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Laufberichte

Santa Cruz de Tenerife Marathon: Eine heiße Sache

 

Maratón

 

Pünktlich um neun starten rund 300 Marathonis und etwa 1000 Halbmarathonis. Die ersten acht Kilometer geht es durch die Stadt, dann am Meer entlang. Zur Halbmarathonmarke sind wir wieder hier im Startbereich. 30 Minuten später begeben sich rund 1000 weitere Läufer auf die 8-km-Stadtrunde.

Auf der Avenida Marítima kommen wir am Dársena Los Llanos vorbei. Zwei Bohrplattformen sind zu sehen. Vor uns das markante, futuristisch anmutende Gebäude des Auditorio de Tenerife Adán Martín. Vom katalanischen Stararchitekten Santiago Calatrava geschaffen, beherbergt es einen Saal für 1.700 Zuschauer.

Beim Kongress- und Messezentrum geht es spürbar bergauf. Links vor uns eine große Raffinerie, zu welcher der Name des Viertels, „Buenos Aires“, eigentlich nicht passt. Wobei die Luft hier wunderbar ist. Ulrich aus Hannover spricht mich an. Er ist einer der dreißig deutschen Teilnehmer aller Bewerbe und freut sich schon auf den Transvulcania auf La Palma. Unzählige Trailläufe gibt es auf den Kanaren: Auf Teneriffa ist der Bluetrail (siehe Bericht auf trailrunnng.de) vermutlich der anspruchsvollste. Der ist in seiner langen Version sicher fantastisch, da er quer über die Insel und den Pico del Teide führt. Sicher nur für sehr gut trainierte Trailläufer. Im Internet findet man schnell für nahezu jedes Wochenende ein Läufchen auf den Kanaren.

Für uns geht es Richtung Innenstadt. Wir queren die breite Avenida Tres des Mayo und stoppen einige grüne Busse auf ihrem Weg zum Busbahnhof. Über die Puente de Galcer queren wir den Barranco de los Santos. Schluchten wie diese sind immer staubtrocken, bis es mal regnet.

An der schönen Plaza General Weyler erwarten uns der Fuente del Amor (Liebesbrunnen) samt applaudierenden Zuschauern. Wir sind hier am oberen Ende der Einkaufsstraße. Den langen Corso de Méndes Nunéz geht es schön bergab dahin. Vorbei an der Banco de España, wo man spanische Euro-Sondermünzen erhalten kann, der Subdelegacion del Gobierno (Regierung) und dem Ayuntamiento de Santa Cruz de Tenerife (Rathaus). Die Fahnen sind alle auf Halbmast gesetzt. Gegenüber ein unbenutztes Hochhaus der Stadtverwaltung. An ihm prangt ein Schriftzug „Refugees welcome“. 274 Afrikaner kamen im Oktober auf den Kanaren an.

Beim Parque de Garcia Sanabria die erste Verpflegungsstelle. An allen Straßenecken Zuschauer. Ein richtig schöner Stadtmarathon. An der Kirche Iglesia de San José treffen wir kurz auf die Ramblas de Santa Cruz, die Flanierstraße für den abendlichen Spaziergang: In der Mitte der Rambla ein breiter Fußweg, gesäumt von alten Bäumen, dann die Fahrspuren. Sieht schick aus, ist aber leider durch den Autoverkehr manchmal auch etwas laut. Hier auf der Rambla gibt es auch Skulpturen von einheimischen Künstlern sowie von Henry Moore.

Über dem Tor einer langen Mauer liest man „Todo por la patria“ (Alles für das Vaterland). Das Militärmuseum enthält auch Informationen zur Eroberung der Kanarischen Inseln. Diese waren ursprünglich von den Guanchen, hochgewachsenen, blonden Menschen, besiedelt. Die Spanier eroberten im 15. Jahrhundert die Inseln. Als letzte europanahe Station waren diese für den Verkehr zu den neu entdeckten Ländern jenseits des Atlantiks von unschätzbarem Vorteil. Aus diesem Grund versuchten auch die Bewohner Großbritanniens mehrmals die Spanier zu vertreiben. Lord Nelson erlitt hier im Jahre 1797 seine einzige Niederlage, die ihn auch noch den rechten Arm kostete. Die dafür verantwortliche Kanone „El Tigre“ ist hier ausgestellt.

