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Laufberichte

Neapel - Stadtmarathon pur

27.01.13

Auf dem nächsten Platz eine große Säule (Guglia dell'Immacolata), daneben die Jesuitenkirche Gesu Nuovo. Fünf Stunden später werden wir sie besuchen und das Ende eines Gottesdienstes in singhalesischer Sprache erleben. Voll besetzt – kaum zu glauben, dass so viele (aus Sri Lanka stammende) Singhalesen christlichen Glaubens in Neapel wohnen. Die Einrichtung der Kirche selbst ist vom Feinsten, verwendet wurden teuerste Materialien. Und einen hauseigenen Heiligen samt zugehörigen Devotionalien kann man auch vorweisen: Der Arzt Giuseppe Moscati (1880-1927) wurde 1987 von Papst Johannes Paul II für seine Wundertaten gewürdigt. Es soll Gesundheit bringen, die ihm nachgebildete Statue an der Hand zu berühren.

Der Tuffstein unter uns ist übrigens tief ausgehöhlt. Über viele Jahrhunderte entnahm man hier das Baumaterial für die Häuser oben. So entstanden gleichzeitig große Keller. Diese Praxis wurde irgendwann verboten, da zu viele Häuser einstürzten. Zeitweise dienten die Keller der Camorra  als Versteck; heute finden dort Führungen für Touristen statt.

Kurze Zeit später biegen wir in den Corso Umberto ein, Begegnungsstrecke bis zum Bahnhofsplatz. Dort sind in einiger Entfernung moderne Hochhäuser zu sehen. Ein neuer Stadtteil, Centro Direzionale von Kenzo Tange entworfen. Soviel ich weiß, ist Neapel der größte IT-Standort in Italien. In den Seitenstraßen bauen illegale Händler aus aller Welt ihre Waren auf. Ich sehe einen Läufer, der ein wenig abkürzt. Er trägt das Hemd eines neapoletanischen Laufclubs. Schön, dass der Veranstalter im Internet veröffentlicht hat, wo die Zeitnahmen sind und wo die Kontrollstellen. Ein Läufer mit Fahne ruft immer  wenn wir ihn sehen Neapel-freundliche Parolen. Ich rufe „Bella Napoli“ und er schreit noch lauter. Bei km 34 sehen wir ihn wieder, da hat er das Schreien aufgegeben.

Hinter dem Castell kommen wir zum Start/Zielbereich, den wir am Rand der Piazza del Plebiscito streifen. Zwei Läufer sprechen uns an, da ich wieder mein Schild „Ciao Italia – Andreas from Munich“ auf mein m4you-Hemd angesteckt habe. Sie sind große Fans von München. Marathon sind sie aber in Berlin gelaufen, wie eigentlich alle Marathonis aus Italien. Dann mache ich immer Werbung für die anderen deutschen Läufe. Wieder bergab über ein ziemlich schlechtes Kopfsteinpflaster. Und dann die Überraschung: ein Blick auf eine Bucht mit wunderschönen Häusern, eingetaucht in die klare Januar-Sonne. Ich bin ganz hin und weg vor Begeisterung, sind wir doch die letzten Abende im Dunklen durch den Schnee an der Isar gelaufen, immerhin mit super Spikes-Schuhen, die ich hier mal empfehlen möchte.

Rechts einige teure Hotels und Restaurants, vor denen gerade die Tische auf die Straße gestellt werden. Wenn ich das richtig sehe, hat man die Promenade zur Fußgängerzone umgebaut. Dann das städtische Aquarium. Dahinter die schwer gesicherte US-Botschaft.

Wir laufen seit einiger Zeit mit Nunzia zusammen, die oft von entgegen kommenden Läufern gegrüßt wird. Das sind Halbmarathonis und Marathonis gleichermaßen. Warum da schon Marathonis dabei sind, stelle ich bald fest: Am Ende der Bucht in Mergellina (km 17) wenden wir und laufen wieder zurück Richtung Start. Die Halbmarathonis haben es dann geschafft; wir hingegen müssen weiter... Wunderbarer Blick auf den Vesuv. Fantastisch. Schnee auf dem 1281 Meter hohen Gipfel. Ich will auch mal einen Spaß machen und rufe „Che fantastico l'Aetna.“ Ein Läufer dreht sich um und klärt mich gewissenhaft darüber auf, dass es sich um den Vesuvio handelt. Rechts auf einem Inselchen das Castel dell' Ovo.

