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Laufberichte

Das haben wir uns verdient

16.10.11

Fotos: Andrea Helmuth und Kay Spamer

Jeder war schon mal auf Mallorca und jeder weiß davon eine Geschichte zu erzählen. Niemals, so belehrt man mich, darfst du Palma am Sonntag besuchen. Denn dann ist dort „tote Hose“.

Im Sommer, meinen sie, bleibst du der Stadt überhaupt lieber fern, wegen der vielen Touristen. Und zwischen halb zwei und fünf gehst du am besten an den Stand. Denn dann passiert dasselbe wie am Sonntag: nichts. Siesta, einfach nix los in der Stadt. Sie wissen es halt doch nicht. Palma, Palma ist erwacht, Palma pulsiert – und das am Sonntag! Die 700 Jahre alte Kathedrale thront dekorativ über den 9000 Läufern. Sie sieht hübsch aus mit dem sandsteinfarbenen Kleid vor dem blauen Himmel. Das haben wir uns verdient. Nach 16 Bundesländern und vielen schönen und ein paar weniger schönen Läufen, gespickt mit Lauferlebnissen, sind wir nun reif für die Insel, überreif sogar!

Millionen Touristen können sich nicht irren. Sie strömen jährlich nach Palma – tausende mittlerweile auch zum Laufen und es werden immer mehr. Der Reiseveranstalter TUI ist auch Veranstalter dieses Marathons. Aber warum eigentlich zum Laufen nach Mallorca? Jeder mag seinen eigenen Grund haben. Für die einen ist es der „schönste Inselmarathon der Welt“, für die Begleitpersonen vielleicht auch einfach nur die Lust auf einen faulen Strandtag oder die Lust auf Shopping. Bummeln in Palma macht Spaß, vorausgesetzt: Keine hohen Schuhe – Kopfsteinpflaster. Die zurzeit hippste Boutique von Palma liegt im Künstlerviertel Santa Catalina. Immer wieder entdecke ich etwas anderes. Das Rialto Living, da müssen wir unbedingt noch hin. In einem ehemaligen Kino mit sechs Meter hohen Decken gibt es Mode, Möbel, Mitbringsel auf über 800 qm. Kitsch und Nippes soweit das Auge reicht, der Verstand rebelliert, aber die Seele fühlt sich wohl; Kay´s Seele leidet; ihm reicht es, mir noch nicht, schließlich bin ich Ausdauersportlerin, aber mit Herz. Zum Durchhalten locke ich in ein hübsches altes Eckgeschäft, wo himmlisch Süßes präsentiert wird: Pralinen, Merengues, alles handgemacht. Im Nachbarhaus ein anderes Geschäft. Dort steht auf einer Tafel geschrieben: Schinken von mit Eicheln gefütterten, schwarzen Schweinen – 100g für 12 EURO.


Sehnsucht nach Mallorca-Sand


Der Sand in der Buddelkiste war ihnen nicht gut genug.  Darum sind Mitte September zwei Frankfurter Jungs aus dem Kindergarten ausgebüxt und haben sich auf den Weg nach Mallorca gemacht. Leider endete die Reise für die beiden bereits am Frankfurter Hauptbahnhof, wo sie von der Polizei aufgegriffen wurden. Die zwei Knirpse wussten schon warum sie hier her wollten. Eltern haften für ihre Kinder aber nicht hier. Was viele Unternehmen in Deutschland bis heute immer noch nicht geschafft haben, hier beim Marathon funktioniert es: Kinderbetreuung für Kinder von 3 – 10 Jahren mit einer Kiste gefüllt mit Mallorca-Sand!  Bevor jedoch die Eltern am Sonntag an den Start gehen, dürfen sich die Kleinsten bereits am Samstag austoben.

