund um den künstlichen See, dessen Wasser in drei Monaten die Schneekanonen speisen wird. Was jetzt folgt, könnte irgendwie in die Sendung “Versteckte Kamera“ passen: Zwischen “Rote Nase” und „Hohtälli”, wie die Spitzen hier genannt werden, ist der Hang abgerutscht, die Fähnchen führen eindeutig durch den Schmodder steil nach oben. Ich steh da mit offenem Mund, kann´s nicht glauben, erwarte jetzt das blöde Grinsen von Kurt Felix… momentmal, den Felix habe ich doch gerade überholt!

Günter wird später sagen, er hätte in seinem Leben noch nie so was Steiles laufen müssen. Von Laufen kann man nicht sprechen, der Untergrund ist mit trockenen Eiskristallen durchsetzt. Durch die extreme Steillage beschließt diese Mergelmischung unter deinen Füssen den Abort zu machen. Jetzt könnte ich einfach weitergehen, aber ich bin oberhalb des Gornergrates, also über 3100 m und ich bekomme meinen zweiten Fuß nicht auf den schiefen Boden. Nennen wir es Höhenprobleme. Es fühlt sich an wie eine Flasche Whiskey. Und gegen so eine Dröhnung bin selbst ich machtlos.

Aber ich bin oben. Härtetest bestanden. Überwältigender Tiefblick auf den Findelgletscher hinter mir, den Gornergletscher links unter mir, den Grenzgletscher rechts davon und den Theodulgletscher direkt vor mir. Faszinierend, diese Fließbewegungen der Gletscher, deren Bäche sich zur Matter Vispa vereinigen und durch das Mattertal in die Rhone fließen. 1859 drangen die Gletscher bis in eine Tiefe von 2100 Hm vor und zerstörten zahlreiche Wohnhäuser. 

Um mich herum sind mehr als 20 Vierttausender, 23 Gletscher, in der eisgepanzerten Nordostwand kleben die gleißenden Gipfel von Monta Rosa, Liskamm (der Menschenfresser) und vor mir das Matterhorn. Auf der Südseite eine 500 Meter hohe Felskante, die über den Gletschern thront, und sie stark zerreißt.

Die Laufstrecke führt über den schneebedeckten Grat hinunter zur Station Gornergrat, glücklicherweise nicht hinauf zur komischen Spitze. Die lassen wir links liegen, sodass ich mich nicht entscheiden muss, ob mir wieder wacklig wird.

Bis hier hoch zum Gornergrat haben die Zuschauer mit der Bahn 33 Minuten gebraucht, eine eindrucksvolle Fahrt über Brücken, durch Tunnel, Galerien und idyllische Wälder, vorbei an Schluchten und Gebirgsseen. Die Uni Köln hatte das Observatorium gepachtet, doch nun werden die beiden Radioteleskope nicht mehr genutzt, nur noch der Container, in dem man solare Neutronen zählt.

An der Verpflegungsstation gibt es nur Wasser, weswegen man dort nicht mit mir zählen muss, außer natürlich für ein Foto mit Wolli, dem Murmeltier von Dan Danielle, der Zermatt kindgerecht gemacht hat.

Mein Lauf  ins Selbstbedienungsrestaurant wird legendär bleiben. Standig Ovations! Touristen bilden eine Gasse hin zum Kühlregal, der ganze Laden brodelt vor Lachen. Ich habe eine Riesenshow! Leider habe ich danach die Freundchen wieder im Nacken. Bisher nur 5 Abbrecher, das wird sich gleich ändern.

Ich wetze hinunter, vorbei an der Bahnstation. Ordner schreien fast unbewegliche Touris beiseite, die sich auf der abgesperrten Laufstrecke nach oben wackeln. Auch ich brülle mir meine Lauffreiheit herbei, doch ist es mir nicht soo ernst. Kilian ist seit im Ziel, ich bin bei km 13,8. Die Realität ist schneller als ich.

Aber jetzt habe ich Oberhand, denn es geht abwärts. Die drei Freundchen sind hinter mir und funken mit Simon Anthamatten. Simon ist der Racedirektor, sieht aus wie Robin Gibb von den Bee Gees, wird mich in vier Stunden fragen, ob es ok ist, wenn er mich aus dem Rennen nimmt.

Es gibt praktisch eine Live-Übertragung von Joe´s Laufkünsten direkt ans Headquater: “Er läuft super… richtig gut!“  „Le mac est superb!” heißt streng übersetzt: “Die Makrele (der Zuhälter) ist super!“ Ja, ich bin gut, auch diese groteske Situation muss man erlebt haben, bevor man stirbt. Ein vollkommen Bekloppter mit ner Bierdose in der Hand und drei Freundchen hinter sich, die live ins Funkgerät schreien, wie bekloppt die Makrele ist. “No dopage!” sage ich nur.

Wieder schönster Ort der Welt, schönster Trail, den ich je erlebt habe, die Freundchen stellen sich wie Japaner an, nur um ein Foto vom Joe zu erhaschen. Gott was haben wir gelacht, als ich das Leergut einer Helferin in die Hand drücke. Ich will ja keine Disqualifikation riskieren!

Sieht das Riffelhorn harmlos und unscheinbar aus, so ist dieser Weg doch sehr anspruchsvoll, denn es gibt senkrechte Rinnen und schwer passierbare Verschneidungen von Erdschichten, die quer zur Laufstrecke liegen und mich hüpfen lassen, wie James bei “Diner For One” über den Tigerkopf. 

Mein Rat: der 30 K oder der 16 K  sind angemessen für Läufer meiner Preisklasse. Aber lasst Euch nicht den 46 K entgehen! Wer in 4:15 den Marathon schafft, der schafft den 46 K, und wenn nicht….auch egal. Keine Lauftstrecke in Europa kann es mit der hier aufnehmen!  

Ich treffe auf die Schlusslichter des K 30. Junge Mädels, ein bisschen überernährt, aber fit. Dann dritter VP Riffelberg (2222m): 12 Läufer steigen aus. Auch Heidemarie und Michael, die mich frühzeitig alleine gelassen hatten.

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Informationen: Matterhorn Ultraks
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