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Laufberichte

Alles Atze!

01.05.09
Autor: Joe Kelbel

Die Idee, beim Bärenfels den Ultra zu laufen, kam mir am Sonntag nach dem Hamburg-Marathon, als ich aus Versehen in die Damendusche geriet.

Daß die Veranstalterfamilie Feller noch verdrehter ist als ich, wusste ich spätestens seit der Deutschen Meisterschaft im 50 km-Lauf im April, als Stefan als Freiheitsstatue und Franz in den „Farben der Saison vom April 1974“ (Brisko Schneider hätte sich gefreut) für ne Toupetfirma Reklame lief. Die Andrea gar ist so verdreht, daß sie den Robert Feller, natürlich im Rahmen eines Marathons heiratete.

Natürlich wollte ich unter all diesen Chaoten  nicht auffallen und wählte deswegen ein, mir von Gott gegebenes natürliches Outfit: ich bin Atze!

Typ wie ich braucht gutes Personal: Ich also ran ans Telefon und gleich mal  Sascha und Brigitte gebucht.

Freitag Morgen, 6 Uhr früh, 1.Mai - die meisten mümmeln noch ins Kopfkissen oder bereiten sich Wurfgeschosse für die Demos vor, da habe ich schon meinen 911 und die 6 Zylinder geflutet  und mach mich auf den Weg nach Mainz, das gebuchte Personal abholen.

Mit Brigitte war gleich alles klar und wir verfrachteten den Sascha auf den Notsitz. Und Leute, ich sach euch, die A 6  is ne Scheiß Autobahn, da is ja immer Stau, 40 Minuten hinter Mainz, der erste. Voll im dichten Frühlingsnebel neben mir so ein ukrainischer Schweinetransporter.

Ja nee, is klar. Ich mache das Fenster runter um dem Viehtreiber die Verbreitung der Schweinepest zu untersagen, da fängt es tierisch an zu stinken. Ich sach, dat kann jetzt aber nicht der Ukrainer sein, und tatsächlich is dat der Sascha, dessen Immodiumkur gerade an Wirksamkeit verliert.

Wir kamen also mit leichter Verspätung, weil der Sascha den Autoatlas aufgebraucht hatte  in  dem Wahnsinnsort Neubrücke an der Nahe, im Hunsrück an. Ich sach euch, der Ort bräuchte dringend mal ein Spendenmarathon!

Jetzt musste ich nur noch das Heizkraftwerk finden. Aber das is ja das größte Gebäude im Ort. Also gleich mal strategisch günstig den Porsche geparkt. Wie der Sascha sich da so grün vom Notsitz pellt sach ich nur: Alle Läufer haben Glatze, bis auf Atze und hab ihm gleich so ne Afroperücke inne Hand gedrückt.

So erkannte man uns gleich als Ultraläufer. Der Opa Feller, der schon 120mal die 100 km gelaufen ist und mich heute versägen wird, und die Oma Feller, die 24 Läuferin, die zusammen mit der Restfamilie für unser Wohl sorgen wird.

Startnummernausgabe, ich also gleich ran, kommt da so ne Stimme von so nem Bleistift: „ Ey Locke, hinten anstellen“. Ich sach: „War ich schon, is mir zu voll!“ Ja, klar, ne, da waren halt noch so zwei Handvoll 10km-Läufer und wir 18 Superläufer halt.

Ja, der Robert Feller, der zimmert die Strecke jedesmal neu, und damit da nicht irgendwelche Kenianer angetanzt kommen, wird der Traillauf jedes Jahr schwieriger. Wie die Streckenführung diesmal so ausfällt, erfahren wir an der Startlinie. Die Erklärung zieht sich hin, weil die Strecke diesmal sehr erklärungsbedürftig ist,  halt nix für Luschen, da haste mal richtig Felsen und Steine und Wurzeln, also nen richtigen Trail und richtig steil - läppische 300 Höhenmeter pro Runde sind es diesmal. Und das ganze musste dann 5 mal laufen, dann haste den 50 K Trail überlebt.

Ich rücke meine Startnummer über mein Suspensorium zurecht und beobachte das dunkelgrüne Blätterwerk um uns rum. Bestimmt hocken da ne halbe Millionen Zecken und warten auf die Gelegenheit des Jahres. Also verziehe ich mich mal in die hinterste Reihe.

In der ersten Reihe scharren die ganz heißen Läufer schon mit den Hufen. Das sind die, die gleich die volle  Brennesselladung abbekommen.