Jetzt lassen uns die Veranstalter wieder nach oben laufen. Sinnlose 12 Höhenmeter. Kurz vor dem Ziel drehen wir ab und wieder runter. Zweiter Staffelwechsel – ganz intelligent gelegt, direkt am Start/Ziel, was einen Transport überflüssig macht. Die Staffeln haben klangvolle Namen: „Via col vento“(Vom Winde verweht)“, „Forrest Gump“, „Streghe di Benevento“ (Hexen von Benevento) oder - weniger originell - „Guardia di Finanza 1-4“ (Finanzpolizei). Auch eine deutsche Staffel gibt es. 

Beim zweiten Lauf in der Bucht verspüre ich immer noch Begeisterung. Die Spitzenläufer kommen uns bei km 39 entgegen. Ihre Zeit wird nicht so gut werden (unsere auch nicht, aber das steht auf einem anderen Blatt). Kurz vor dem Ende der Bucht dann in die Stadt abbiegen und in den Tunnel di Posillipo. Einen Kilometer lang, leicht ansteigend (29 m), komplett gesperrt, keine Abgase. Weitere schnelle Marathonis kommen uns im dunklen Tunnellicht entgegen. Anscheinend laufen wir gerade durch die Wand eines Vulkankegels, was in der Geländeansicht bei Google gut zu erkennen ist. In der Nähe, in Pozzuoli, gibt es auch noch Stellen, an denen heiße Schwefeldämpfe austreten.

Hinter dem Tunnel kommen wir zum Stadion des SSC Neapel. Heute wird der SSC in Parma gewinnen und steht damit auf Platz zwei hinter Juventus. Wir laufen durch ein gediegenes Wohnviertel mit schöner Palmenallee (Viale Augusto). Vor einer Kirche viele Menschen. Niemand nimmt uns wahr. Das Verhalten ärgert mich, so etwas ist mir ja noch nie passiert: auf 30 km Länge viele Menschen an den Straßen, die quasi durch die Läufer hindurchsehen. Sogar die Kinder  ignorieren uns. Was soll ich von einem Marathon halten, bei dem einen (fast) niemand anfeuert  und  es kaum Musik gibt? Auch das Hupen der im Stau stehenden Autofahrer hört man nur ein Mal.

Wieder zurück zum Stadion und dann in das Messegelände - augenscheinlich in strenger faschistischer Zeit gebaut. Einige Kurven, vorbei an einem großen Springbrunnen (leider dieses Jahr außer Betrieb) mit Tiermosaik vor Pinienwäldchen. Danach über 2,5 km eine recht öde Strecke: links Ruine einer Tribüne, rechts ein Flohmarkt, dahinter ein nagelneues Kinocenter. Im Hintergrund das alte Stahlwerk, im Jahr 1990 stillgelegt. Noch mal eine kurze Begegnungsstrecke. Im Vergnügungspark Edenlandia wird Musik gespielt. Wir laufen in Bagnoli in Richtung Meer, leider nicht durch die Altstadt bis dorthin. Wir sehen Nunzia wieder. Sie hat sich von uns abgesetzt und freut sich über meinen Gruß.

Nunzia Patruno (F60, rotes Hemd) trägt das Enblem des Supermarathon Club Italia. Wenn ich das richtig erkenne, hat sie es auch am Hals eintätowiert. Sie hat schon jede Menge Marathons und Ultras hinter sich und ist wohl deshalb so bekannt. Dieses Club-Emblem ist ganz nett. Man erkennt, ob eine Läuferin oder ein Läufer 50, 100 oder 150 Marathons absolviert hat. Ich habe eine weitere Dame im Ziel fotografiert, um das näher zu zeigen. An der Wendestelle einige Menschen, die uns zusehen. Ich rufe „Ciao bella Napoli“ und erfahre ein ganz kurzes wohlwollendes Klatschen. Mein Gott, sind die begeisterungsfähig!

Dann ist eine Kapelle zu hören. Endlich musikalische Unterstützung für uns Läufer? Aber nein, Fehlanzeige: Wieder taucht ein Fahnenträger auf, also hat das Ganze einen  kirchlichen Hintergrund. Ein Mann mit Megafon ruft „Aprite le finestre...“ Dabei handelt es sich aber nicht um den Schlager aus den 1960er-Jahren: „Öffnet die Fenster, der Frühling ist da...“,  sondern um den Aufruf, die Fenster zu öffnen, um das Wort Gottes zu vernehmen. Na dann!

