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Laufberichte

Die 500.000 Euro-Frage

08.09.12

Möglicherweise wäre die Frage nach Deutschlands drittgrößter Stadt eine würdige 500.000-Euro-Frage. Auch der Hinweis, dass es sich zugleich um Deutschlands größte Stadt handelt, die nicht zugleich auch Bundesland ist, wäre wahrscheinlich nicht besonders hilfreich.

Dass sie 1186 erstmals urkundlich erwähnt wurde, 1196 als Burg und Flecken bezeichnet wurde und ab 1358 Hansestadt war, wird so spontan auch nicht weiter helfen. Und selbst Insider wie Joe Kelbel werden kaum etwas damit anfangen können, dass die Stadt 1314 die Braurechte erhielt, später teilweise mehr als 300 Brauereien besaß und mit Garley die älteste ununterbrochen gebraute Biermarke der Welt ihr Eigen nennt.

Die Rede ist von Gardelegen in der Altmark, 1952-1994 Kreisstadt im Bezirk Magdeburg und seither kreisangehörige Stadt des Altmarkkreises Salzwedel. 23.628 Einwohner (Ende 2011), sieben Telefon-Vorwahlnummern, drei Postleitzahlen, nach Eingliederung von 18 ehemals selbständigen Gemeinden zum Jahresanfang 2011 632,2 qkm groß und damit - wie eingangs erwähnt - flächenmäßig Deutschlands drittgrößte Stadt.

Nachdem an Silvester 2000 Katrin Schreiber aus Gardelegen (übrigens als letzte Marathon-Debütantin im alten Jahrtausend) ihren Debütmarathon in Hamburg beim damals von Wolfgang Kucklick veranstalteten Silvester-Marathon der LAV Hamburg-Nord an den Teichwiesen gelaufen war, bestand mein Kontakt zu Gardelegen. Damals hatte Katrin bei mir gewohnt und mir dabei erzählt, dass sie sich binnen drei Monaten von Null auf Marathon hochtrainiert hatte und dass sie ihre Trainingsrunden zumeist auf dem Gardelegener Stadtwall gedreht hatte. Dies hatte mir damals ausgesprochen wenig gesagt.

Während unseres Frühstücks am Neujahrstag 2001 entstand dann unsere gemeinsame Idee, auf ebendiesem Stadtwall einen Marathon mit Halb- und Viertelmarathon zu veranstalten, schon alleine damit ich einen Grund bekam, mir selbst einmal Gardelegen anzusehen.

Während Katrin wieder zurück in die Altmark fuhr, hatte ich damals einen Artikel über ihr Marathondebüt für ihre Heimatzeitung verfasst. Da niemand in Gardelegen eine Läuferin namens Katrin Schreiber kannte (schließlich hatte sie bis dato erst einen 5-km-Lauf in Leipzig bestritten!), bestellte die Sportredaktion der Volksstimme sie damals erst einmal in die Redaktion ein, bevor sie dieser Story glaubte und am Mittwoch der folgenden Woche einen großen Artikel unter der Überschrift "Katrin Schreiber erfüllte sich ihren Traum vom Marathon" publizierte.

Nach dieser publizistischen Vorarbeit erwies es sich dann als unerwartet leicht, für den Anfang September 2001 geplanten 1. Gardelegener Stadtwall-Marathon die Unterstützung der Stadt sowie zahlreicher örtlicher Sponsoren zu finden. Wir - Katrins Familie als Organisatoren vor Ort und ich als Planer und Logistiker im Hintergrund - rannten quasi überall offene Türen ein!

Eine Ausnahme indessen gab es: Es fand sich nämlich kein Sportverein in Gardelegen und Umgebung, der das Risiko dieser neuen Laufveranstaltung auf sich nehmen und seinen Namen dafür hergeben wollte! Damit sprang der 100 Marathon Club Deutschland ein, dessen 1. Vorsitzender ich damals war. Auch wenn die Gardelegener Organisatoren nach wie vor autark sind, so ist der 100MC auch heute immer noch offizieller Veranstalter.

So viel zur Entstehungsgeschichte dieses Laufes.

Der Stadtwall-Marathon markierte jedoch auch in meiner Laufkarriere eine wichtige Veränderung: Da Katrin und ich uns nicht einigen konnten, wer die Startnummer 1 und die Startnummer 2 erhalten sollte (ich wollte, dass sie die 1 und ich die 2 erhielt; sie wollte, dass ich die 1 und sie die 2 haben sollte), musste eine andere Lösung herhalten. So kalkulierte ich, dass ich von Anfang März bis zum zweiten September-Sonntag - also binnen gut sechs Monaten - noch 50 Marathons laufen musste, um beim 1. Gardelegener Stadtwall-Marathon meinen 500. Marathon/Ultramarathon zu laufen und dabei natürlich die Startnummer 500 zu tragen. Bis dahin war ich noch nie so viele Marathons in so kurzer Zeit gelaufen.

