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Laufberichte

Die ganze Welt ist himmelblau

 

Ich höre Glockengeläut und kurz danach taucht die Falkensteinkapelle auf. Sie wurde im Jahr 1626 um eine Höhle in der Falkensteinwand mit einer Durchschlupfstelle erbaut. Laut Tourismus-Info waren bei  Pilgern folgende Gebräuche üblich und gehören teilweise auch heute noch zum Repertoire: Steinetragen, Echoruf, Durchkriechen der Steinhöhle, Waschen der Augen, Drehen eines alten Kultsteins, Sitzen auf dem Felsblock. Würde mich interessieren, welche Variante den Wanderern vorschwebt, die gerade die Kapelle betreten. Einer ruft mir zu, er werde das Glöcklein für mich läuten.

Der Sage nach lebte hier um 976 der heilige Wolfgang nach der Flucht aus seiner Heimat Regensburg. Die Stadt St. Wolfgang mit der Einsiedlerhöhle war im Mittelalter einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte Europas, im 15. und 16. Jahrhundert nach Rom, Aachen und Einsiedeln die viertgrößte Pilgerstätte. Ein Läufer vom Aachener TG ist heute übrigens auch dabei. Der kommt nach 3:59:40 Stunden ins Ziel, wird also hier nicht lange verweilt haben.

Jetzt geht es gehörig bergab. Ein breiter Waldweg, schön gesandet, eigentlich ideal. In mir erwacht der Flachlandtiroler: Ich finde das Ganze zu steil. Und alle hundert Meter hat sich ein Vertreter der Bergwacht postiert. Es muss also recht gefährlich sein. Das sollte man mal im Bild festhalten. Umso trauriger, dass alle Fotos verwackelt sind. Es ist hier recht schattig. Viele Wanderer kommen uns entgegen. Der Läufer vor mir trägt ein T-Shirt vom Tangermünder Elbdeich-Marathon, wie man groß auf dem Rücken lesen kann. So muss es sein. Er ist anscheinend auch eher vorsichtig beim Bergablaufen.

Bei Kilometer 21 liegen 220 Meter Abstieg hinter uns. An der Labestelle kommt mir ein junger Helfer entgegen: Rechte Hand Zigarette, linke Hand Becher. Ich wähle links.

Auf einem wunderschönen schmalen Weg am See mit Blick auf St. Gilgen geht es schnell voran. Die Energie des Bergablaufs verleiht schnelle Beine. Viele Spaziergänger kommen uns entgegen. Das Wasser des Sees ist sehr klar. Fische sehe ich aber keine.

Es sind wieder mehr Sportler unterwegs, denn nun mischen sich die auf Genuss bedachten 27-km-Läufer unter die langsameren Marathonis. Für mich ist das schön, weil es sonst doch etwas einsam würde. Noch mal ein paar Meter bergan und wir sind in St. Gilgen, den Älteren unter uns als Sommerfrische von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl bekannt. Äh, Dr. Helmut Kohl. Der Titel ist in Österreich recht wichtig. An der nächsten Zeitmessstelle wird eine Frau Doktor aus München ausgerufen. Beim Überholen erzählt sie mir, dass ihr Freund sie mit Titel angemeldet hat. Lustigerweise sind auch viele Magister und Ingenieure unterwegs. Also Tipp: Sich der Landessitte anpassen und (wer hat)  mit Titel anmelden.

Der Bootsklub lädt ausdrücklich Wanderer und Radfahrer in sein Lokal ein. Läufer nicht – also schnell weiter.

Beim Mozarthaus quert eine Reisegruppe das Läuferfeld. Die Damen und Herren machen einen arabischen Eindruck. Der internationale Tourismus ist also auch bis hierher vorgedrungen. In dem schön renovierten Gebäude wurde die Mutter von Wolfgang A. Mozart am 25.12.1720 als Anna Maria Pertl geboren. Mozarts Schwester Maria Anna, genannt Nannerl, wohnte dort längere Zeit mit Mann und Kindern. St. Gilgen bezeichnet sich daher publikumswirksam als „Mozartdorf“. An der Labestelle vor Ort gibt es leider keine Mozartkugeln. Allerdings habe ich von einem früheren Lauf noch im Gedächtnis, dass Schokolade sich als Marathonverpflegung sowieso nicht empfiehlt -  zu hart und zu klebrig.

