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Laufberichte

34. Tiberias Marathon: Das heilige Land laufend erkunden

06.01.11

Für mich begann alles bereits 2009 in Bukarest. Aber was hat Bukarest mit Israel zu tun? Nun, die meisten Geschichten beginnen immer ein wenig früher: Beim Bukarestmarathon lernte ich Nathan, Yuval und Maya aus Israel kennen. Ich erzählte ihnen mit meinen wenigen Englischkenntnissen, was ich im Marathonleben so treibe. Sie waren begeistert und drängten, ich sollte gleich schon 2010 zum Tiberiasmarathon kommen.

Nun, das sagt sich so leicht, aber für Jänner 2010 hatte ich schon meine Pläne. So vereinbarten wir, dass ich versuche, 2011 am 34. Tiberiasmarathon teilzunehmen. Da gab es allerdings noch ein kleines, organisatorisches Problem. So startete ich doch zwei Monate vorher in Beirut! Bekanntlich sind Libanon und Israel nicht gerade die besten Freunde. Also musste ich einen neuen Reisepass beantragen, denn mit einem Libanon-Stempel im Reisepass würde die Einreise in Israel sehr schwierig.

So gerüstet reiste ich von München problemlos in Israel ein. Die Einreiseformalitäten sind sehr einfach: kein Visum, kein Ausfüllen von Fragebögen, nur die kurze Frage, warum ich nach Israel komme. Hier ein kleiner Tipp: einfach die Startliste vom Marathon vorzeigen und schon bist du im Land.

Ich habe die Reise eigenhändig geplant, was im heutigen Zeitalter des Internets kein allzu großes Problem ist. So komme ich in Tel Aviv, der größten Stadt Israels, an. Tel Aviv ist momentan mit 2 Millionen Einwohnern die aufstrebenste Stadt der Welt, wenn man mal von den Retortenstädten in der arabischen Welt absieht. Hier spielt sich das Leben in zwei Phasen ab. Es wechseln sich sozusagen die Leute ab. Es gibt einmal die Tagleute, die dem geschäftigen Treiben nachgehen. Am Abend kommt dann eine andere Welt hervor, es beginnt die Zeit der Jungen, die bis morgens in der Früh andauert.

Dies ist nicht die Welt eines Marathonläufers! So sehe ich mir hingegen die Altstadt von Jaffa an und laufe bei angenehmen 20 Grad C ein wenig am Strand von Tel Aviv. Dies lässt mich schnell vergessen, dass es momentan in Mitteleuropa -10°C hat und teilweise sogar noch kälter ist.

Ich werde in Tel Aviv am Vortag des Marathons von Yuval abgeholt und nach Tiberias mitgenommen. Dies erleichtert das Ganze, es gibt aber auch direkte Busverbindungen in die 140 km entfernte Stadt Tiberias. Tiberias liegt am See Genezareth (auch Sea of Galilee). Der See Genezareth ist mir aus meiner Schulzeit bestens bekannt, dort spielte sich ja einiges ab. Selbst über den See war da jemand gewandert!

 

Vortag

 

 

In Tiberias angekommen, werde ich schon auf der Marathonexpo erwartet. In der zweitgrößten Zeitung Israels war nämlich ein Artikel über meine Marathonreiselust erschienen. Nun, ich denke, dies ist ja nichts Besonderes, außer vielleicht, dass ich keinen Marathon zweimal laufe. So durfte ich noch ein paar Interviews geben, als auf einmal wie aus dem Nichts ein Mann auftauchte. Es ist Antonio Santori aus Italien! Dies wäre an sich ja auch nichts Ungewöhnliches. Er lebt aber seit 40 Jahren in Israel und kämpfte in den verschiedensten Kriegen für Israel. Er genießt irgendwie einen diplomatischen Status, obwohl er keinen israelischen Pass besitzt und ihn auch nicht will.

