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Laufberichte

Run auf's Kronenjoch

 

Der vom Tourismusverband Paznaun-Ischgl zum dritten Male veranstaltete hochalpine Trailrunning-Marathon mit 43,4 km, 1821 Höhenmetern  und strikten Zeitlimits stellt nicht nur für reine Hobbyläufer  besondere Anforderungen dar. Die Hard-Strecke hinauf auf das Kronenjoch bietet Gelegenheit, die Bergwelt des Silvrettamassivs  von 3000 m Seehöhe aus im Rundblick zu bewundern. Dafür lohnt sich jede Anstrengung.

Ich zähle zur immer größer werdenden Gruppe der reinen Marathonsammler, die fast jede Woche irgendwo unterwegs sind und sich ohne allzu großen Stress wieder einen Lauf in ihre Statistik eintragen wollen.  Allerdings habe ich im letzten Jahr bei einigen Bergmarathons meine Liebe zur Natur neu entdeckt und freue mich über duftende Wald- und Wiesenblumen, rauschende Gebirgsbäche, Gesteins- und Felsformationen am Weg, Insekten, Vögel und was einem sonst noch so alles unterkommt. Trail-Marathons führen weg von der Straße, sie bedeuten Naturerlebnis auf Schritt und Tritt. Diesem  Credo kann man sich getrost anschließen.

In einer Illustrierten habe ich einmal gelesen, dass weitaus  mehr deutsche Gäste in den  Schitourismuszentren Ischl und Galtür Urlaub machen, als beispielsweise Österreicher.  Man muss kein heller Kopf sein, um diese Statistik nachvollziehen zu können, schließlich hat Deutschland auch 10mal mehr Einwohner als die Alpenrepublik.

Ich bin gebürtiger Osttiroler, der in Oberkärnten aufgewachsen ist und seit 40 Jahren in Wien mit kleinen Unterbrechungen lebt. Die beiden Nobelorte im Paznauntal sind von Wien immerhin fast 600 km entfernt.  Die Anreise zu diesem außergewöhnlichen Laufevent kann da schon eine gewisse Belastung bedeuten.

Am Tag davor mache ich es mir im Railjet bis Landeck-Zams bequem. Nach 5 Stunden im Zug dauert die anschließende Zubringerfahrt im Linienbus 4240 über die Silvrettastraße nach Galtür etwas mehr als eine Stunde, wobei ich so erstmals im Leben in den kleinen Nebenort Kappl komme, wo der Bus hält. Mit dem Privatauto würde man die 40 km in einer guten halben Stunde schaffen. So gesehen sind Ischl und Galtür eigentlich gut erreichbar.

Ich habe im Ortsteil Egg in Galtür eine Nacht im Hotel Casada zu einem sagenhaft günstigen Preis gebucht. Vom Dorfplatz aus gelange ich in wenigen Minuten zur  Unterkunft. Das reservierte Zimmer liegt im 3. Stock, es ist geräumig und befindet sich in der bei der Buchung angegebenen ruhigen Lage. Als mir der Chef des Hauses auch noch die Silvretta-Card aushändigt, die für 2 Tage gültig ist und u.a. neben den Seil- und Sesselbahnen, Eintritt zu den Frei- und Hallenbädern der Region, die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und sogar der weltberühmten Silvretta Hochalpenstraße kostenfrei garantiert, bedaure ich, nicht einen Tag länger zu bleiben. Nur habe ich den Sonntag bereits für familiäre Zwecke reserviert.

Ich nehme mir vor, den Nachmittag an diesem heißem Freitag bestmöglich zu gestalten. So spaziere ich in Galtür umher, gelange in den Ostteil der rund 800 Einwohner zählenden Gemeinde und staune über die gewaltigen Lawinenschutzmauern, die als Folge der verheerenden Katastrophe vom 23. Februar 1999 mit 31 Lawinentoten mitten im Ort errichtet wurden.

Anschließend fahre ich mit dem Linienbus auf die Bielerhöhe, dank der Silvretta-Card gratis. Wir passieren die Mautstelle zur Silvretta-Hochalpenstraße, die insgesamt 22,3 km lang ist und 34 Kehren aufweist.  Sie zählt mit der Großglockner-Hochalpenstraße zu einer der schönsten Panoramastraßen der Alpen.

Die Bielerhöhe liegt mit 2032 m Seehöhe  am Scheitelpunkt der Silvretta-Hochalpenstraße zwischen dem Montafon und dem Paznauntal. Sie ist Ausgangspunkt zahlreicher Wanderungen und Touren und bietet mit dem in die herrliche Hochgebirgslandschaft eingebetteten Silvrettasee ein traumhaftes Panorama.  Bei strahlend blauem Himmel, ohne eine einzige Wolke, ist die Fernsicht heute so gewaltig, dass man sich wie in einem Heimatfilm von Louis Trenker aus den 1950er-Jahren vorkommt, als man für Naturaufnahmen keine technischen Effekte benötigte, sondern die schönste Kulisse die unverbaute Landschaft war. 

In der Ferne erblicke ich den Piz Buin – mit ihm verbinde ich ein in meiner Schulzeit in Lienz Ende der 1960er-Jahre bei den Schikursen allgemein verwendetes Sonnenöl, das für tiefe Bräune sorgte. Ich habe es mir selten geleistet, dafür eher die anderen darum beneidet. Die Schigrößen der damaligen Zeit wie z.B. der Pepi Stiegler sollen es auch verwendet haben. Werner Grissmann und Franz Klammer einige Jahre später vielleicht auch, so genau wollte ich es nie wissen. Wer Piz Buin schmierte, war angesehen. Weiter als bis zum geprüften Begleitlehrer für Schülerschikurse bis hinauf in die Oberstufe habe ich es nie gebracht. Beim Bundesheer war ich u.a. auch Gebirgsjäger, der auf Hagan-Schiern mit Fellen durch die Landschaft stapfte, das STG58 am Rücken.

