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Laufberichte

Erfahrung und Kompetenz

 

In Peking gehen heute die Leichtathletik Weltmeisterschaften zu Ende. Großer Sport mit diversen Bestleistungen wurde geboten. Ich habe fast alles live mitverfolgt. Mich faszinieren Menschen, die an die Grenzen gehen.

 An diesem Sonntagmorgen stehe ich in Egelsbach am Start des Koberstädter Waldmarathons und beobachte gespannt, wie ein etwas betagter Mann mit  einigen Schwierigkeiten eine Alubockleiter besteigt. Wie immer bei solchen Veranstaltungen ist die Stimmung laut. Es gibt Musik und einen Moderator und die Sportler sind vor Nervosität kaum zu bändigen. Plötzlich ertönt ein schriller Pfiff. Der Mann auf der Leiter verschafft sich mit seiner Trillerpfeife Gehör. Plötzlich ist es totenstill. Horst Bernau ist trotz seiner 80 Jahre die Seele des Koberstädter Waldmarathons. Vor 37 Jahren hat er den Lauf gegründet und ist ihm seither treu geblieben. In druckreifen Sätzen informiert er kurz über den Lauf. Sein launiges Gedicht lockert die Atmosphäre. Dann zählt er herunter und gibt den Startschuss mit dem die Läufer auf die Strecke geschickt werden.

Während Horst Bernau langsam und vorsichtig von der Leiter klettert, geht der Lauf seinen normalen Gang: Die Vorderen suchen mit schnellen Schritten das Weite, gefolgt von der Masse der Läufer, die in ihrem Tempo folgen. Die Reihen der Zuschauer lösen sich auf, die Aufräumarbeiten im Startbereich beginnen. Woher ich das weiß? Ich laufe gar nicht mit. Heute ist für mich Training, d.h. ein Halbmarathon steht auf dem Programm. Norbert braucht lange Einheiten und läuft den Marathon. Die Strecke ist ähnlich, der Marathon läuft aber zwei Runden. Ich halte noch einen Moment inne. Der Mann auf der Leiter hat sich sichtlich gefordert, um die jungen auf die Strecke zu schicken, damit auch die sich fordern. Welch eindringliches Bild!

Egelsbach liegt verkehrsgünstig im Rhein Main Gebiet zwischen Darmstadt und Frankfurt. Der eigene kleine Flughafen macht den Ort mit seinen über 11 000 Einwohnern als Wirtschaftsstandort zusätzlich interessant. Ansonsten geht es wohl eher beschaulich zu, so auch an diesem Morgen. Als wir um 7 Uhr den Parkplatz erreichen, ist nicht viel los, die Helfer sind noch am Aufbauen. Dass der Start bereits um 8 Uhr erfolgen soll, scheint hier niemanden Stress zu bereiten.

Mit dem Stadion hat man eine perfekte Anlaufstelle. Im Zelt erfolgt die Startnummernausgabe; außerdem gibt es hier Kaffee und Kuchen. Später wird draußen gegrillt und Bierbänke laden zum Verweilen ein. Auch die Siegerehrung wird wohl draußen stattfinden, denn die Pokale sind bereits aufgebaut. 140 Marathonis zu versorgen ist das eine Sache, bei 500 Halbmarathonis und nochmal 300 Zehn-Kilometerläufern sieht die Sache anders aus. Aber auch dies scheint niemanden zu stressen. Die Abläufe sind eingespielt und laufen nach Plan ab.

Um 9 Uhr 30 finden im Stadion die Schülerläufe statt. Viele der Erwachsenen Sportler spenden begeistert Beifall. Am Marathonstarttor, das sich ca. hundert Meter außerhalb des Stadions befindet, haben sich die Läufer in den Schatten zurückgezogen. Es ist schon mächtig warm. Horst Bernau hat wieder seinen Platz auf der Leiter eingenommen. Den Startschuss gibt diesmal Edgar Karg, Vorsitzender des SG Egelsbach. Um 9 Uhr 40 geht es los.

An den Zuschauern vorbei führt die Strecke auf der leicht ansteigenden Straße entlang. Nach ungefähr 2 km verlassen wir den Ort, überqueren die Autobahn und erreichen ein Waldgebiet. Unter den ausladenden Laubbäumen wird es sofort kühler. Bereits die erste VP ist heiß begehrt. Wir biegen auf den Weg ein, wo auch die Marathonis ihre Runden ziehen. Jeder Kilometer ist beschildert, natürlich für Marathon und Halbmarathon separat. Die Marathonis haben zusätzlich noch eine Wendepunktstrecke zu laufen, aber im Großen und Ganzen ist die Strecke identisch.

Der Verlauf ist schnell erklärt: Es geht im Wald auf wechselndem Untergrund geradeaus, dann kommt eine Kurve und es geht wieder geradeaus, und so weiter bis man nach ca. 15 km den Ausgangspunkt erreicht. Mit dem Hin und Rückweg von je 3 Kilometern ergibt das 21 km. Alle 5 km kommt eine VP. Es gibt Wasser Apfelschorle und Cola, dazu Bananen. Iso wird ausdrücklich nicht angeboten und ist auch so in der Ausschreibung vermerkt.