 

Vor dem Start

 

Er ist der Laufguru hier im Heiligen Land. Er erzählt mir, dass er als Trainer an die 40 nationale Titel mit seinen Schützlingen errungen hat, wobei er eine Revolution gestartet hat, indem er Top-Leichtathleten aus allen Bevölkerungsschichten hervorgebracht hat. Antonio wird, wo immer er auftaucht, von den immer mehr werdenden lauffreudigen Israelis umringt.

Mir hat man die Startnummer 171 zugeteilt. Nicht per Zufall, nein, sie wussten, dass ich in Tiberias meinen 171. Marathon laufen werde.

Am Vorabend des Marathons gibt es eine Pastaparty vom Feinsten, selten habe ich diesbezüglich Besseres gesehen.

Der Tiberiasmarathon findet fast immer am ersten Donnerstag des Monats Januar statt. 2012, so erfahre ich, findet dieser Lauf hingegen aus irgendeinem Grund am 2. Donnerstag statt. 

 

Bis zur Halbdistanz

 

Start ist um 9:00 Uhr bei strahlendem Sonnenschein. Es gehen an die 1600 Marathonläufer auf die Strecke. Yuval erzählt mir, dass dies der nach Teilnehmern größte jemals gelaufene Marathon in Israel ist. So laufen wir dann die ersten 10 km dem See entlang nach Süden, dort überqueren wir dann den Jordan.

Weiter geht es am ältesten Kibbuz Israels vorbei Richtung Osten, dann weitere 9 km am Ostufer entlang Richtung Norden, an den Golanhöhen vorbei, bis wir zum Wendepunkt gelangen. Das Problem beginnt für uns aber schon bei km 15, wo uns die ersten schnellen Läufer aus dem afrikanischen Kontinent entgegenkommen. Kreuz und quer laufen wir nun, wie bei den verirrten Schafen geht es zu. Leider hatte der Veranstalter die Laufrichtung nicht auf dem Boden eingezeichnet. So verlangt dies von allen Teilnehmern erhöhte Aufmerksamkeit.

Weil dieser Marathon auf ganzer Strecke eine sogenannte Pendelstrecke ist, befindet sich der  Wendepunkt exakt bei der Halbmarathondistanz. Dies ist nicht jedermanns Sache, für mich ist das aber eine Möglichkeit, alles von zwei Seiten zu betrachten, so wie das Leben auch immer zwei Seiten hat.

 

Bis km 33

 

Die Strecke ist nur wenig wellig, liegt aber 210 Meter unter dem Meeresspiegel und ist recht schnell, da es nur wenige Kurven gibt. Die Verpflegungspunkte sind sehr gut ausgestattet, mit allem, was man halt entlang der 42 km so braucht, leider ein wenig unregelmäßig platziert. Allerdings muss ich zum Schutz des Veranstalters sagen, sie sind auf dem Plan auch so eingezeichnet.

 

Bis zum Ziel

 

Während des Laufes treffe ich Leute aus Israel mit verschiedensten Wurzeln in aller Welt, hingegen sind nur sehr wenige ausländischen Teilnehmer wie ich vor Ort. Fans sind wenige anzutreffen, allerdings die entlang der Strecke sind sehr herzlich, vor allem die Kinder sind voll dabei. Im Ziel wird jeder einzelne Läufer mit Namen begrüßt! Nach der Abgabe des Zeitnehmungs-Chips gibt es eine Medaille und die übliche Zielverpflegung, außerdem ein sehr gelungenes Funktionshirt als Draufgabe.

 

Im Ziel

 

Fazit: Das Marathonlaufen im Januar hat zwei Seiten. Einerseits fehlt einem die Vorbereitung.  Wie auch, wenn es in beinahe ganz Europa stürmt und schneit. Andererseits kann man aber schnell raus aus der Kälte und mal einen Marathon laufen, so zum Spaß, als Training, als Abwechslung, frei vom Druck, irgendwelche Zeiten laufen zu wollen oder zu müssen.

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