Nichtsdestotrotz sind die Briten heute wieder da und bringen ihr fremdes Geld auf die Insel. Viele haben sich im sonnigen Süden ein zweites Zuhause geschaffen. Wobei die Urlaubsorte nicht so stark nach Nationen getrennt sind wie beispielsweise auf  Mallorca. Angewandte Europäisierung auf den Kanaren. Auch wenn die Zeitung „The Sun“ aktuell ganz groß von Premier Camerons Bedingungen für einen Verbleib in der EU berichtet.

Über die Calle de la Rosa geht es wieder nach Süden. Hier sind noch viele kleine typische Häuser zu sehen. Eine Oma mit ihrem Enkel steht vor einem und winkt uns zu. Ich habe den Eindruck, dass viele der fast eine Million Einwohner Teneriffas lieber in den riesigen Neubauvierteln wohnen. In den Städten und Dörfern sieht man viele leerstehende Altbauten. Wobei natürlich auch viele neue Häuser unbewohnt sind. Zeugnis einer völlig falschen Immobilienpolitik, die das Land in eine große Wirtschaftskrise führte, von der sich die Kanaren aber schon wieder ganz gut erholt haben. Die Immobilienprise ziehen wieder an, zu verlockend ist die  Überwinterung bei sommerlichen Temperaturen in einem EU-Land. Ich spiele auch mit dem Gedanken, nach meinem - seit Jahren geplanten - Lottogewinn den Wohnsitz nach Teneriffa zu verlegen.

Die Plaza Principe de Asturia ist der grüne Treffpunkt in der Innenstadt. Wie auf vielen Hauptplätzen der Kanarischen Inseln steht hier ein Kiosk, eine kleine Pagode, manchmal auch mit Verkauf im Erdgeschoss. Viele Zuschauer feuern uns an.

Wir kommen zum zentralen Markt der Stadt. Viele Touristen treffen auf Einheimische, die sich fernab der Supermercados (seit 2010 ist hier auch Lidl ansässig) versorgen wollen. Vorbei am Kunst- und Kulturzentrum, erbaut von 2002-2008 nach Plänen des Architekturbüros Herzog & de Meuron, geht es bergab Richtung Meer. Das Museo de la Naturaleza y el Hombre liegt am Weg, bevor wir zum dritten Mal über den Barranco laufen. Im Februar 2010 waren Judith und ich zum ersten Mal hier: In Puerto de la Cruz herrschte regnerisches Wetter, sodass wir einen Stadtbesuch für eine gute Idee hielten. Wir gerieten in ein riesiges Unwetter: Der Barranco führte so viel Regenwasser, dass sogar die fünfschiffige Catedral de la Concepción aus dem Jahre 1652 von Schlamm geflutet wurde. Bei unserer damaligen Rückfahrt im Bus kamen uns auf der Avenida Mülltonnen entgegen geschwommen und gelegentlich auch ein Kleinwagen. Noch nie war ich so froh über einen alten Hochflurbus und einen Fahrer, der alles im Griff hatte. Keine fünf Kilometer weiter schien die Sonne; Puerto de la Cruz war von den sintflutartigen Regenfällen verschont geblieben.

Zwischen monumentaler Hauptpost und ebensolchem Regierungsgebäude geht es auf das Monumento de los Caídos auf der Plaza de España zu. Errichtet für die Gefallenen des spanischen Bürgerkriegs. General Franco war auf Teneriffa stationiert, als er seinen Putsch begann.

Am großen Brunnen auf der Plaza ist die Hölle los. Die Begleiter der Läufer klatschen begeistert Beifall. An der Avenida Francisco la Roche mit ihren noblen Wohnhäusern halten wir uns Richtung Norden. An der Estación Marítima liegt ein Kreuzfahrschiff vor Anker. Die Stadtrunde nähert sich ihrem Ende. Eine sieben Kilometer lange Begegnungsstrecke am Meer steht an. Rechts die Escuela Náutica und der Containerhafen. Wegen der steilen Küsten der Vulkaninsel im Atlantik gibt es auf Teneriffa oft hohe Wellen. Nur an dieser Küste ist das wohl etwas harmloser, sodass sich in Santa Cruz ein großer Hafen ansiedeln konnte.

