Wir alle brauchen Ruhe, Abstand. Deswegen wird der Wettkampf abgesagt. Wir brechen mittags zu einem 10 km Wandertag auf. Aus dem Krankenhaus: Zustand von Sophie endlich stabilisiert, sie wird nach Bangkok verlegt.
Die Nacht war “kalt”, habe unter der Rettungsdecke gepennt. Über dem Moskitonetz eine handtellergroße Wespenspinne. Meine Füße sind hässlich geschwollen und pickelig, als seien sie von dem pubertierenden Fettarsch Jack in der Serie “Two and a Half Man”.
Wolfgangs Arsch ist auch nicht schön, jetzt wenigstens blau. Der Tempel ist ein Traum, der Wasserfall, der Fluss, dieser Vormittag, wunderschön, wunderbar. Eine Mutter wäscht im Fluss ihr lautstark protestierendes Kind. Dann schippt das Kind mit Freude Wasser über die ewiglangen, ebenholzfarbenen Haare der Mutter. Der Ort ist ein heiliger, ein magischer Ort, der Krankheiten heilt. Falls nicht, verkaufen Händler Pflanzen und Tierprodukte gegen alles.
Meine Füße sind so geschwollen, dass ich die Schuhe vorne aufschneiden muss. Ist das eine schöne Welt in der wir leben! Und ich habe mir Erinnerungen daran erarbeitet! Mit dem Bus fahren wir nach Angkor Wat. Jeder muss für die Tempelregion einen Pass mit Lichtbild erhalten. Bürokratie im Dschungel.
Marsch zu einer Schule, bei der wir übernachten werden. Was wie Stacheldraht aussieht, ist die Armee der Fluginsekten, mit Zeitverzögerung fotografiert. Ich habe den Einheimischen einen Kasten Bier spendiert, dafür gibt es heute keinen Hund, sondern Hühnernieren und kleinste Wasservögel. “Do you eat the head?” “Yes, very crispy!”
Ein Lauf mit Tränen in den Augen durch 200 Quadratkilometer Tempelanlagen in das größte religiöse Zentrum der Menschheit. Traumziel und Orgasmus eines Läuferlebens.
Zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert war Angkor die größte Stadt der Welt. Die Bewohner lebten nur für einen Zweck: immer neue Tempel für die zahlosen Götter des Hindu-Himmels zu errichten. 1430 war Schluß, kein Wald mehr, Bodenerosion, Trinkwasser verseucht, die Thais erobern die Hauptstadt der Khmer. Tempel wurden mit Hilfe von Elefanten eingerissen, Geschichtsfälschung an Sandstein. Hindugötter werden in Buddastatuen umgewidmet, Budda hat nun so viele Arme wie Shiwa.
Die Khmerhauptstadt wird nach Phnom Penh (Hügel der Frau Penh) verlegt. Was transportierbar war, wurde auf dem Weg transportiert, den wir gelaufen sind, quer durch den Dschungel, der alte Khmer Pfad entstand.
Nicht mal 30 % der Tempelanlagen ist ausgegraben, längst haben sichTempelräuber goldenen Nasen verdient. Mein folgender Bericht handelt von den modernen Tempelräuber.
Es ist früh am Morgen als wir durch die Anlage des Bayon Tempels laufen. Als langsamer Spätstarter habe ich das Polizeimopet im Nacken. Kilometerlang ist der dunkle Gang hin zum Mittelpunkt des Tempels. Das erste Mal in der Geschichte dieses ehrwürdigen Ortes, dass sich Ultraläufer hier durchschlängeln.
In meiner Brust wabert Stolz, Bewegung, Ehrfurcht und was weiss ich was. Vorbei an kunstvollen Fresken und Opfersteinen, kilometerweit.
Dicht aufgereiht stehen Polizisten, als wäre ich ein beschützenswerter Staatsgast., kann nicht heimlich pinkeln. Entlang kilometerlanger Tempelmauern laufe ich und lauf, laufe, laufe, laufe…... Kreuz und Quer, Hin und Her, Tempelanlage hier und da. Kilometerlange Reihen Götter, links die bösen, rechts die guten und sehr, sehr viel Polizei.
Atemberaubend geile Laufstrecke! Unbeschreibbar! Stau am engen Tor. Weiter! Weiter nach Angkor Wat! Weiter, durch und weiter ….Und dann: Ziiiiiiiel!
Denkpause.
Krasse hat´s erwischt, er grinst schwach, als er zu einem Taxi geführt wird. Später folgen wir und beziehen auch die Zimmer im Luxustempel Sokhalay.
Schlafen, schlafen, schlafen. Dann ziehe ich mir ein Stück Haut vom Fuß und lege es auf die Terrasse, wo fleißige Winzlinge das handtellergroße Teil schnell entsorgen. Bin nicht der einzige, der sich abends mit Fieber zur Siegerehrung schleppt. Der Präsident des kambodschanischen olympischen Komitees ist anwesend.