Das Projekt glückte. Ich trug in Gardelegen die "500" und Katrin die "1".
Seither bin ich alle Gardelegener Stadtwall-Marathons gelaufen und habe  oftmals dort meine Jahresbestzeiten aufgestellt. Außer mir war auch mein Lauffreund Klaus Rohde (Jena) während der ersten zehn Marathons erfolgreich; 2011 riss seine Serie dann jedoch leider wegen Krankheit.

Die Marathonstrecke umfasst 18 ½ Runden auf dem Stadtwall, der die Altstadt und die sie umgebende, in Teilen erhaltene mittelalterliche Stadtmauer umschließt. Sie führt vorbei am Salzwedeler Tor und den Resten des Stendaler Tores, überquert pro Runde die klassischen vier Ausfallstraßen einer ehemals mittelalterlichen Stadtanlage. Hier regulieren Polizei und Feuerwehr den Straßenverkehr derart perfekt, dass keiner der Läufer sein Tempo auch nur ansatzweise drosseln muss! Der Streckenuntergrund hat Parkwegqualität, und da quasi die gesamte Runde als Allee angelegt ist, sind die Läufer auch gegen Sonne und Regen ausgesprochen gut geschützt.

Nachdem ich 2010 hier meinen 1600. Marathon/Ultramarathon gelaufen war, hatte es sich durch genaue Laufplanung in den letzten Monaten einrichten lassen, dass der 12. Gardelegener Stadtwall-Marathon diesmal mein 1900. Marathon/Ultramarathon wurde.

Mit von der Partie waren natürlich zwei meiner Freunde, nämlich Peter Wieneke (Hamfelde) und Helmut Braun (Bielefeld), die mich vom Start bis zum Ziel über die 18 ½ Runden begleiteten.

Peter und ich waren kurz nach 5 Uhr in Hamburg aufgebrochen und hatten ziemlich genau um 8 Uhr den Veranstaltungsparkplatz in Gardelegen erreicht. Hier sahen wir gerade Rosemarie von Kocemba aus Kiel in Richtung Startunterlagenausgabe gehen. Neben einem Flitzer mit dem Kennzeichen "Besonders Sehbehindert - Hard Disc ." (BS-HD .) machte sich gerade eine athletische Figur lauffertig, die sich auf den zweiten Blick als "Schneggi" alias Hans Drexler entpuppte. Naja, eigentlich schon auf den ersten Blick, so unverkennbar, wie Hans ist!

Peter und ich steuerten zunächst die benachbarte Turnhalle bzw. deren Sanitärbereich an und trafen prompt am Turnhalleneingang die nächsten "üblichen Verdächtigen", nämlich Helmut Braun und Bernd Wagner (Klein Sies). Damit waren unter den 26 Marathonläufern mit Rosi, Bernd, Hans, Helmut und mir schon einmal fünf Ärzte identifiziert!

Unser nächstes Ziel war das Ziel bzw. die dortige Startunterlagenausgabe, wo wir die nostalgischen Stoff-Startnummern (die Papierstartnummern beim 1. Stadtwall-Marathon 2001 hatten sich im Regen aufgelöst, seither nimmt man solche aus Stoff!) und jeder ein schönes Badetuch (als Alternative zum üblichen T-Shirt) bekamen. Nachdem wir letzteres im Auto verstaut hatten, trafen wir auf dem Weg durch die Altstadt zum Start Thomas Köpke, den Sportredakteur der Volksstimme. Er ist mir durch die Veranstaltungen der letzten Jahre sehr vertraut, ja ebenfalls schon ein Freund geworden.

Wer diesmal jedoch fehlte, war Bürgermeister Konrad Fuchs! Sonst war er immer pünktlich und zuverlässig zum Start erschienen, hatte die Insider auch per Handschlag begrüßt, doch diesmal ließ er sich aus unerfindlichen Gründen gar nicht blicken. Das kann er eigentlich nur wieder gut machen, indem er am 07.09.2013 mindestens den Viertelmarathon selbst mit rennt!

So starteten wir 31 Marathonläufer halt ohne bürgermeisterliche Hilfe pünktlich um 9 Uhr zum Signal der von Brunhilde Schreiber mitgebrachten Funkuhr. (Damit konnte ihr Mann im Zielbereich zeitgleich die dortige Stoppuhr starten. Plietsch, nicht wahr?)

Peter, Helmut und ich fanden uns bereits während der halben Auftaktrunde rasch ganz am Ende des Feldes. Selbst Klaus Rohde aus Jena, der diesmal trotz Trainingsrückstand wieder mitlief, enteilte uns rasch. Dabei liefen wir schon etwas schneller als für den angestrebten Bereich um 5.45 Stunden nötig.