Das Anaga-Gebirge bildet den nordöstlichen Zipfel Teneriffas. Dieser Gebirgszug ist der älteste Teil der Insel und auf der Südseite recht karg. Schön anzusehen die farbigen Häuser der Ortschaften Valleseco und Bufadero. Nach meinen vielen Fotostopps kann ich endlich Judith einholen. Kurz darauf werden wir von zwei Damen im Laufhemd mit der Aufschrift „Ameland“ überholt. Den Nummern nach auch Marathonis. Die Hemden sind farblich leicht verschieden, stammen von Veranstaltungen aus unterschiedlichen Jahren. Auch in unserem Starterbeutel war ein Laufshirt enthalten. Rot für die Herren, blau für die Damen. Mit farblich abgesetztem Inlay und Reflektorflächen. Das hat sich der Sponsor Sportzone etwas kosten lassen. Dagegen sehen viele einfache Bezahlhemdchen aus Deutschland alt aus.

Viele Italiener sind unterwegs, leicht erkennbar an ihren Vereinsaufdrucken samt Namen. Auch zwei Superclub-Mitglieder. Gerade als ich mit Startnummer 100 ein Gespräch beginnen möchte, wird der von einem Landsmann angesprochen und ich bin abgemeldet. Na, dann gebe ich halt Gas. Auf nun vierspuriger Straße ist der rechte Bereich für uns gesperrt. Am Boden sind die Kilometer markiert. Da die Wende ziemlich genau bei km 14 liegt, kann man sich gut die quälenden Kilometer ausrechnen, die noch vor einem liegen. Kurz vor San Andrés dann Kehre. Mit einem Schlag hört das laue Lüftchen auf und es ist unglaublich heiß. Jetzt verstehe ich, warum uns vorhin so viele Sportler gehend entgegen kamen. Das muss wohl mit fast 28 Grad im Schatten, den es hier nicht gibt, einer unserer heißesten Marathons sein.

Dafür ist der Blick auf die Bucht von Santa Cruz sehr schön. Auch das Auditorium kann man in der Ferne weiß schimmern sehen. Die Mauer beim Zementwerk Teide spendet Schatten. Mit jedem Meter wird es angenehmer. An der Stadtgrenze beginnt dann die Baumallee. Der Zieleinlauf für die Halbmarathonis ist atemberaubend. Unzählige Zuschauer feiern uns. Freundliche Helfer verweisen uns „42er“ auf die rechte Spur. 

 

Zweite Runde

 

Das Ganze hat so viel Spaß gemacht, dass wir eine weitere Runde drehen. Ich freue mich schon auf die City-Strecke im Schatten. Außerdem sind wir Marathonis nun allein und können noch einige Zweikämpfe hinlegen.

Leider sind die Zuschauer eher weniger geworden, dafür geben sich die Offiziellen viel Mühe beim Anfeuern. Aus den hohen Zwillingstürmen werden wir aus einem offenen Fenster angefeuert. Die Fußgängerzone ist nun gut gefüllt, die Leute sind aber an anderem interessiert. Shopping heißt die Devise. Ich rufe „campeones – campeones“, niemand stimmt ein. Viele Turistas fotografieren den Eingang der Markthallen, nicht den Läufer aus Alemania. Judith ist kurzzeitig orientierungslos, obwohl die Laufstrecke a) bekannt sein sollte b) gut markiert ist und c) weit vor uns ein Läufer zu sehen ist. Sagenhaft die Avenida Bravo Murillo mit ihren monumentalen Gebäuden. Für Judith und mich ganz allein. Vor den Bars am Startgelände viele Finisher der Kurzstrecken, die uns anfeuern.

