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Laufberichte

The Ancient Khmer Path

 
Autor: Joe Kelbel

Kambodscha ist ärmer als Thailand oder Vietnam, weniger Mopeds, kaum Fernseher, dafür in jeder Hüttenansammlung ein Haus der Volkspartei. Die Fäden der Macht liegen noch dort, wo sie die Rote Khmer verteilt hat. Korruption, Vetternwirtschaft und staatliche Verteilungspolitik. Wenn ich den Menschen erkläre, dass ich einen Bericht schreiben werde, werde ich angefleht, ich solle den Menschen dort draußen sagen, dass jetzt hier Frieden herrscht.

Übernachtung in einem buddhistischen Tempel. Quer durch den Raum sind Seile gespannt, auf denen die zahlreichen rosa Moskitonetzte verwebt sind. Jeder von uns tanzt nun limbomäßig in seine private rosa Quarantänestation, sortiert seine Laufsachen, und schwitzt seine Unterlage voll. Die Luft steht in diesem riesigen, mit bunten Heiligenbildern bemalten Raum. Unter dem Moskitonetz hält sich der eigene Schweißgeruch. Bloß nicht wieder unter den hundert Schnüren zu den Insekten kriechen, mag mich eh nicht bewegen, denn jeder Schweißtropfen kann nur mit rationiertem Wasser ersetzt werden.

Heißes Wasser wird von der einheimischen Helfercrew bereitet, damit füllt man diese Tüten  mit der gefriergetrockneten Läufernahrung, die so schlecht schmeckt, dass sich Aufenthalte in kloartigen Gehäusen in den nächsten Tagen stark reduzieren. Das Wort “Dusche” fällt in den nächsten 6 Tagen sehr oft, aber kein Wasser.

Es ist die erste Nacht, in der ich Angst bekomme, wenn ein Schnarcher einen Atemaussetzer hat. Doch bald übertönen gewaltige Donnerschläge und das Prasseln des Regens alles Leben. Blöd, dass meine Laufschuhe draußen stehen.  Auch wenn Moskitonetze theoretisch fliegende Beißer abhalten, so krabbelt durch den Steltzenfußboden über Nacht eine stille Armee, die mir mein hochgeliebtes Milchpulver raubt.

 

 Stage 1: (34 km):  “Hello, Bye Bye!”

 

Der Start muss Erlösung sein.  Der Weg zur Hinrichtung wird dominiert vom Wunsch der Befreiung, Laufen! Weglaufen! Das monotone, vielstimmige Gebet der Mönche verkürzt die Wartezeit bis zur Liquidierung. Nationalhymne aus dem Autoradio, es ist die längste, die ich je gehört habe. Los geht´s.

Es dauert 30 Minuten, dann bin ich am Arsch. Fertig. Das Klima ist mörderisch. Gerade früh morgens, wenn sich die Nässe der Nacht mit den sengenden Sonnenstrahlen vereinigt, bekommst du keine Luft mehr.  Dennoch versuche ich eine Art Laufen aufrechtzuerhalten. Kinder stehen am Straßenrand:  “Hello, Bye Bye!” in einem Atemzug. An diesem Tag erwidere ich diesen Gruß noch lautstark, später nur noch müde per Hand.

Fröhlich rufende Kinder und die kleinen Jungs greifen sich beim Grüßen  an den Piepmatz. Ich dagegen greife in die orangene Tiefkühltruhe. 2 Dosen 1 Dollar. Ein Karnevalszug in Köln ist nichts dagegen. Wir sind die erste Falangs, die diese Leute sehen.  Wir sind Außerirdische in den Augen der Leute hier, und nun lässt sich so ein Alien hier nieder und trinkt Bierchen. Es sind die Momente, die mir unglaublich viel geben. Für kurze Zeit bin ich einer von ihnen, trinke Bier und bin doch anders, weil ich laufe. Ich laufe in einer Welt, die so heiß ist, dass das Wort “Sport” in der Khmersprache nicht vorkommt.

Gerne mache ich Pause für ein kleines Schwätzchen, meistens sind es zuerst die Kinder und vor allem die älteren Mädchen, die neugierig am Wegesrand stehen. Ein alter Mann spricht französisch (Kolonialzeit), mit dem schwatze ich sehr lange.