Am nächsten Parkplatz bereitet man sich auf einen Tauchgang vor. Im klaren Wasser können Unterwasser-Sportler auch einige Relikte aus dem letzten Weltkrieg entdecken. 40 Meter tiefe senkrechte Wände gibt es auf der anderen Seeseite beim Falkenstein. Mutige könnten dort auch einen Sprung aus 27 Metern Höhe wagen. Die Seetemperatur beträgt zurzeit 16 Grad. Trotzdem sehen wir am Abend einen Schwimmer im See kraulen.

Hinter St. Gilgen gesellt sich die vielbefahrene B158 zu unserem Fuß- und Radweg. Fahrer auf ihren PS-starken Motorradboliden zeigen ihr Können. Probiert es doch mal mit Marathonlaufen. Bringt auch Endorphine und macht nicht so viel Lärm und schlechte Luft.

Ein bewaldeter Hügel in der Ferne markiert das südöstliche Ende des Sees. Es handelt sich um den Bürgelstein, den wir noch umrunden müssen. Scheint gar nicht so weit weg zu sein. Allmählich überholen mich jetzt bekannte Gesichter. Wie immer ist auch Judith darunter, diesmal mit Andreas aus Eisenach im Schlepptau. Ich muss wohl doch noch etwas am Training feilen. Die Kraft für launige Bemerkungen habe ich inzwischen nicht mehr.

An der Labestelle beim Gasthof mit dem zünftig-coolen Namen Gamsjaga gibt es Musik, Verpflegung und das erste Mal Stiegl-Bier. Bitte jetzt keinen Alkohol! Der See verlässt uns hier, um Platz für den Mündungsbereich des Zinkenbachs zu machen. Es klingt vielleicht etwas hochtrabend, aber der kleine Bach hat an dieser Stelle für eine große Landzunge im See gesorgt. Bei seiner Mündung ist der See nur noch 270 Meter breit. Auf der anderen Seite liegt St. Wolfgang. Die Ortschaft Zinkenbach heißt seit einigen Jahren Abersee. Der gleichnamige See heißt seit Aufkommen des Tourismus nach dem 'Zweiten Weltkrieg Wolfgangsee. Muss man alles nicht verstehen, ist aber immer noch besser als Mozartmuttersee oder so.

Nach fünf Bundesstraßenkilometern geht es jetzt in den Wald. Wir überqueren den Zinkenbach über eine neue, schöne Holzbrücke. Es sieht so aus, als ob nach der Schneeschmelze hier ziemlich die Post abgehen könnte.

Viele parkende Autos kündigen den Startpunkt für die 10-km-Läufer an. Die Teilnehmer/innen kommen später mit dem Schiff aus Sankt Wolfgang hierher zurück. Der Fahrpreis ist im Startgeld inkludiert. Wenn ich jetzt aufgeben müsste, dürfte ich auch Schifferl fahren. Aber das ist nicht nötig. Wir werden nochmals namentlich vom Sprecher begrüßt.

Hier in Gschwend kommen wir wieder in Seenähe. Ein Schilfgürtel ist zu sehen. In der guten alten Zeit fuhr hier mal eine Lokalbahn aus Salzburg. Und dann ging´s weiter mit dem Schiff nach St. Wolfgang. Die professionellen Fotografen sind unterwegs. Ein Bauer wendet sein Heu direkt vor dem Objektiv des Fotografen. Ob er auch ein Bild von seinem Traktor kaufen wird?

Eine schöne Birkenallee ist zu durchlaufen. Der Bürgelstein ist in greifbare Nähe gerückt, als wir nach Strobl kommen, Start des 5,2-km-Panoramalaufs. Unterdessen Teilnehmern befand sich auch der 89-jährige Matthias Strobl (!), der fast alle Wolfgangseeläufe absolviert hat. Ein schöner Badeplatz liegt am See. Wir überqueren nochmals die Ischl, die hier den See verlässt. Dann wird es wieder leicht hügelig und hinter dem Bürgelstein auch schattiger. Bei der Labestelle Schwarzenbach treffen wir auf bekanntes Terrain.