Und dann? Die Meeresstrecke zieht sich quälend langsam hin. An der Wendestelle ein Blick Richtung Las Teresitas-Strand. Goldgelb leuchtet er, denn es handelt sich um Saharasand, der per Schiff hierher gebracht wurde, um den Insulanern einen schönen Strandtag zu ermöglichen. Ich frage den Streckenposten, warum wir da nicht hinlaufen. Der meint, ich solle doch nach dem Zieleinlauf einfach noch mal vorbeikommen.

Hier noch ein Insider-Wandertipp: Von San Andrés geht man hoch Richtung Bergkamm. Viele Pflanzen gedeihen hier in feuchtem Klima. Oben den Weg zur Casa Forestal nehmen und dann hinunter im Valle Brosque, vorbei an riesigen Agaven und Kakteen. Unten fährt sehr häufig ein Stadtbus nach Santa Cruz. Zum Jahreswechsel gibt es auch einen Traillauf. Und auf jeden Fall muss man auch in die Nebelurwälder auf der Nordseite des Anaga-Gebirges. Oder gleich zum Anaga-Marathon. Würde mich auch interessieren, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Cut-Off-Zeiten einhalten kann.

Dafür auf dem Rückweg der gleiche Effekt wie vorhin: Der Wind ist weg und man stirbt vor Hitze. Wie viel Grad hat es in München? Weiter geht´s – nicht stehen bleiben. Bis zur nächsten Verpflegungsstelle durchlaufen. Einige Helden werden überholt, dann schießt eine Frau an uns vorbei. Unglaublich: Jetzt warte ich nur noch darauf, dass Judith sich dranhängt.

Zum Glück gibt es genug und reichlich bestückte Verpflegungsstellen: Plátanos (Bananen), Orangenstücke, Wasser in 330-ml-Flaschen, auf Wunsch mit Verschluss zum Mitnehmen, Iso –  alle Getränkeflaschen auch in der Frío-Version, also angenehm gekühlt. Das tut gut. Auch über den Kopf oder ins Hemd gegossen.

Judith ist weg – ich hinterher. Sie will sich noch eine Konkurrentin schnappen. 16 Damen werden das Ziel erreichen. Die flotten Holländerinnen aus Ameland sind nicht dabei. Anscheinend gibt es keine Umsteigemöglichkeit auf den Halbmarathon. Wäre noch eine Option, vor allem bei diesen Temperaturen.

Ich freue mich schon auf die schattige Allee in Richtung Ziel. Auf den letzten 500 Metern werden wir wieder frenetisch angefeuert. Ich komme 10 Sekunden nach Judith ins Ziel. So viel zum Thema Kampfgeist. Die Medaille besteht aus dickem Plastik, mal was Neues. Zielverpflegung ist auch noch genug vorhanden – gut gekühlt natürlich.

Judith ist 8. bei den Damen, hat in ihrer Altersklasse gewonnen und bekommt wieder eine Erinnerungstrophäe. Unter den 275 Finishern liege ich mit 4:17:54 auf Platz 132 und habe auf der zweiten Hälfte laut Zeitnehmung 76 Plätze gut gemacht. Dies freut den kleinen Mann, der vorne nichts zu melden hat. Die Hitze und die ca. 250 Höhenmeter forderten wohl von vielen ihren Tribut.

Ein schöner Marathon in Santa Cruz de Tenerife ist zu Ende. Geografisch gesehen unser erster Marathon in Afrika. Eine tolle Citystrecke und 26 Kilometer am Meer. In Zusammenhang mit einem Winterurlaub ist er auf jeden Fall zu empfehlen.

Siegerinnen Marathon:

Sonia Prieto García   3:08:00 (5. Gesamt)
Teresa Linares Hernández  3:20:32
Maria Garcia Alonso   3:27:28


Sieger Marathon:

Angel David Martin Gonzalez 3:00:32
Inaki Llorente Gomez de Segura 3:00:45
Santi Remedios Gonzalez  3:03:33

 

275 Marathonis im Ziel
805 Halbmarathonis im Ziel
889 8-km-Läufer im Ziel

12
 
 

Informationen: Maraton Santa Cruz de Tenerife
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