34 Km, ein fröhlicher Lauf geht zu Ende, die Leute sind Spitze!  Dann der Regen. Das letzte Mal, dass meine Schuhe trocken waren. 6 Stunden  für läppische Kilometer,  die heiße, schwüle Luft killt Laufambitionen. Glück bleibt, weil unerwartetes, fröhliches Kambodscha. Lachen für die nächsten Tage garantiert. Ich laufe nicht vorbei, setze mich erneut nieder, rede international und schaue wie der Regen von den Grasdächern tropft.

Gästehaus auf Stelzen, oben schlafen wir, unten quieken die Schweine, gackern die Hühner und schwelen die Feuer.  Dann versinkt eines unser Fahrzeuge im Graben und ich in den von lautem Schnarchen begleiteten Tiefschlaf unter rosa Moskitonetzen.

 

Stage 2 : ( 42 km ).  Platoons durch Minenfeldern zum Preah Khan Tempel

 

Minenfelder? Der Vietkong hatte die Versorgungswege nach Südvietnam über Kambodscha organisiert, weswegen die Amis oder die Südvietnamesen oder sonst wer, man kann es nicht glauben nach all den Jahren, geschätzte  5 Millionen Minen allein hier in diesem Gebiet verbuddelt haben.

 Kambodscha ist unglaublich staubig, irgendwie ist alles vom Mekong in Millionen Jahren hinterlassen worden.  Ewig breite,  zu Dämmen aufgeschüttete Urwaldstraßen, tief zerfurcht und untergraben von tiefschneidenden Sturzbächen. Pralle, brutal stechende Sonne über insektenschwirrendem Wasser. Durchschnittlich 32 Grad beträgt die Temperatur, in der Sonne entsprechend mehr. Die schwüle Urwaldluft lässt den Schweiß nicht verdunsten, fordert mehr und zerreibt die geschundene Haut.

Julia, die Russin aus Holland, hat mein Tempo, allerdings ohne Pausen, Sheryl aus den Philippinen  auch. Derek aus Hongkong sowieso, ja, eigentlich sind wir alle topfit, doch es ist zu heiß. Der Lastwagen mit unserem Gepäck und den Wasserflaschen für die nächsten Tage versinkt in einem der kaum sichtbaren, metertiefen Löchern in der Straße. Ich habe den Lastwagen nie wieder gesehen, alles muss auf kleine Zugwagen umgeladen werden. “The Peoples´s Suffering Is The King´s Suffering” steht auf einem Steinschild über einem Lotusblumenteich, dabei aalt sich der neue König wohl gerade in wohltemperierten, goldenen Räumen, befächert von zahlreichen Jungfrauen, während Obama ihm die Ehre erweist.

“Wait-A-While” so heißen diese Palmen mit den zentimeterlangen Stacheln, die den Läufer schmerzhaft bremsen. Ich warte gerne. Zum Ausgleich trete ich auf die niedrigen Mimosen, die nun blitzschnell ihre Blätter schließen.

Nach 30 Kilometern kommen wir an ein vermintes  Sumpfgebiet. Die Laufstrecke besteht aus einem eingezäunten Wasserpfad, den dürfen wir wegen Minen nicht verlassen. Zunächst sehen die orangenen  Streckenmarkierungen wie Minenmarkierungen aus, ironisieren die  drohende Gefahr . Ein gepanzertes Fahrzeug, finanziert mit  Deutsch/ Japanischer Hilfe.  Alle paar Meter eine Hängematte inmitten der dichten Vegetation. Dort ruhen sich Minensucher in der Mittagshitze aus.  12.895 Minen in 2012 meine ich lesen zu können, vielleicht auch 84.320.

Dann wird die  Gefahr real : Zwei zur Entschärfung freigelegte, abgesteckte Felder links direkt neben unserer Laufstrecke.  Wie zum Hohn steht das heute Nacht von Chuck gesetzte orangene Markierungsfähnchen nur wenige Zentimeter neben einer gerade zur Entschärfung freigelegten Mine. Was wäre gewesen, wenn Chuck das dünne Metallstäbchen heute Nacht in die Mine gebohrt hätte?

 
 

Informationen: The Ancient Khmer Path
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