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Laufberichte

Habemus maratonam!

17.03.13

Durch die nördlichen Bezirke

 

Unweit des Halbmarathonpunkts sind wir erneut am Tiber. Ein Ausflug in die nördlichen Stadtbezirke steht bevor. Es sind Kilometer, die mit Charme und Reiz eher geizen, aber Rom eben auch von einer anderen, normalen und weniger touristischen Seite zeigen. Optisch wie akustisch eher eintönig ist das Umfeld entlang des Flusses, so ganz anders als noch kurz vorher im Dunstkreis des Vatikan, wo uns inmitten der weltstädtischen Pracht immer wieder dichte Zuschauertrauben anfeuerten.

Bei km 23,5 erreichen wir das Foro Italico, das Gelände mit den Sportstätten der Olympischen Spiele von 1960. Ein barfuß laufender Äthiopier drückte den Spielen seinerzeit seinen Stempel auf: Abebe Bikila. Er siegte auf der Marathondistanz und holte damals als erster Schwarzafrikaner eine olympische Goldmedaille. Von dem weitläufigen Gelände bekommen wir allerdings nur einen kleinen Ausschnitt in Form eines statuengezierten, rosafarbenen Gebäudekomplexes mit, der daran erinnert, dass die Anfänge der Sportstätten schon in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts liegen.  

Über die Ponte Duca d'Aosta wechseln wir letztmals die Tiberseite und folgen dem Fluss weiter stromaufwärts. Mit der hübschen Ponte Milvio begegnet uns ein zentrumsfernes Relikt der Antike. Über die Brücke führten einst die Überlandstraßen Via Flaminia und Via Cassia ins kaiserliche Rom. Kurz vor km 27 ist der nördlichste Punkt unseres Streckenkurses erreicht. Den müssen wir uns aber mit einer vergleichsweise kräftigen Steigung erarbeiten, ehe es, vorbei an einem  Straßenflohmarkt am Rande des Parco Villa Glori zurück in Richtung Innenstadt geht. Ab km 30,5 ist erneut der Tiber unser Begleiter. Zunehmend herrschaftlicher werden die Häuser und Palazzi entlang des Ufers. Ein untrügliches Zeichen, dass das Stadtzentrum nahe ist. 

 

Ein Traum – Roms Altstadt

 

Und dann ist es soweit. Bei km 34 verlassen wir endgültig das Tiberufer und tauchen ein in die Altstadt. Permanenter Richtungswechsel ist im Labyrinth der kopfsteingepflasterten Gassen und verträumten Piazzas angesagt. Schlagartig ändern sich die Szenerien, wechseln Licht und Schatten. Neben den bekannten "Top Spots" ziehen unzählige für mich namenlose Palazzi und Kirchen an mir vorbei. Woanders wäre jedes für sich eine Attraktion, hier sind sie nur Teil eines monumentalen Gesamtkunstwerks. Für mich ist dies jedenfalls der von den Eindrücken her intensivste Abschnitt unseres Romkurses.

Und auch publikumsmäßig ist auf keinem Teil der Strecke mehr als hier geboten. Die Italiener mögen sportverrückt sein, vor allem wenn es um Fußball, Radfahren und Automobilsport geht – so richtig laufvernarrt sind sie nicht. Zumindest nicht als Zuschauer. Und so sind echte Stimmungsnester eher rar gesät. Emotionen kommen allerdings umso mehr auf, wenn ein Mitglied des jeweiligen Familienclans ins Blickfeld kommt. Dann kann es schon mal passieren, dass eine verzückte italienische Mama ins Läuferfeld stürzt, um ihren „Helden“ an die Brust zu drücken.  

Im Laufschritt geht es zunächst über einen der bekanntesten Plätze Roms, die barocke Piazza Navona mit ihren vielen Straßenkünstlern auf und Straßencafes um den Platz. Die eigentümlich langgezogene ovale Form verdankt sie einem Stadion aus der römischen Kaiserzeit. Mächtig beherrscht Berninis ausladender Brunnen der vier Flüsse (Fontana dei Fiumi) ihren Mittelpunkt.

Nur kurz darauf empfängt uns mit der Via del Corso eine der beliebtesten und prachtvollsten Flaniermeilen Roms. Der kleine Pfeiler, den wir schon von Weitem am Ende der schnurgeraden Straße erspähen, mutiert allmählich zu einem 24 m hohen Obelisken, den Kaiser Augustus einst nach Rom importierte und der bis heute das Zentrum der Piazza del Popolo ziert. Fast vollständig dürfen wir bei km 37 den kreisrunden Platz umrunden. Ein an Opulenz kaum zu überbietendes Gemenge aus Natur und Kunst bieten die skulpturenüberladenen Terrassen und Balustraden, die sich von hier den Pincio hinauf ziehen. Einen Cappuccino im Caffe Rosati gönne ich mir dennoch nicht. Denn ich bin mir nicht sicher, ob ich dann noch den Weg ins Ziel gefunden hätte. So geht es im mittlerweile müden Trab weiter durch die Altstadt.  

