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Laufberichte

Mythos und Leidenschaft

 

Fotos: Kay Spamer

Was tun, wenn der Urlaub aufgebraucht ist und durch rasante Geschwindigkeit und digitale Dauervernetzung sowohl Kopf als auch Rücken schmerzen? Wir sehnen uns nach Ruhe und Entspannung.

Was waren das früher doch für Zeiten, als man meist mehrere Wochen von der Arbeit sich in der „Sommerfrische“ erholte? Schon um 1850 bot der Wolfgangsee alles, was gestresste Menschen wieder auf die Beine bringt. Gerade richtig für Leute wie uns, die im Einzugsgebiet einer Großstadt leben, gibt es den Salzkammergut Marathon, sozusagen als erste Regenerationsmaßnahme. Kurgast für 48 Stunden - Erholung und Entspannung im Schnelldurchlauf.

Noch 1968 hatte ein Bayer namens Strauß getönt, er wolle lieber in Alaska Ananas züchten als in Bonn Bundeskanzler werden. Noch keine 50 Jahre später spielt Bonn in Berlin, ist der Kanzler eine Kanzlerin. Noch keine 42 Jahre später heißt der neue Chef des Wolfgangseelaufs nicht mehr Franz Zimmermann, der 41 Jahre der Organisator, Gründer und der erste Sieger war, sondern erstmals Franz Sperrer. Er sieht zufrieden aus. Mit einem charmanten Lächeln begrüßt der neue Organisator die Läufer. Seine gute Laune ist verständlich (Teilnehmerrekord). Seit damals hat sich der Wolfgangsee nicht nur in touristischer Hinsicht weiterentwickelt, sondern auch in läuferischer Sicht: Im vergangenen Jahr wurde dem populären Wolfgangseelauf in seiner 40. Auflage mit dem Salzkammergut Marathon ein Face-Lifting gegönnt.

„Einmal zumindest solltest Du diesen Lauf machen“. Das musste sich Klaus (Duwe) oft anhören. Aber er hat(te) ja da so ein persönliches Problem. „27 Kilometer sind kein Marathon“ sagte er. 2011 kam seine Chance. Mit dem vierzigjährigen Jubiläum des Wolfgangseelaufes wurde auch der 1. Salzkammergut Marathon angeboten. Das war Klaus‘ Chance, er war sofort dabei – aber krank. Aus dem geplanten 1. Salzkammergut Marathon wurde so für ihn ein ungeplanter Wolfgangseelauf über 27 Kilometer(!). Sein Malheur ist unsere Gelegenheit und somit sind wir die ersten m4you-Laufreporter, die von diesem Marathon berichten dürfen.


"Shake the Lake"


Rund um den Wolfgangsee ist das ganze Jahr über etwas los: See und Bauernfeste, Operettenabende und Platzkonzerte, Sportwagen-Alpentrophys. Heute zeugen Marathon-Fahnen von dem „Event-Weekend“. An jedem 3. Sonntag im Oktober zieht die Gemeinde am Wolfgangsee all jene an, die sich weniger etwas aus dem süßen als aus dem schweißtreibenden Leben machen. Für ein paar Stunden werden auch die Besucher des Wolfgangsees aus ihrer gnadenlosen Gemütlichkeit geholt, die Brücke zu den Sportlern gebaut und das Publikum verjüngt. Schon am Samstag, mit dem Wolfgangsee-Nachwuchslauf, beginnt der sportliche Auftakt des beliebten Laufeevents an der malerischen Seepromenade in Strobl.


Erstbegehung der (Kur) Umgebung


Für uns ist es Zeit für eine Erstbegehung unserer (Kur)Umgebung vor dem Abholen der Startunterlagen. Diese erhalten wir im Michael-Pacher-Haus.



Dem gegenüber setzt die Scalaria Kontraste. Er ist der wohl ungewöhnlichste Bau in St. Wolfgang und über Schönheit lässt sich bekanntlich streiten. Ursprünglich ein Schloss, wurde es zum Erlebnis-Ressort auf einem Felsen am Ortsrand umgebaut. Wer kein Zimmer in St. Wolfgang findet, der kann sicherlich noch eines von 400 Designer-Zimmern dort buchen. Es verfügt über ein Theater-Restaurant mit über dem See schwebender Showbühne und einer Wellness-Area. Zurück zum Michael-Pacher-Haus: Alles ist bestens organisiert. Nirgendwo wird einem das Gefühl vermittelt, man müsse sich anstrengen. Alles ist da: Die Startnummer, der Gutschein für die Shuttle-Busfahrt, Fahrplan und der bereits nummerierte Plastik-Kleidersack. Im Hotel: Ein reservierter Parkplatz, ein Liegestuhl auf dem Balkon und WLAN auf dem Zimmer. So schön unser Zimmer ist, den Läuferempfang um 19:30 Uhr wollen wir uns nicht entgehen lassen. Wir bekommen einen Einblick in die Geschichte des Heiligen St. Wolfgang. Heuschober-Musik unterhält die Anwesenden.


Einer geht noch


Wegen der Sommerfrische oder dem guten Heilwasser aus der Trinkhalle würde Horst Preisler sicher nicht den weiten Weg von Hamburg bis nach Oberösterreich auf sich nehmen. Aber für einen Marathon schon. Marathonläufe sind für den (Vize)Weltrekordler im Sammeln von Marathons das beste Anti-Aging-Programm gegen die Zipperlein der späten Jahre. Sport als Verjüngungsmittel. Kern seiner Laufphilosophie: „Jeder Lauf ist eine Geschichte! Jeder Lauf ist eine Begegnung mit seiner Landschaft und deren Menschen! Jeder Lauf ist ein Treffen von Freunden.“ Es ist ihm fast schon ein wenig unangenehm, wenn man ihn auf seine bislang gezählten Marathonläufe anspricht. Die Zahl scheint für die meisten unbegreiflich. Ich sage hier nur so viel: Horst kann auf über 1700 Marathonläufe mehr als Kay und ich zurückblicken. Allein 2012 hat er schon 30 Marathons (und 100 Kilometerläufe) in den Beinen. Im Unterschied zu manchem Wettbewerber lief er seine Marathons in über 70 Ländern (!). Er beendet seinen Auftritt mit den Worten: „Ich laufe für mich, manchmal gegen mich, selten gegen andere“. Staunen im Läuferpublikum und großer Applaus.


St. Wolfgang erwacht


6:30 Uhr – heute ist kein gewöhnlicher Tag. Diese Geschichte beginnt im Morgengrauen eines längst wachgewordenen Städtchens. Die Musikboxen werden aufgebaut, Busse zwängen sich langsam durch die kleinen Gassen, ein Bäcker liefert in den Hotels und Pensionen knackig-frische Brötchen und die Kellner richten die Gartenstühle und Tische mit Aussicht auf den See her. Es ist kalt und ein leicht vernebeltes Zwielicht lässt den See funkeln.

 


Die Urlauber schlafen noch und alles ist, wie es eben ist, wenn ein touristisch beliebter Ort erwacht. St. Wolfgang ist jedoch schon lange kein alltäglicher Touristenmagnet mehr. Wer heute hier ist, will laufen und ist garantiert um 6:30 Uhr auf den Beinen. Ein Fischer vertäut sein Boot gleich neben dem schwankenden Anleger für die Ausflugsdampfer, die der Tag erst noch bringen wird.

 
 

Informationen: Wolfgangseelauf
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