Wir sind noch keinen Kilometer gelaufen, da wird es schon brutal steil. Nix mehr mit laufen. Da steht mir auch schon der Bratensaft bis in die Kimme und ich ruder wie wild in der Luft rum, um die Spinnweben aus meinem Antlitz zu entfernen.

Jetzt muss man dazu sagen: ich bin ja in den Bergen aufgewachsen, kenne mich ja aus mit so Steillagen. Also, ich bin quasi der Ultra-Peterle von der Heide...Ja, ne, is klar. Vor mir sehe ich auch gleich so ne Heidi, aber bißchen zu schnell, aber wat solls, da musste dranbleiben, denn allein die Tatsache, daß du sprechen kannst, qualifiziert dich ja, is klar.Ich also mit Volldampf den Trail hoch.

Das geht mal sowas von brutal steil nach oben, aber ich sage mir: Wenn der liebe Gott gewollt hätte, daß wir am Freitag nicht Bärenfels Ultra-Trail laufen, dann hätte er ja auch nicht samstags die Artzpraxen zugemacht.

Ich brauche soweiso nie einen Arzt. Ich habe nämlich ein Immunsystem wie eine Bahnhofsnutte in Bukarest, aber diesmal hat mich doch glatt so ein Schweinevirus angegriffen und ich nutze jetzt die Gelegenheit mir meine Lungenflügel kräftig durchzuorgeln, denn jeder Tag ohne Schmerzen ist ein Geschenk für mich.

Das Durchorgeln ist sehr auffallend und kraftanstrengend, man verliert auch reichlich Flüsssigkeiten dabei. So war ich auf der zweiten Runde quasi völlig allein.

Ich nutze die Ruhe, um mir die topographischen Besonderheiten zu merken: Zuerst der Bärentrail, kann man quasi nur auf allen vieren hoch, über Stock und Stein. Dann der Hochwald, dann die Wiese mit den stinkenden 4 Schafen, dann der flirrend-heiße Steinbruch, dann der Blättertrail mit den Pferdebremsen, der sich ewig zieht, dann hoch und runter, dann die Versorgungsstation und dann wieder die 500 Höhenmeter runter zum Start.

Bei Runde 3 und 4 passiert nix.

Ich bin schon weit über 5 Stunden unterwegs und habe die Zielzeit von 6 Std schon längst abgehakt, mein Forerunner sträubt sich mit der letzten Kraft  gegen die 5te Runde, hätte er Zeiger, bräuchte ich jetzt ein Fernglas.

Willensstärke bis zur Selbstaufgabe, Puls kostant unter 45, Laktatwert wie ein Pandabär,  so gehe ich meine letzte Runde an.

Den inneren Schweinehund überwinden... jedoch jetzt so ein kleines Schweinehündchen in Bier-Sahnesoße, das wäre auch nicht schlecht. Oder so ein gespickter Hundsrücken. Lecker.

Blöde Gedanken, denn die Bauchspeicheldrüse kloppt in diesem Moment das Insulin mittels C Rohr raus, und ich hänge mitten zwischen den Waldameisen fest.

Kernschmelze in meinem Überlebenszentrum. Notstromaggregate auf volle Dröhnung. Ich krebse mit Zuhilfenahme meiner vorderen starken Extremitäten den Trail hoch und flitsche nebenbei etwa 200 Monsterameisen zur Seite. Irgendwie komme ich dann auch zu dem Feld mit den 4 stinkenden Schafen.

Die hatten in der Mittagshitze ihre Pelze über den Zaun gelegt und sind an den FFK-Strand gedüst, da haut´s mich doch glatt von den Socken: Ne Kreuzotter latscht mir vor meinen Trailschuh! Ich natürlich gleich stillgestanden und Volltarnung, Fotomaschine raus und draufhalten, man muss dem Leser ja was bieten!

Wie ich da so  stehe, quasi  wie Gina Wild in der Duldungsstarre, da macht das Monstervieh auch schon die Mücke. Jetzt war aber mein Schweinehund ganz wach geworden, wir beide mussten ja noch durch den Steinbruch. Und der Kampf zwischen der 4 Meter-Monsterkobra und dem Riesen-Säbelzahn-Schweinehund war äußerst ungleich.

Im Ziel wurde ich von der Ultrafamilie mit Trophäen überhäuft und glücklich konnte ich zum Auto ziehen, wo ich zufällig in den Seitenspiegel sah und geschockt wurde: Mensch wer hat denn den Tony Marschall exhumiert?!?

Nee, is klar ne: die Fellers sind so crasy, ich hatte noch nie soviel Spass beim Laufen. Typ wie ich steht auf sowas und komme gerne wieder!

Gruß Euer Atze.

 

Informationen: Bärenfels Mai-Trail
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