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Laufberichte

Außerirdisch

13.05.09
Autor: Klaus Duwe

Wenn man etwas nicht begreift aber bewundert, nennt man es schon einmal so. Dass man 64 Tage hintereinander, ohne Pause, durchschnittlich 70 Kilometer laufen kann, insgesamt also 4.485 Kilometer, gehört für mich in diese Kategorie.

57 Männer und 11 Frauen aus 12 Nationen sind seit dem 19. April von Bari (Italien) aus unterwegs, um am 21. Juni das Nordkap zu erreichen. Alleine die Idee zu einem solchen Unternehmen ist so abwegig, dass nur einer wie Ingo Schulze sie haben kann. Aber der Ultraläufer weiß, was alles möglich ist. Schon einmal, 2003, organisierte er einen Lauf durch Europa. Damals ging es von Lissabon aus nach Moskau. Seit 1998 finden unter seiner Regie die Deutschlandläufe statt.

Am 12. Mai macht „Ingo-Tours“  am 23. Tag in Prosselsheim bei Würzburg Station. 1.575 Kilometer liegen hinter den Läuferinnen und Läufern, Italien von Süd nach Nord, Österreich, die Alpen. Die meisten haben bereits persönliche Grenzen überschritten, haben niemals zuvor eine solche Distanz zurückgelegt und sind schon jetzt ganz große Sieger. Keinesfalls Verlierer sind die 13 Aktiven, die aus verschiedenen Gründen ausgeschieden sind und teilweise mit dem Tross weiterziehen, um bei einzelnen Etappen wieder mitzulaufen.

Als das 55köpfige Läuferfeld am Dienstag in dem kleinen unterfränkischen Ort eintrifft, liegen drei „Monsteretappen“ mit jeweils über 80 km hinter ihnen. Für einen unter ihnen ist damit bereits ein wichtiges Zwischenziel erreicht. Rainer Koch kommt aus Dettelbach, ein paar Kilometer entfernt. Die Strecke führt durch seinen Heimatort und bereitet dem derzeit Führenden  einen begeisterten Empfang. Nach 6:43 Stunden und 82,1 km ist er im Ziel. Ein Schnitt von 12km pro Stunde. Außerirdisch.

Die Leistung ja, Rainer Koch nicht. Schon als 6jährigen nehmen ihn seine Eltern mit zu IVV-Wanderungen, wo es auch Marathon- und Ultradistanzen gibt. Als ihm das Marschtempo nicht mehr genügt, läuft er los. Und als ihm die Warterei auf die Eltern zu lange dauert, läuft er die Strecke ein zweites Mal – 40 km, 84 km oder 100, Samstag und Sonntag. „So gesehen bin ich schon immer Etappenläufer“, sagt er.

Die 24. Etappe heute hat „nur“ 65,6 km. „Gefährliche Gedanken“, sagt mir Mike Friedl, der sich großartig hält und bisher ohne Blessuren bleibt und meint damit, dass auch 65 km zuerst einmal gelaufen sein müssen. Wie wahr. Ohne sichtbare Mühe läuft er einen Stundenschnitt von 8,5 km. Jeder hat ja so seine Methode, sich zu motivieren. Mike hat den Transeuropa-Lauf, sein Traum, seiner Frau gewidmet. „In Liebe“, sagt er. Jede Etappe widmet einer Person, die ihm wichtig ist. Ich bin gerührt, eine Etappe läuft er auch für mich.

Mike trägt noch immer seine total verschliessene Mütze. Eine nagelneue lehnt er ab. Erst nach dem Lauf nehme er Angebote an. Dann lobt er die Italiener als ehrliches Völkchen. Jeden Abend habe er seine Mütze zum Trocknen rausgehängt und sie sei nie gestohlen worden.

Klaus Neumann geht es wieder besser. Die Schmerzen in der Ferse sind weg – wenn er langsam läuft. Was heißt schon langsam? Klaus will ans Nordkap. Dafür verzichtet er dieses Jahr auf seinen geliebten Comrades am 24. Mai, den er 15mal in Serie gefinisht hat und dafür in Südafrika als Held verehrt wird. Aber es gibt da einen Plan B: „Falls bis nächste Woche irgendetwas passiert, was ein Finish am Nordkap ernsthaft gefährdet, sitze ich im Flieger und laufe den Comrades“, sagt er und dass er dafür die Flugpläne genau studierte habe.

Tom Wolter-Rößler ist ein weiterer Läufer, dem ich oft begegne und definitiv weiß, dass auch er kein Außerirdischer ist, seine Leistung vielmehr das Ergebnis von Fleiß, Disziplin und das aus Spaß und einer Lebenseinstellung heraus. Er läuft nämlich erst seit 10 Jahren. Trotzdem ist seine Finisher-Liste so lang und so imposant, dass der Transeuropa-Lauf keinesfalls eine Nummer zu groß, sondern eher eine logische Konsequenz ist. Nach einer Woche plagten ihn  Entzündungen an der Achillessehne. „Die sind längst vergessen und es läuft problemlos“, sagt er, steckt sich die iPod-Stöpsel ins Ohr und trabt lächelnd weiter – die nächste Steigung hoch.

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Informationen: TransEurope-FootRace (TE-FR 09)
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