Viele Medaillenträger kommen uns auf den letzten zwei Kilometern entgegen. Ganz besonders freue ich mich über die Anfeuerung, nicht zuletzt durch die Sportlerinnen und Sportler aus Kenia. Diese - auch oft bei Bergläufen anzutreffen - haben wieder einmal das Feld der 27-km-Läufer dominiert. Wobei die bisherigen Seriensieger in der Damen- wie Herrenwertung diesmal nicht ganz oben auf dem Treppchen landeten.

Die letzten 500 Meter geht es zügig bergab, ein schöner Schlusssprint ist möglich. Viele Zuseher sind noch da. Nach der Biegung an der Pfarrkiche St. Wolfgang ist schon das Ziel erreicht. Das ging mir fast zu schnell.

Die neu gestaltete Medaille trägt auf der Rückseite eine Widmung für Hans Breidbach-Bernau, einen kürzlich verstorbenen Schriftsteller, Verfechter des olympischen Gedankens und Pionier des Wolfgangseelaufs.

Das alkoholfreie Stiegl-Bier im Zielbereich ist leider schon vergriffen, wie auch einige andere Leckereien (Hefezopf?). Dafür gibt es aber noch heiße Bouillon, Wasser, Iso, Cola und – Eis? Nein, letzteres dann doch nicht: Diese kühle Erfrischung wollen die kleinen Mädchen an der Ausgabe lieber für sich behalten.

In gebührendem Abstand, etwa 2 km voneinander entfernt, liegen die Duschen der Damen und Herren. Für die Herren gibt es einen Shuttle-Service. Als ich endlich ins Kongresszentrum zurückkomme, ist die Siegerehrung fast vorbei. Für Marathonis gibt es 10-Jahres-Altersklassen. Bei einer Steigerung der Teilnehmeranzahl um 30%  auf 210 wäre es doch an der Zeit, auf 5-Jahresklassen umzustellen. Dann hätte Judith schon wieder eine Trophäe gewonnen.

Bevor uns der Shuttle-Bus nach Bad Ischl zurück bringt, haben wir noch Zeit für Sightseeing in St. Wolfgang: Unser Weg führt natürlich zum Hotel „Weißes Roß“. Hier gibt es auch einige nette kleine Gässchen. Und die Pfarrkirche ist ein Muss. Der spätgotische Hochaltar, 1471-1481 entstandenes Hauptwerk des Malers und Bildschnitzers Michael Pacher, ist wirklich sehenswert. Besonders wenn man den Schalter für die Beleuchtung findet (am rechten Seitenaltar). Der nicht minder interessante  Schwanthaler-Altar steht mittig in der Kirche, da Schwanthaler das Werk seines Kollegen nicht austauschen wollte.

 

Zusammenfassung:

 

Den zweiten Rang unter den schönsten Läufen Österreichs hat die Veranstaltung wirklich verdient. Ich hoffe, die Organisatoren behalten die 42,2-km-Distanz mit im Programm, damit Marathonsammler den Genuss des Wolfgangseelaufs mit einem Marathon im Salzkammergut vereinen können.

Informativ sind das Wolfgangseelauf-Magazin mit interessanten Hintergrundberichten und der schöne Internetauftritt.

Liebe Stiegl-Brauer: Das ist mein erster Marathon seit langem ohne einen alkoholfreien Hopfensaft. Hier müsst ihr nächstes Jahr unbedingt nachbessern!

 

Auf Trailrunning.de gibt es einen
Laufbericht vom Wolfgangseelauf (27km)

 

Siegerliste Marathon

 

Männer

1 Pfandlbauer Andreas   AUT 2:54:55 (3. Sieg  in Folge)
2 Kirby Daniel   AUT 2:55:27
3 Radlmayr Alois   AUT 2:55:49

Frauen

1 Limberger Veronika  AUT 3:13:50 
2 Knight Abby  USA 3:24:54
3 Entner Daniela   AUT 3:37:29 

 

PS: Neben Dr. Susanne Schöberl (100. Marathon und damit erste „dreistellige“ Marathon-Absolventin Österreichs) hat Mag. Judith Strack heute ihren 60. Marathon und Dipl. Inform. Andreas Bettingen seinen 50. Marathon beendet.

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Informationen: Wolfgangseelauf
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