Die Strecke scheint eigentlich flach. Aber mit der Zeit und vor allem bei diesen Temperaturen fallen diverse kleinere Steigungen und Gefälle immer mehr ins Gewicht. Ich verabschiede mich von meiner gewünschten Zielzeit. Gefühlt bin ich flott unterwegs, die Uhr sagt aber etwas anderes. Meinen Mitstreitern scheint es ähnlich zu gehen. Immer wieder werde ich von denselben Läufern überholt, die ich dann meinerseits nach einiger Zeit wieder einhole. Gegen später sind auch viele am Gehen. Nur die Marathonis ziehen unbeirrt und relativ schnell an uns vorbei.

Der Koberstädter Wald hat seinen Namen von der Koberstadt. Das ist eine Keltische Siedlung mit gut erhaltener Grabhügelgruppe aus hallstättischer Zeit, die um 1900 hier ausgegraben wurde. Metallfunde führten zum Namen „Kupferstätte“, der dann zu Koberstadt wurde.

Die Strecke ist perfekt markiert. Mir fällt auf, dass größere Unebenheiten sogar mit Farbe gekennzeichnet sind. Hinter mir wird kräftig geschimpft: Julian macht seinen ersten Halbmarathon. Sein Coach Jörg redet beruhigend auf ihn ein. Das kann den jungen Mann aber nicht besänftigen. Ich verstehe ihn gut, gerade die letzten Kilometer sind die Schwersten. Aber umkehren wäre ja jetzt auch blöd. Also bleibt nur, die dumme Idee zu verfluchen, 21 Kilometer laufen zu wollen. Die Rundenweiche und somit die letzte VP kommt in Sicht. Im Hinblick auf die folgenden eher schattenlosen Kilometer, stärke ich mich noch ein letztes Mal. Die Feuerwehr hat einen Schlauch angeschlossen und lädt zur kostenlosen Dusche ein, was von den meisten gerne genutzt wird. Nun kann nichts mehr schief gehen.

Nochmal einmal über die Autobahnbrücke, dann geht es tendenziell bergab in den Ort. Es zieht sich noch ein bisschen, bis ich erkenne, dass das Marathontor inzwischen abgebaut ist  und ich ja schon den Eingang des Stadions erreicht habe. Noch eine dreiviertel Runde auf der Bahn, und es ist geschafft. Schnell verziehe ich mich in den Schatten. Gegen den Durst helfen ein paar Becher Apfelschorle. Die Pfungstädter Brauerei kredenzt ihre neuesten Sommerkreationen: Brauer-Limos in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Das kommt bei den Läufern gut an.

Auch Neuling Julian und sein Begleiter erreichen das Ziel. Hoffentlich kann ihn das erfolgreiche Finish mit dem stimmungsvollem Zieleinlauf im Stadion für die Strapazen entschädigt. Hier gilt wie immer das Motto: Der Schmerz geht, der Stolz bleibt. Ich halte Ausschau nach Norbert. Wir hatten ausgerechnet, dass wir bei optimalem Verlauf ziemlich zeitgleich im Ziel sein müssten. Ich hatte gut 5 Minuten Verspätung. Wann kann ich wohl mit ihm rechnen? Vor dem Stadion hat sich ein Gitarrist aufgestellt. Die Schlager aus den Siebzigern sind mir gut bekannt und ich kann lauthals mitsingen. Die meisten Läufer freuen sich ebenfalls über diesen letzten Motivationsschub und zeigen zumindest ein Lächeln.

Endlich ist auch Norbert zu sehen. Auf der Stadionrunde gibt er nochmal Gas, dann sagt der Moderator ihn an und er ist im Ziel. Seinem Knie geht es gut, aber die Hitze und der Trainingsrückstand haben Ihm schwer zu schaffen gemacht.

 

Fazit:


Bei Marathonsammlern ist der Koberstädter Waldmarathon schon lange ein Begriff. Tradition zahlt sich eben aus. Und hinter dem Mond lebt man auch nicht. Die Zeitnahme durch Mika Timing macht es möglich, die südhessischen Marathonmeisterschaften professionell auszutragen.

Die schon ältere Infrastruktur im Stadion ist funktionell und hat seinen eigenen Charme, die Helfer sind perfekt aufeinander eingespielt. Viele Kinder und junge Helfer sprechen dafür, dass es auch in Zukunft keinen Mangel an Helfern geben wird. Zudem ist man mit zahlreichen Sponsoren gut aufgestellt. Für wirklich moderates Startgeld gibt es sogar noch ein Finishershirt aus Funktionsmaterial.

Die Strecke im Wald erscheint nur auf dem Streckenplan etwas unattraktiv. Ich kann mir Schlimmeres vorstellen als Bewegung in freier Natur. Der Schatten und die frische Luft auf annähernd der gesamten Strecke sind im Sommer definitiv ein Vorteil. Dass viele den Lauf gerne zu Trainingszwecken nutzen, ist ein Indiz dafür. Mein besonderer Dank gilt Horst Bernau. Er hatte zur richtigen Zeit die richtigen Ideen und dann aber auch rechtzeitig kompetente und ambitionierte Nachfolger gefunden. Hier waren wir sicher nicht zum letzten Mal.

 

Informationen: Koberstädter Wald-Marathon
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