Zurück durch den Tunnel. Diesmal bergab. Mittendrin überholt uns ein Krankenwagen mit eingeschalteter Sirene. Das tut weh.

Nochmal kurz an den Cafés und Fischhändlern vorbei, dann die Überraschung: Die Promenade am Meer ist nun übersät mit Spaziergängern und Radlern. An der engsten Stelle müssen wir auf den Fußweg ausweichen. Dort haben auch noch Händler ihre Waren ausgebreitet. Ich finde es ja ganz lustig, aber vielleicht nicht unbedingt bei einem internationalen Marathon...

Ok, wir sind nicht so schnell unterwegs wie unsere italienischen Mitläufer, aber es kommt noch ein Fünftel der Läuferinnen und Läufer hinter uns. Die Mitarbeiter an den Verpflegungsstellen und die  Sanitäter sind auch noch freundlich und gut gelaunt im Dienst. Es gibt übrigens Wasser in Flaschen, Iso-Getränke, mehrere Kekssorten, italienische Törtchen (lecker) und Apfelstücke. Leider keine Bananen. Dazwischen Schwämme in vielen bunten Farben. Toiletten sucht man außerhalb des Start-/Zielbereichs vergebens. Da man meist in dichter Bebauung läuft, muss man im Falle eines Falles wohl auf Cafés oder Hotels ausweichen.

Ich habe viel Spaß. Laufe auf dem Radweg und versuche entgegenkommenden Radlern nicht auszuweichen. Spaß beiseite: Man kann schon ganz gut laufen. Ab und zu muss man halt  „Obacht“ - äh: „Attenzione“ - rufen.

Die Restaurants am Castel dell' Ovo sind gut besucht. Am Anstieg zum Ziel dann sogar mal viele Anfeuerungsrufe. Ein letzter Blick auf Hafen und Vesuv.  Im Ziel sind schon die Siegerehrungen im Gange. Jeder Läufer erhält eine Medaille und eine Tüte mit Verpflegung. Schade, dass es schon wieder vorbei ist.

Zurück im überfüllten Bus zum Hotel. Umziehen und Sightseeing, solange es noch hell ist. Wir sind mit der Standseilbahn zum Castel S. Elmo gefahren. Wunderbarer Blick auf den Golf von Neapel. Danach Spaziergang im nahegelegenen Viertel Vomero (so wie der Laufschuh). Sehr schön. Abends Pizza (kommt ja aus Neapel, genauso wie die Nudelmaschinen) und am Montagvormittag schon wieder zurück. Leider.

Wer kann, sollte unbedingt länger bleiben. Es gibt in Neapel und Kampanien noch so viel zu sehen: die Inseln Ischia (warme Quellen und schrecklich kitschige Ortschaften), Capri (für die ganz Reichen), die Amalfi-Küste (30-km-Lauf im Herbst, manchmal auch Marathon). Paestum mit vielen altgriechischen Tempeln, Pozzuoli.

Zusammenfassend:

 Sehr schöner Stadtmarathon mit attraktiver Sightseeing-Strecke
 Hügelig, teilweise mit Steigung von 15%, oft schlechter Straßenuntergrund
 Ordentlich organisiert, vor Ort viele gedruckte Informationen nur auf Italienisch
 Viele Leute an der Strecke, die einen aber nicht beachten
 Günstige Preise in Neapel: Pizza: 5,-, Tageskarte öffentlicher Nahverkehr: 3,-, Espresso: 0,90 Euro
 Die Termine 2014/15 liegen wieder im April: besser für einen Anschlussurlaub, kann aber auch sehr heißes Wetter bedeuten
 Wie üblich viele schnelle Italiener, Mittel bei  3:43 h
 Sehr wenige Läuferinnen: 39 von 573
 Kaum internationale Läufer: 69 von 573;  8 deutsche Männer, 1 deutsche Frau (Judith!), 15 Polen und 15 Franzosen, 6 aus den USA, 6 aus GB, 2 aus NED...

Männer:
1. LAALAMI CHERKAOUI, MAR 2:21:01
2. ZAIN JAOUAD, MAR 2:21:03
3. BIWOTT NICODEMUS, ITA 2:21:32

Frauen:
1. GIANGRANDI CHIARA, ITA 2:57:35
2. CAPOBELLI FRANCESCA, ITA 3:18:09
3. TOSI NADIA, ITA 3:21:13

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Informationen: Napoli Marathon
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