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Laufberichte

Höhenflug

25.07.09

Davos - Filisur

Lassen wir die Teilnehmer ihren vorläufigen Platz im Feld finden und widmen wir uns in der Zwischenzeit den Informationen, welche dem interessierten Leser im Geographischen Lexikon der Schweiz (Band 1, 1902) zu dieser Ortschaft vermittelt werden:

Hauptort der Gemeinde ist Davos Platz, das zusammen mit Davos Dorf den weltberühmten Kurort für Lungenkranke bildet und von Fremden und sogar Einheimischen häufig fälschlich allein als Davos bezeichnet wird.
Seit dem Jahre 1890 ist Davos durch die Schmalspurbahn Landquart-Davos, bisher die höchste Adhäsionsbahn Europas, welche jetzt eine Linie der Rätischen Bahn bildet, mit den Vereinigten Schweizer Bahnen und dem übrigen Eisenbahnnetz verbunden; der Bau einer Linie Davos-Filisur ist wohl nur eine Frage der Zeit.  (…)

Eine ganz neue Phase, nicht der politischen, wohl aber der sozialen Geschichte hat für Davos Mitte der Sechziger Jahre letzten Jahrhunderts begonnen. Der damalige Landschaftsarzt Dr. A. Spengler hatte die Beobachtung gemacht, dass die Lungenschwindsucht in Davos so gut wie gar nicht vorkomme  und dass Davoser, welche schwindsüchtig aus dem Auslande in die Heimat zurückkehrten, hier in verhältnismässig kurzer Zeit wieder genasen. Eine Publikation dieser Tatsache in einer medizinischen Zeitschrift hatte die Folge, dass einige fremde Kranke nach Davos kamen, andere ihnen folgten und Davos in sehr kurzer Zeit als Sommerkurort zu Ansehen und Ruf gelangte; länger ging es, bis auch sein Ruf als Winterkurort, der heute fest gegründet ist, zur Geltung kam. Mit der Zunahme der Gäste ging Hand in Hand die Vermehrung der Hotels und sanitarischen Einrichtungen. Heute darf sich Davos in dieser Beziehung getrost neben jeden anderen Kurort stellen und behaupten, nach verschiedenen Richtungen hin Bahnbrechendes geleistete zu haben. Die grossen Sanatorien, Hotels und Pensionen lassen sich den besten des Kontinents an die Seite stellen, den Anforderungen des Hochgebirgsklimas ist durch zahlreiche praktische Einrichtungen gebührend Rechnung getragen worden, und auch in den kleineren und einfacheren Häusern, die für die Aufnahme von Fremden eingerichtet sind, hat man den Ansprüchen der modernen Hygiene volle Rechnung getragen. (…)

Was die Publikation in einer Fachzeitschrift auslösen kann, sieht man auch heute. Mir fallen die vielen schwedischen Flaggen auf, die in erster Linie dem Sieger der vergangenen beiden Jahren, Jonas Buud, und der Mitfavoritin für das heutige Rennen, Lena Gavelin, aber auch ihrer nicht unerheblichen laufenden Gefolgschaft aus dem hohen Norden gelten.

Die ersten fünf Kilometer liegen schon hinter mir und ein Kontrollblick ans Handgelenk bestätigt mir, dass mich mein Gefühl nicht täuscht und ich so unterwegs bin, wie ich mir das vorgenommen habe. Gespannt bin ich auf die Verengung der Strecke, dort,  wo es im vergangen Jahr zum Stau kam und der Tuffli auf den Mond gewünscht wurde. Heute, ein paar Tage nach den Feiern zum vierzigsten Jubiläum der ersten Mondlandung, sind solche Wünsche und Verwünschungen fast vergessen und es gibt auch keinen Grund, sie neu aufkommen zu lassen und auszusprechen. Es geht auf jeden Fall flüssig voran, was sicher daran liegt, dass der Wanderweg an dieser Stelle nicht nur mir breiter scheint als im vergangenen Jahr.

Dass es nicht nur für die Spitze stimmt, sondern auch für das breite Läuferfeld, davon überzeugt sich der letztjährige Mann im Mond an dieser Stelle höchstpersönlich: Auf der grünen Wiese steht ein Hubschrauber und am Wegrand der OK-Chef, der diese Streckenverbesserung gleich auch bildlich festhält.