Feinstes Essen in sauberer Kleidung. Das letzte Mal, dass die liebgewonnene Läuferfamilie zusammen ist. Einige reisen ab, andere klappen zusammen. Ich bin traurig.
Um 20 Uhr im Bett. Schlafe. Wieder, denn die Zeitachse meines Lebenslaufes hat tiefe, sehr tiefe Erinnerungen bekommen. Die Klimaanlage knattert, im Fiebertraum kommen unterdrückte Ängste hoch, doch es ist JeanPietro der laut schreit. Weder im Krankenhaus noch hier findet er Ruhe, um drei Uhr morgens legt er sich zum Schlafen an den Teich . Auch mich packt die Unruhe der Morgenstunde, nehme mir ein Tuk Tuk und fahre hinaus aufs Land. “Please wait here!”sage ich zum Fahrer, während ich mich ins hohe Gras setze und zu den Sternen hochschaue. “Wait for me…..”
Wenn Stefan einen Lauf zum Mars veranstaltet, dann bin ich dabei, erst mal nächstes Jahr in Bhutan. Er hat den Mund sehr voll genommen aber er hat geliefert. Soll erst mal jemand nachmachen, Deine Organisation. Danke Stefan!
Ich habe gekämpft, geblutet, geschwitzt und bin um Jahre gealtert. Das war es wert!
Siem Reap, die Stadt nahe Angkor War ist ein übersichtliche, überteuerte Touristenstadt, die erst abends aufblüht. Man bietet mir Krokodil, Frosch und Schlange an. Ein Spieß begeistert mich vom Geschmack her, es ist Leber, Wasserrind, wenn ich richtig verstehe.
Jeder will etwas verkaufen, ich habe immer irgendeinen lustigen Spruch drauf, das kommt gut an, und wenn man sich wiedertrifft, provoziert der blöde Spruch ein lautes Gelächter.
Dann gibt’s noch die Fische, die einem die verfilzten Füße abknabbern. Das Radfahren ist so wie in Frankfurt. Innovativ. Gelber, roter pulvertrockener Sand und daraus folgender Nebel über der Landschaft. Hütten am Fluss auf Stelzen, lustige Menschen, die freudig grüßen. Die Tempel WatPo Lamka und Wat Bo, jajaja klingt unanständig, also diese Grabstubas durchfährt man einfach, die liegen mitten auf der Straße in einem Müllhaufen, Menschen werden nicht begraben, sondern verbrannt, die Asche sammelt man dann in diesen Stubas.
Deutsche sind hier sehr beliebt, ich werde immer dankbar angesprochen wegen der Landminen-Suchprogramme und einiger anderer Charityprogramme, deren Namen ich vergessen habe. Auf politische Themen lasse ich mich ungern ein, aber es interessiert mich, schließlich war dies ein Krieg, den ich mitbekommen habe.
Mein fotografischer Blick in den Tagen der Tempelbesuche bleibt an den Menschen hängen. Teilweise lachend, meist lächerlich, doch rein menschlich. Jeder versucht hier seine Lebensleiste mit Eindrücken zu prägen. Mir ist es gelungen.
Eines Abends spendiere ich zwei Flaschen Mekong-Whisky, direkt am Straßenrand, mitten im Trubel der Großstadt. Müllsucher, Händler und Rumtreiber als Freunde für Minuten, doch Eindrücke und Gespräche für die Ewigkeit. Eine Idee, für die ich ein Leben dankbar sein werde. Meine Zeitleiste hat Kerben. Tiefe.
1. Salvator Calvo Redondo (Spain) 18:01 Std
2. Manu Pastor ( Spain)19:23
3. Paul Trebicock (Canada) 21:05
4. Daniel Meyes (Swiss) 22:12
5. Fabien Debaucheron ( France) 22:17
6. Simon Donato (Canada) 22:58
7.Stefan Sigrun (Swiss) 23:24
8. Karim Mosta (France) 23:51
9. Aisling Coppinger ( Ireland) 24:00
10. Krasse Gueorguiev ( Bulgaria) 24.:12
11. Valerie Levi (France) 24:35
12. Manoj Varma ( India) 25:57
13. Rajesh Malik (India) 26:19
14. Julia Romanova (Netherland) 26:41
15. Edward Hillenaar (Netherland) 29:49
16. Alastair MacDonald (Great Britain) 30:54
17. Cheryl Bihang (Phillipines) 31:09
18. Kenny Baker (USA) 31:12
19. Abhay Sapru (India) 31:20
20. Derek Kwik ( Hongkong) 32:11
21. Edda Bauer (GER) 33:20
22. Joe Kelbel (GER) 34:55
23. Dalip Bhalia (India) 37:21
24. Jagdeep Kairon (India) 46:51
25. Arvind Sirohi (India) 50:29
26. GianPietro Marion ( Italy) DNF
27. Wolfgang Seifert ( GER) DNF
28. Sophie Powers (Great Britain) DNF
29. Robert Cummins (Ireland) DNF