Ich kehre daher im Berggasthof Piz Buin ein und leiste mir ein Bier. Alle halben Stunde geht der Bus zurück, die meisten benutzen wie ich die Silvretta-Card für ihren Kurzausflug auf die Bielerhöhe zum Stausee.

Die Startunterlagen werden ab 16 Uhr im Sport- und Kulturzentrum in Galtür, wo sich auch das Ziel für alle drei Läufe, nämlich die Small-Distanz für 11 km (224 Hm), die Medium-Strecke mit 28,6 km (1530 Hm) und die Königsdisziplin mit 43,4km (1821Hm), befindet.

Ich komme knapp nach 18 Uhr dorthin, Frau Christine Petter übergibt mir die Startnummer 63 und den Transponder, für den man eine Kaution von 50 Euro hinterlegen muss. Inkludiert sind zwei Getränke-Bons, ein Gutschein für ein Essen und der Zutritt ins Bad am nächsten Tag. Ich bin sehr überrascht, wie üppig das Essensangebot bei der Pastaparty ist. Man kann aus fast einem Dutzend Salaten eine Auswahl treffen, ebenso bei den Nudeln und Soßen. Ich nehme mir einen gehäuften Teller klassische Spaghetti-Bolognese, als Getränk einen Almdudler, andere entscheiden sich für Cola oder ein Stifterl Bier.

Während der Pastaparty, die von den Tiroler Alpenkavalieren musikalisch begleitet wird, stellt der Ultraläufer Thomas Bosnjak die Austrian Trail Running Association vor und erläutern der Lokalmatador Martin Mattle  und die Vorjahresmeisterin Katharina Zipser die Strecke.

Ich bleibe bis zum Schluss der Veranstaltung, die offizielle Session dauert bis nach 19 Uhr. Die Startnummer kann man sich bis 20 Uhr und am Renntag auch bis kurz vor dem Start am Silvrettaplatz in Ischgl noch abholen, auch Nachmeldungen sind möglich.

Leider kann ich das opulente Frühstückbuffet im Hotel Casada nicht wirklich genießen, denn der einzige Shuttlebus fährt bereits um 7 Uhr früh von Galtür nach Ischgl. Der Ort liegt 1377m über den Meeresspiegel, im niederösterreichischen Hügelland ist das schon Almhöhe. Daher ist es um 7 Uhr 30 noch ein wenig frisch, doch ein strahlender Renntag kündigt sich an. Das sieht auch der Herr Bürgermeister  Werner Kurz so, der allen Startern auf der Medium- und Hard-Distanz alles Gute für den Lauf wünscht.

Ich habe mir ausgerechnet, dass ich mit einer Kilometerzeit von ca. 8 Minuten die 2h-Hürde schaffen würde. Man muss sich vergegenwärtigen: 14 km sind in der Ebene von unsereiner locker in 1:20 zu bewältigen, ich laufe in der ersten Hälfte eines Marathons in der Regel eine 6er-Zeit, also mit ca. 10 km/h. Nur sind hier bis zur ersten Deadline auf 2200 m fast 1000 Höhenmeter zu überwinden.  Das sind völlig ungewohnte Bedingungen, für die man sich eigentlich vorbereiten müsste.

Ganz vorne am Start steht ein alter Bekannter, Robert Gruber, den Ernst Fink und ich voriges Jahr im Juli zur Berglauf-Weltmeisterschaft ins polnische Riesengebirge im Auto von Linz aus mitgenommen haben. Er ist auch heute wieder ein Sieganwärter.

Ich stelle mich ans hintere Ende, auch was das Leistungsniveau betrifft. Eine Minute nach dem Startsignal überquere ich die Matte, nun geht es los. Vorbei am Hotel Jagerhof, auf einem asphaltierten ziemlich steilen Anstieg hinauf zur Mittelstation der Fimbabahn. Hinter mir sind gerade noch vier oder fünf Läufer, Dutzende vor mir versuchen das Steilstück im schnellen Gehen hinter sich zu bringen. Manchmal hat man Pech, eine körperliche Notdurft zwingt mich hinter ein Gebüsch zu gehen. Im Nu bin ich 200 m hinten. Es dauert Minuten, bis ich wieder an die Letzten herankomme. Jetzt heißt es Boden gut machen.

Der Anstieg wird flacher, doch für 2 km habe ich fast eine halbe Stunde gebraucht. Ich versuche zu laufen, fühle mich gut dabei. Drei oder vier Läufer überhole ich. Steilere Aufwärtspassagen gehe ich so schnell wie möglich. Das Panorama ist schon am Morgen phantastisch, links sind die Berge noch im Schatten, zur Rechten werden sie von der Morgensonne angestrahlt.

Mit einem Deutschen komme ich ins Gespräch. Ich frage ihn, was er in seinem Rucksack so alles mitführt. Er habe u.a. ein zweites Paar bequeme  Laufschuhe dabei, falls die Füße nach 6, 7 oder 8 Stunden anschwellen, antwortet er.

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Informationen: Silvrettarun 3000
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