Im Weiler Spina werden wir wieder mit dem großen Banner über der Straße empfangen und mit Kuhglocken frenetisch gegrüßt, angefeuert und auf die weitere Reise geschickt. Der Staub des vergangen Jahres hat sich längst verzogen, die Straße ist neu asphaltiert und auch Schwefelgeruch ist keiner auszumachen. Nein, so höllisch geht es hier nicht zu, aber früher – ich meine viel früher – gab es hier ein Schwefelbad. Mein Lexikon schrieb schon vor über hundert Jahren:

(…) Die am Berghang in 1790m Höhe gefasste Schwefelquelle wird heute nicht mehr zu Kurzwecken benutzt.

Wegen der zu erwartenden Sonne im Hochgebirge bin ich – vorbildlich - mit Sonnenbrille gestartet; in der Zwischenzeit hat sie mir Reto in Einzelteilen in den Rucksack gepackt. (Gut, wenn man im Läuferfeld immer wieder Bekannte antrifft, welche man zu solchen Helfersdiensten heranziehen kann.) Nimmt mich bloß wunder, wie sich von einem Moment auf den anderen die kleine Schraube aus dem Scharnier verabschieden kann?

Nach dem schönen Abschnitt durch den Wald kommt wieder die Kirche von Monstein ins Blickfeld, für mich einer der optischen Fixpunkte der Strecke. An der höchstgelegenen Brauerei Europas Brauerei kommen wir in diesem Jahr nicht vorbei. Hier wurde eine Änderung der Strecke vorgenommen, für alte Hasen ein „back to the roots“. Macht nichts, für ein Bier ist es mir noch zu früh und eine andere Spezialität, die in Zusammenarbeit mit der Brauerei auf den Markt gebracht wurde, kann ich später beim Hauptsponsor  kaufen: den  preisgekrönten (Prix d’Innovation Agricole Suisse 2002) Monsteiner Braukäse, ein Halbhartkäse aus pasteurisierter Milch, der mit Aromahopfen und Biertreber verfeinert wird.

Ungefähr 1km unterhalb Davos-Glaris zweigt von der Landwasserstrasse die nach Davos- Monstein führende Straße links ab; derselben folgend erreicht man nach ungefähr 1 Stunde die an einem nach S. gewendeten und gegen den Monsteiner Bach abfallenden Hang in einer Höhe von 1620m gelegenen Ortschaft, die in ziemlich enggeschlossenens Dörfchen bildet.

Auf dem Nachfolger dieser Straße rolle ich hinunter zum Talboden. Dieser alt-neue Streckenabschnitt behagt mir besser, er sorgt für mehr Platz für die einzelnen Läufer und gesteht deshalb den Bergabspezialisten mehr Tempo zu. Zufällig beginnt gerade jetzt die Sonne ungehindert zu scheinen, eine Freude, die aber nur von kurzer Dauer ist. Bevor ich unten bei der Bahnlinie ankomme, spüre zuerst ein leichtes Nieseln, dann einige Tropfen und beim Eingang in die Zügenschlucht richtigen Regen. Was erwartet den Teilnehmer auf diesem Teil der Strecke, den wir auf der alten Landwasserstrasse belaufen?

ZÜGE (Kt. Graubünden, Bez. Albula). 1330-1220m. Reihe von Schluchten und Engpässen im Thale des Landwassers, zwischen Davos-Glaris und Filisur. Dieser Namen kommt von den häufigen Lawinen, die hier fallen und die Strasse im Frühling und Winter gefährlich machen.  (…) Der alte Weg durch die Züge war sehr gefährlich und nur schwer zu unterhalten; er wurde von der Sektion Davos des schweizerischen Alpenklubs verbessert und kann nun von Fussgängern ohne Gefahr begangen werden; er bietet eine Menge romantische Aussichtspunkte. Die zum grossen Teil in den Felsen eingehauene Landwassserstrasse wurde von 1871 bis 1873 erstellt; sie wird durch mehrere Galerien geschützt und zieht sich durch zahlreiche Tunnels. (…)

Beim Bahnhof Wiesen verzichte ich auf das Angebot eines weiteren Verpflegungspostens und ziehe damit ein gutes Los, denn damit spare ich genau die Zeit ein, die es mir gerade noch ermöglicht, den Bahnübergang zu überqueren, bevor sich die Schranken schließen. Ohne Druck von nachfolgenden Läufern kann ich in meinem persönlichen Wohlfühltempo auf dem nassen und dadurch etwas rutschigen Gitterrost den Wiesener Viadukt überqueren. Ohne andere zu behindern, kann ich trotz Höhenangst einen Blick weit hinunter und hinauf zum kreisenden Hubschrauber wagen und ein paar Bilder einfangen.

 
 

Informationen: Davos X-Trails
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