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Laufberichte

„Der ist ja blau!“

20.06.10
Autor: Joe Kelbel

Bacchus, der Gott des Weines erschreckte einmal ein junges Mädchen so fürchterlich, dass es zu Kristall erstarrte. Daraufhin seufzte der Gott, und als sein Atem den Stein berührte, färbte er sich purpur wie die Farbe des Weines. Den Stein nannten die Griechen amethystos, „dem Rausche entgegenwirkend“ und hingen  sich Amethyst-Amulette um den Hals, um die Nachwirkungen des Weingenusses abzumildern. Sah man einen Griechen mit Amethyst um den Hals, ahnte man was dieser vor hatte und sagte: „Der ist ja blau!“

Naja, und noch ein dem Kater vorbeugendes Mittelchen haben die Griechen auch erfunden: den Marathon.

„Während eines Marathons kann ich keinen Wein trinken“ so lautet die Aussage der meisten Läufer. Doch dann stehen schon bei km 2,5 die Winzer in ihren Elsässer Trachten und lassen den goldenen Wein blitzen, da werden dann schon die ersten Läuferherzen schwach. Daß niemand über die Strenge schlägt, liegt an diesem einzigartigen, gepflegten  Ambiente der Elsässer Kultur.

Will man diese Kultur und die Heimatliebe der Elsässer beschreiben, muss man schon weit zurück gehen in der Geschichte: Nach 496, als die Franken  die Alemannen besiegten und das linke Rheinufer zwischen Basel und der Pfalz als Herzogtum zum Frankischen Reich gehörte, entstand der Name Elsaß, von althochdeutsch ali-saz (Fremdsitz).

Nach dem Tode Karls des Großen(auf franz. Charlemagne) 814 in Aachen konnte sein Sohn Ludwig der Fromme die Einheit des Frankenreiches nicht aufrechterhalten. Seine drei Söhne stritten um das Erbe ihres Großvaters. Im Elsass liefen die Truppen Ludwigs zu jenen seiner Söhne über, weswegen der Ort später Lügenfeld genannt wurde.

Die drei Söhne Ludwigs des Frommen teilten schließlich das Frankenreich unter sich auf.  Karl der Kahle erhielt das Westfrankenreich, (Ursprung Frankreichs), Ludwig der Deutsche  Ostfrankenreich, (Ursprung Deutschlands) und Lothar  das Reich des Lothar, (Ursprung Elsass-Lothringens).

Lothar erbte zwar den kleinsten Teil, aber dafür den wertvollsten, verbunden mit dem Kaisertitel. Das gefiel Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen nicht. In den  Straßburger Eiden (Les serments de Strasbourg, 842) verbündeten sie sich gegen Lothar und besiegten ihn.

Der frevelhafte Bruch verdeutlicht sich darin, dass diese Eide nicht mehr in der gemeinsamen Sprache Latein verfasst wurden, sondern in der Sprache der Unterführer, also in altfranzösisch und althochdeutsch (rheinfränkisch).
Bis in die Neuzeit prügelten sich nun die Herrscher links und rechts des Rheines um die Reste des Erbes von Lothar, bis zu dem Tag, an dem der Marathon du Vignoble d´Alsace erfunden wurde.

Und im Jahr 2010 ist der große Saal des Hotel de la Monnaie in Molsheim nun brechend voll. In dem Gebäude haben früher die Bischöfe von Strassburg ihre Münzen geprägt und nun stehen Linksrheinische und Rechtsrheinische  Schlange für das das beste Marathonbuffet weltweit.

Wir sind bald pappsatt, die Tischdecke löst sich im überschäumenden Crémant schon auf, doch Karl-Ernst organisiert pausenlos diese Eclairs, die aussehen wie Hot-Dogs und einfach ein Traum sind. Die Polonaise gibt dann den Startschuß für die große Sause.  Ich fotografiere Linksrheinische und Rechtsrheinische, wie sie sich in den Armen liegen und tanzen. Es ist einfach nur geil. Doch nicht nur die Nacht kommt bald an ihr Limit, auch der Akku meines Fotoaparates, und so wird der folgende Tag sparsam an Fotos und reich an Erlebnissen werden.

Der Wasserkessel weckt mit lautem Pfeiffen den gesamten Campingplatz auf. Aus allen Richtungen kriechen unheimliche, verkleidete Gestalten an und lechzen nach Kaffee. Schleppend zieht sich der Karnevalszug zum Shuttlebus, der uns die 2 oder 3 Kilometer zum Start bringen wird. Es gibt kaum einen, der heute morgen ein Frühstück hinunterbekommen hat, aber wer satt an den Start des Marathon du Vignoble d ´Alsace geht, der hat heute sowieso einen Fehler gemacht.

Warum es plötzlich 7:30 Uhr ist, weiss ich nicht mehr, aber alle laufen los. Also, nix wie hinterher, 2,5 Kilometer können weit sein für ein Frühstück. Danach lässt es sich schon besser plaudern, die Verkleidung ist immer der Aufhänger für ein nettes Gespräch. Die Zuschauer nennen mich Cro-Magnon, aber ich rufe zurück:„ Je suis Grand Manier!“ alles gröhlt und ich  tappe mit meiner  Plastikkeule auf die Köpfe der Zuschauer, immer der Reihe nach. Das kostet viel Zeit, macht aber Riesenstimmung. In den Feldern mache ich die verlorene Zeit wieder gut und laufe, was das Zeug hält.

Die Strecke ist einmalig, vor allem wenn man an dem Flüßchen Breusch (Bruch) langläuft, mal trailartig, mal auf dem Radweg, aber immer gibt es was zu sehen, und immer diese lachenden Rufe der Zuschauer.

Ergersheim. Markant die Wallfahrtskirche Maria Altbronn inmitten der Felder. Letztes Jahr stand der Mais schon mannshoch. Zwischen 1348 und 1350 wütete hier  die schwarze Pest,  das Dorf ist deshalb verschwunden, geblieben ist nur die Kirche, und ein harter Kampf hinauf, durch die Felder.

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Informationen: Marathon du Vignoble d'Alsace
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