Ziemlich zügig "hakten" wir eine Runde nach der anderen ab, griffen zwischendurch immer wieder am sehr gut betreuten Verpflegungsstand (mit Wasser, Apfelsaft bzw. -schorle, Cola, Apfel- und Bananenstücken sowie Müsliriegeln) zu. Dabei beobachteten und kommentierten wir die Positionswechsel der schnellen Läufer, die uns in regelmäßigen Abständen überrundeten.

Nutznießer dieser Kommentare war u. a. Bernd Wagner, dem wir zwischendurch "klar machten", dass er seinen Konkurrenten im roten T-Shirt doch wohl nicht davon ziehen lassen wollte. Er schloss tatsächlich zügig die bereits entstandene Lücke, setzte sich später selbst ab und wurde in 3.30.53 h Gesamtsechster.

Nachdem unser Trio bereits die erste Streckenhälfte in knapp 2.50 Stunden "im Kasten" hatte, stand nun ein wenig "Positionskosmetik" an: Als nächstes musste in der 10. Runde ein Läufer aus Grevesmühlen dran glauben, der beim Überholtwerden sogleich bekundete, dass er wegen seines lädierten rechten Kniegelenkes eh nicht durchlaufen wolle. Prompt stieg er am Ende dieser 10. Runde aus. Da jedoch hatten wir Klaus Rohde erspäht und arbeiteten uns bereits langsam, aber sicher an ihn heran. Immerhin konnte er am Ende aber um rund 20 Sekunden die in den Vorjahren oft fällige Überrundung durch mich verhindern.

Viel Spaß und Abwechslung brachten zwischendurch auch die Halbmarathon- und später die Viertelmarathonläufer, die natürlich zumeist viel schneller waren und uns (im wahrsten Sinne) fortlaufend überholten. Manche kenne ich bereits aus den Vorjahren, so zum Beispiel die Gardelegener Familie Itagaki. Während 2011 Mutter Emi Itagaki fehlte, da sie gerade ihre (glücklicherweise nicht vom Nuklearunglück in Fukushima betroffene) Familie in Japan besuchte, fehlte diesmal Sohn Enzo. In dessen Abwesenheit gewann diesmal Vater Gunnar in 55.17 min die Familienwertung von Frau Emi und Tochter Franziska, die 7.13 min später gemeinsam finishten.

So nach und nach dünnte das verbliebene Teilnehmerfeld immer mehr aus. Unser Trio hatte inzwischen die Rundenzeiten um rund 90 Sekunden verlangsamt, was für uns alle drei sehr angenehm war und ausreichend Puste für immer neue Klönschnacks und Anekdoten ließ.

Um Peters 37 Sekunden in der Laufzeit zu erreichen, forcierten wir auf den letzten 600-800 Metern dann ein wenig, und mit einem kleinen Endspurt erreichten Peter und ich denn auch tatsächlich in 5.44.37 h die gewünschte Zeit, was Platz 18 bei den Männern ergab. Helmut, der sich dem Endspurt verweigert hatte (er sei nicht "hetzbar", hatte er erklärt), wurde in 5.44.41 h so halt nur 20. Mann. Dafür gewann er ebenso wie Peter seine Altersklasse, während ich in meiner nur Zweiter war.
Wenige Minuten nach unserem Finish - wir hatten kaum etwas am VP gegessen und getrunken - hielten wir bereits unsere Urkunden in der Hand. Nachdem diese 2001-2004 meine und dann 2005-2010 Hajo Meyers Unterschrift getragen hatten (obwohl er 2010 schon nicht mehr 1. Vorsitzender des 100MC war), waren sie diesmal ohne eingedruckte Signatur des 100MC-Chefs. Offenbar hat Peter Genz seine Unterschrift hierfür nicht zur Verfügung gestellt.

Wir warteten noch, bis auch Klaus Rohde in 6.06.45 h das Ziel erreicht hatte. Dies war uns wichtig, ist Klaus doch ein tadelloser und netter Laufkamerad, mit dem ich mich immer sehr gut verstanden habe. Danach bedankten und verabschiedeten wir uns bei der Veranstalterfamilie Schreiber, aßen in der Altstadt zur Feier des Tages noch ein Eis und brachen dann wieder gen Hamburg auf.

Fazit: Der 12. Gardelegener Stadtwall-Marathon war wie alle seine Vorgänger eine nette, familiäre und vor allem fehlerlos organisierte Laufveranstaltung über die Distanzen Marathon, Halb- und Viertelmarathon. Mit 18 (inklusive Funktionsshirt bzw. Duschtuch), 9 bzw. 6 Euro ist er auch nicht überteuert. Schade fanden wir lediglich die geringe Unterstützung durch den 100MC als Veranstalter, der dieses Event weder auf seiner Homepage redaktionell beworben hatte noch durch ein Vorstandsmitglied vertreten war.

 

Informationen: Stadtwallmarathon Gardelegen
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