Mit der Piazza di Spagna passieren wir bei km 38 eine weitere Berühmtheit der Stadt. Die breite, steile Treppe hinauf zur Kirche Trinita die Monti ist einer jener Spots Roms, die eine geradezu magische Anziehungskraft auf Besucher aus aller Welt ausüben. Und auch die Maler haben sie zu Roms Romantikmotiv Nummer eins auserkoren. Einfach nur auf der Treppe zu sitzen und das Treiben zu beobachten gehört für viele wohl zum Pflichtprogramm, auch wenn der reale Romantikfaktor unter dem Massen-Sit-in ein wenig leidet. Heute ist es zum Sitzen wohl etwas zu kühl. Dafür stehen mehr Leute entlang der Strecke.

Ein paar Ecken weiter folgt schon der nächste Touristenmagnet: die Fontana di Trevi. Einer überladenen Operbühne gleich offenbart sich uns nur für ein paar Sekunden die barocke Brunnenanlage. Mit Anita Ekberg in Fellinis „La dolce vita“, üppig blond im Wasser räkelnd, hat es der Brunnen selbst zu filmischer Berühmtheit gebracht. Und umgekehrt ist es wohl genauso. Im Hier und Jetzt verstopfen allerdings menschliche Heerscharen die Kulisse, wobei die Läufer den Vorteil einer für sie reservierten Trasse haben.

Noch ein kurzes Stück weit werden wir durch die schmalen Gassen gelotst. Dann öffnet sich mit einem Mal der Raum und wir laufen hinein in die Weite der Piazza Venezia mit dem alles überragenden Vittoriale. Wir wissen jetzt: Noch eine letzte 3 km-Schleife ist zu bewältigen, dann sind wir im Ziel.    

 

Auf der Zielschleife

 

Die Schlussschleife bringt nicht viel Neues, aber das Altbekannte ist vom Feinsten. Vittoriale, Kapitolshügel, Marcellustehater, Circus Maximus heißen abermals die Stationen. Dann setzen wir links abzweigend die Umkreisung des Palatin-Hügels fort. Wunderschön ist der Schlusskilometer über die piniengesäumte Via di San Grigorio. Die LKWs, die sich hier vor dem Lauf zur Gepäckabgabe aneinander reihten, sind bereits in den Zielbereich verlegt und so haben wir freien Blick und Auslauf. Am Ende des Pinientunnels grüßt schon der Konstantinsbogen.

Und dann ragen Sie unmittelbar vor uns empor, bis zu 54 Meter hoch: die monumentalen Überreste des Kolosseums, des größten Amphitheaters der Antike, das wohl eindrucksvollste Gemäuer, das aus der römischen Antike durch alle Wirren der Zeit bis heute hinüber gerettet wurde. Zu fast drei Vierteln umrunden wir jene Arena, in der sich im Altertum bis zu 50.000 Zuschauer an blutigem Gladiatoren-Spektakel ergötzten. Im Gegensatz dazu geht es jetzt doch sehr viel gesitteter zu. Und wer es bis hierher geschafft hat, der weiß, dass er den inneren Gladiatorenkampf mit dem „Mann mit dem Hammer“ als Sieger verlässt, auch wenn nicht jedes Gesicht mehr in der Lage ist, diesen Triumph auszudrücken. Vor allem die letzte fiese Steigung, die der Weg um das Kolosseum für uns bereit hält, fordert nochmals vollen Kampfesgeist. Aber dann ist es geschafft.   

 

Grande Finale

 

 

Vielleicht bilde ich es mir nur ein: Aber mehr als sonst sehe ich die Finisher in Triumphpose über die Via dei Fori Imperiali, vorbei an einer Garde stoisch der Kälte trotzender Legionäre, ins Ziel einlaufen. Medaillen- und wärmefolienbehängt lasse ich die grandiose Szenerie des Start- und Zielbereichs nochmals auf mich wirken.

Ja, der Maratona di Roma ist einfach eine Klasse für sich. Und gäbe es eine Krone für den schönsten Stadtmarathon – der Marathon in Rom wäre ohne Zweifel einer der heißesten Anwärter. 

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Informationen: Maratona di Roma
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