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Laufberichte

Marathon in Hamburg: Warum so beliebt?

26.04.09
Autor: Joe Kelbel

„Wer als Marathon-Neuling den Linksschwenk beim Fischmarkt Richtung Landungsbrücken läuft, der weiß warum er sich für Hamburg entschieden hat. Es treibt einem wirklich die Tränen in die Augen,“ sagt Wolfgang. „Berlin kann da nicht im Mindesten mit Hamburg mithalten.“

„Wenn man die Landungsbrücken mit dem Wilden Eber vergleichen will, dann ist der Wilde Eber so emotional wie eine Maiandacht,“ sagte Charly  zu mir.

Ausgesprochen viele Marathondebütanten wählen diesen Stadtmarathon in der Überzeugung, daß die 850.000 Zuschauer (so der Veranstalter) zur Komplettierung des „Runners High“ dazugehören. Wen man auch fragt, der Hamburg Marathon ist ein Muß: „Die geilste Stadt der Welt“, „der schnelle Kurs“, „die super Organisation“, „die besten Zuschauer des Universums“.

Diesmal trete ich einen Marathon an, um einen Mythos zu entschlüsseln. Eins vorweg: Als Frankfurter bin ich voreingenommen.

Kommt man zur Marathonmesse, wird man von der Ödnis erschlagen: Auf dem nacktem Beton der Messehalle stehen lustlose Mitarbeiter und versuchen Klamotten, Cremes und Wundermittelchen an den Läufer zu bringen. Stimmungslose Einsamkeit. Während bei der Messe des Frankfurt Marathon Cheerleader, Promis, Musik und Beleuchtung die laufbereiten Füße in Stimmung bringen, ist in Hamburg tote Hose. Im letzten Eck, zwischen klinischen Kunstoffwänden  ist ein VIP-Bereich untergebracht, der angesichts der Stimmungslosigkeit wie leer gefegt ist.

Die „Pastaparty“ ist in einem kalten, abgestandenen Kantinenbereich untergebracht, Bier und Pasta kosten extra. In Frankfurt dagegen sitzt man in der Festhalle, genießt großartige Videos vom Vorjahr auf Riesenbildschirmen, schaut den Cheerleader zu und hält Ausschau nach den Großen der Laufszene. In Hamburg dagegen holt man seine Startnummer und sieht zu, daß man da raus kommt.

„Hurra“, sage ich., da ist selbst beim Kielmarathon am Vorabend mehr los.
 Mit dem Neudeutschen Wort „Runners Village“ kann ich nichts anfangen. „Party Village“ schon eher. Es braucht eine Zeitlang, bis ich verstehe,daß ich diese Orte nicht bei der Startnummernausgabe finde, sondern am Sonntag im Start/Zielbereich. Erst, als ich am Sonntagmorgen um 8 Uhr im „Runners Village“ eintreffe, verstehe ich, daß hiermit der Kleiderbeutel-Abgabebereich, Aufwärmbereich und Toilettenbereich gemeint ist, ein riesiges Areal auf dem Heiligengeistfeld, einem Parkplatz und Volksfestplatz, direkt am Startbereich, in der Nähe der Reeperbahn.

Und da muß ich sagen: 1a Organisation. Die riesigen Läuferströme und Zuschauerströme sind getrennt und wunderbar gelenkt. Der jeweilige Eingang zu den Startblöcken leicht zu finden, man muß nicht über die Absperrungen grätschen oder wie in Rom durch lange Korridore laufen. Abgesehen von den langen Schlangen vor den Klos ist alles wunderbar entspannt. Da ist auch das Absingen der Nationalhymne vor dem Start eine freundliche Neuheit.

Heute geht es um einen  hochoffiziellen Auftrag, also gehe ich in Gedanken die  Stimmungshochburgen nochmal durch: Bei km 10 die  Landungsbrücken, das ist klar.Später die legendäre City Nord, eigentlich eine Bürostadt, aber seit dem ersten Hamburg-Marathon der Zuschauermagnet schlechthin. In der berühmten Nordkurve wird den Läufern  richtig eingeheizt und man bekommt ein Tour-de-France-Gefühl beim Durchlaufen der Zuschauermassen.

Sowie bei km 37 die Streckenpunkte Eppendorfer Baum, die Partymeile mit dem heftigen Wummern des Beats, und Im grünen Grunde/Ohlsdorfund und natürlich das Alsterglacis/ die Kennedybrücke, wo die Läufer sowohl auf dem Hin-als auch auf dem  Rückweg laufen.

Es ist das ausgewogene Verhältnis von Wohnvierteln und „Gewerbegebiet“ (hahaha), was das Erscheinen der Hamburger am Sonntagmorgen an nahezu allen Punkten der Strecke ermöglicht.

Jetzt stehen wir also hier im „Gewerbegebiet“, genauer am Millerntorplatz , schauen Richtung Reeperbahn und warten auf den Startschuß, den es nicht geben wird, denn hier im „Gewerbegebiet“ sind Schußwaffen verboten. Stattdessen startet eine Glocke  das Hansefeeling, es wird „angeglast“.

Direkt hinter dem Starttor beginnt die Reeperbahn, es ist der Ort wo die Seilmacher ( die Reepschläger) früher die Schiffstaue herstellten. Die Länge von 900 Metern war ideal für die hochwertigen Taue. In der parallel verlaufenen, kürzeren Seilerstraße wurden geringerwertige Seile produziert.

Während der Nazizeit gab es in St Pauli ein „Animierverbot“: Die Stripperinnen durften sich zwar weiterhin ausziehen, doch in dem Moment, in dem die „letzte Hülle“ fiel, mussten sie starr stehen bleiben, eben nicht mehr animieren.

Offensichtlich hat hier niemand heute Nacht geschlafen, hellwach stehen „Touristen“ und die Damen am Streckenrand, zum Glück nicht starr, sondern animieren heftig, zumindest zum Laufen.  Ich studiere die fahlen Leuchtreklamen über den Eingängen und denke nach, was mehr schlaucht, die Länge oder die Geschwindigkeit.

16.000 Läufer werden das in den  nächsten Stunden wohl durchdenken, wenn sie 42,195 km  „auf dem Strich gehen“, genauer: Auf den 14.500 Strichen der „Blauen Linie“, die die Marathonstrecke markieren.

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Informationen: Haspa Marathon Hamburg
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