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Laufberichte

Habemus maratonam!

17.03.13

Kultur pur von Anfang an

 

Gleich die Einlaufphase bietet „Sightseeing kompakt“: Vorbei zieht der Läuferstrom an den Kaiserforen zur riesigen Piazza Venezia mit dem "Altar des Vaterlandes", dem leuchtend weißen Monumentaldenkmal des ersten italienischen Königs Vittorio Emanuele II. Nicht ganz  unumstritten ist dieser Bau bei den Römern, was auch der etwas despektierliche Spitzname "Schreibmaschine" belegt. Ein Blick aus der Ferne zeigt: Von der Hand zu weisen ist dieser Vergleich nicht.

Autoverkehr umtost normalerweise diesen Platz, Heute jedoch muss dieser den Läufern weichen. In einem Bogen ziehen wir um den Protzbau herum. Nur Augenblicke später folgt schon der Kapitolshügel, im Altertum das politische und religiöse Zentrum Roms. Die berühmte Freitreppe hinauf zur Piazza di Campidoglio mit dem Senatoren- und Konservatorenpalast müssen wir zum Glück nicht erklimmen.

Entlang der Via del Teatro di Marcello passieren wir das Halbrund des gleichnamigen Theaters und kurz darauf das Areal des Circus Maximus bzw. das, was davon übrig geblieben ist. Und das ist im Gegensatz zu den vielen anderen Monumenten Roms nicht viel. Nur erahnen lassen ein paar spärliche Steinhaufen die Ausmaße der mit 600 x 120 m größten Rennbahn der Antike. Kaum zu glauben: Bis zu 250.000 vergnügungssüchtige Römer sollen hier einst den legendären römischen Wagenrennen beigewohnt haben. Über 1000 Jahre lang war die Arena in Betrieb. Das mag uns in unserer schnelllebigen Zeit zu denken geben. Im Hier und Jetzt sind es allenfalls Jogger und Hunde, die dem riesigen leeren Rasenplatz etwas Leben einhauchen.

Um so dichter drängen sich die antiken Hinterlassenschaften auf dem Palatin gegenüber, einem der legendären sieben Hügel Roms und erste Siedlungsstätte der Ur-Römer. Üppige Natur und alte Steine gehen vor allem hier eine geradezu malerische Symbiose ein. Auf das Profil der Strecke haben diese Hügel übrigens keinen Einfluss. Der Laufkurs durch Rom ist ziemlich flach. Und schnell. So manchem mag das gerade in der Altstadt verbreitete abgeschliffene Kopfsteinpflaster als Ausrede dienen. Doch zumindest mich haben die Füße noch auf keiner Laufstrecke der Welt so schnell über die 42 km getragen wie in Rom. Sieben Jahre ist das allerdings her. Und heute bin ich mit der Kamera unterwegs, stets mein bestes Alibi für eine mäßige Laufzeit.   

Jenseits der Porta San Paolo, einem der ehemaligen Stadttore, fällt bei km 3 die "Piramide" ins Auge. Der Volkstribun Gaius Cestius wollte einst selbst im Tode en vogue sein und ließ sich im ersten Jahrhundert der Mode folgend pharaonisch bestatten. Immerhin: Wie die berühmten ägyptischen Vorbilder hat auch sein Grabmahl die Zeiten überdauert. Eine Umrüstung zeigt allerdings: Ein bisschen Kosmetik ab und an muss dennoch sein.    

Kulturell eine Verschnaufpause ist auf den nächsten Kilometern angesagt. Immer geradeaus geht es auf der breiten Via Ostiense gen Süden. Ein Highlight im optisch eher reizarmen Einerlei aus Häuserblocks ist die Basilika San Paolo Fuori la Mura bei km 6, einer der größten und bedeutendsten Kirchen Roms, nur etwas ab vom Schuss. Kurz darauf erreichen wir den südlichsten Punkt der Strecke. Nun heißt es richtungsmäßig: back to town.  

 

Die Magie des Tibers

 

Bei km 7 queren wir erstmals den Tiber. Breit und erhaben ziehen die Fluten dahin, die Stadt in mehreren Schleifen durchschneidend. Ein Ruhepol, ein Ort der Entschleunigung ist er inmitten der Hektik und Rastlosigkeit. Mehr als ein Drittel der Marathondistanz ist er unser Begleiter. Und ohne Zweifel gehören die Passagen entlang des Flusses zu den eindrücklichsten des Laufs. 