Mit seinen 1.90 m ragt der in Palma geborene Tennisstar Carlos Moya aus der Meute hervor. Langsam hebt er den Arm, die Spannung steigt bei den 2.000 Kids, noch mehr bei den Eltern. Der Startschuss fällt. Sekunden später stürmen die Kits Palmas Straßen. Kay laufen die Fotomotive nur so vor die Linse, leider oft auch die dazugehörigen Erzeuger. Der UNICEF Kids Run ist zur Hauptattraktion des TUI Marathon geworden. Der jüngste Teilnehmer trägt noch Windeln und steht sicherlich erst seit 15 Monaten auf seinen Läuferbeinen. Der sportliche Einsatz, der Kinder und natürlich auch der Eltern, wird mit der kostenfreien Teilnahme am Lauf sowie einer Urkunde, einer Medaille und einem T-Shirt belohnt. Ich beobachte einen in Führung liegenden Jungen. Er hält die Verfolger in Schach. Ziehen die an, zieht er mit an, erst auf der Zielgeraden legt er nochmals einen Sprint hin. Dieser Junge weiß schon genau wie es funktioniert. Ulrike von der Groeben und Indira feuern die Kinder an. Beide werden am Sonntag ebenfalls an den Start gehen, daher scheinen sie sichtlich angespannt.

Nach dem Kids Run, laufen wir zur Startnummernausgabe, wo auch die Pasta-Party, unter freiem Himmel, mit Blick auf die Kathedrale, stattfindet. Das Inselradio bietet die entsprechende musikalische Untermalung. Ein paar Stände, um sich vielleicht noch mit dem Nötigsten auszustatten, sind ebenfalls auf diesem Platz. Müde vom langen Tag und den vielen Eindrücken, fallen wir in unser Hotelbett.

 

Über dem Ballermann geht die Sonne auf 

 

 „Der Wind heulte heute in der Schlucht, der Regen schlug gegen die Scheiben, das Rollen des Donners drang durch die dicken Mauern. Als das Wasser nicht wusste wohin, hatte es sich erst in Pfützen, dann in Lachen und schließlich in Seen über das gesamte Land ausgebreitet. In Mallorca hüllt eine lückenlose Wolkendecke die Insel ein und bleibt dort liegen, bis sie sich bis zum letzten Tropfen entleert hat; das dauert vierzig, fünfzig Stunden.“ Dies schrieb George Sand bei ihrem Besuch auf der Insel mit ihrem Geliebten Frédéric Chopin. Fast 170 Jahre später geht über dem Ballermann die Sonne auf. Sonntagmorgen. Stellt euch einen braungebrannten spanischen Gitarrenspieler vor, in weißes Leinen gehüllt. Er spielt eine leichte, sehnsuchtsvolle Ballade. Jetzt stellt euch vor, wie ihr die wärmende Sonne auf eurer Haut spürt, dazu den Geruch vom Meer. Kutscher warten heute vergebens auf Kunden. Ein Kioskbesitzer stellt seinen Zeitungsständer vor die Tür. Läufer bewegen sich gemütlich Richtung Kathedrale.

Wir wollen nochmal rein. Drinnen halt der Schritt, vorne knien fünf, sechs Mallorquiner, betend. Die 14 Säulen sind mit ihren 22 Metern höher als die des Kölner Doms. Durch die bunte Glasrosette im Osten fällt Licht. Ruhig ist es, niemand stört die Andacht. Die Mallorquiner haben das ganze Jahr über unzählige Prozessionen und Umzüge: Flur- und Stadtumgänge, Umzüge, in denen die Allerheiligste durch die Straßen getragen wird. Bitt- und Bußprozessionen, Prozessionen zu Pferde oder auf den Knien. Es gibt Prozessionen an Ostern, zu Christi Himmelfahrt, zum Tod eines Kirchenheiligen oder Schutzheiligen der Fischer. Eine der größten Prozessionen findet seit 2004 ebenfalls in Palma statt, wo sich „Bruder- und Schwesternschaften“ heute zu einem spektakulären Gang versammeln.

Wieder draußen, lautes Leben, laute Klänge vom Inselradio. Die Moderation zweisprachig. Spanisch und deutsch. Es blendet das Meer und die eingecremten Beine der Athleten. Ihr kennt die Atmosphäre vor dem Start eines Marathons.

 
 

Informationen: Palma de Mallorca Marathon
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