Zunächst einmal dürfen wir an den Fluss nur hin schnuppern. Hohe Zäune schirmen ihn blickdicht ab. Zwischenzeitliche Abstecher in ein Gewerbegebiet und, zurück auf der anderen Flussseite, durch das Viertel Testaccio sind zu bewältigen, vor allem Letzteres nicht uninteressant, aber auch nichts Aufregendes.

So richtig am Fluss sind wir erst ab km 11,5. Mehrere Kilometer folgen wir nun seinem Verlauf flussaufwärts gen Norden. Wunderschön ist der Blick von der Uferstraße, dem „Lungotevere“, auf die Palazzi entlang des Stroms. Je näher wir dem Zentrum kommen, desto prachtvoller sind sie. Ein Blickfang ist der üppig wuchernde „Urwald“ an der Nordspitze der Isola Tibertina, der größten Tiberinsel. Gleich dahinter: Die nach Trastevere hinüber führende Ponte Garibaldi. Einst war Trastevere das Quartier der niederen Stände und kleinen Leute. Heute ist schlicht „Jenseits des Tibers“ benannte Viertel eines der begehrtesten Pflaster Roms und der „In“- bzw. Ausgehspot schlechthin. Vor allem nachts tobt in den Gassen das Leben, drängt sich gerade das junge bzw. junggebliebene Volk vor und in den Lokalen und Kneipen. 

Und weiter geht es am Tiber entlang. Imposant thront über dem jenseitigen Ufer bei km 14,5 das Castel Sant´ Angelo, die Engelsburg. Der düstere, einst als Mausoleum Kaiser Hadrians konzipierte Rundbau ist die stärkste Festung der Stadt und seit jeher die Zufluchtsstätte des Papstes, wenn es für ihn politisch brenzlig wurde. Ein Verbindungsgang zum Vatikan macht es möglich. Ein eindrückliches Stimmungsbild bietet übrigens die Verfilmung von Dan Browns Bestseller „Illuminatus“, so ganz nebenbei wohl auch der beste Werbefilm, der je über Rom gedreht wurde. Nur der Vatikan sah das damals etwas anders und untersagte die Dreharbeiten in den Kirchen. Dem Film merkt man es nicht an.  

 

Dem Heiligen Vater nahe – zumindest ein bisschen

 

Über die Ponte Cavour wechseln wir kurz darauf erneut die Flussseite. Die Spannung steigt. Denn ab hier spürt man förmlich schon den Heiligenschein des nahen Vatikan. Eindrucksvoll: Die symmetrisch begrünte Piazza Cavour mit ihren turmhohen Palmen, beherrscht vom Ehrfurcht einflößenden Palazzo des Justizpalasts. Von der Engelsburg erhaschen wir auch einen rückseitigen Blick. So schroff wie das Kastell vom Tiber aus wirkt, so romantisch präsentiert es sich in viel Grün eingebettet an der Rückseite. Entlang der von überaus prächtigen alten Fassaden gesäumten Via Crescencio laufen wir immer geradeaus weiter, geradewegs dem Vatikan entgegen. An der Piazza del Risorgimento wäre die Festungsmauer des Vatikan erreicht. Wäre ....

Normalerweise hätte uns unser Laufkurs über die Via della Conciliazione, die „Straße der Versöhnung“ direkt zum zentralen Aufmarschplatz für Katholiken aus aller Welt, der Piazza San Pietro, dem Petersplatz geführt. Aber in diesen Tage ist eben nichts normal. Und da der Platz anlässlich des für heute 12 Uhr mittags angesetzten ersten päpstlichen Angelus-Gebets einen Ansturm von 150.000 Gläubigen verkraften muss, ist leider kein Platz für Menschen, die so weltlichen Genüssen wie dem Marathonlauf frönen. So müssen wir weichen und uns mit einem raren Fernblick auf die mächtigste Kuppel der Christenheit, die sich über der Peterskirche wölbt, begnügen.  

Näher als bis kurz vor die Pizza del Risorgimento kommen wir dem Vatikan und damit dem Papst heute nicht. Dann schwenkt der Kurs schon nach rechts ab und entfernt sich in mehreren Schlenkern zunehmend vom Vatikan. Immerhin dürfen wir dabei ausgiebig das herrschaftlich-proppere Stadtbild dieses Stadtbezirks genießen. Erst jenseits der km 20 ab der Piazza Mazzini wird es zunehmend von städtischer Normalkost abgelöst.  

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Informationen: Maratona di Roma
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