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Laufberichte

Rheinischer Vorgebirgsmarathon: Frohe Weihnachten 2020

 

Zu Weihnachten machen Judith und ich uns auf ins ziemlich ferne Aachen. Eine kleine Familienfeier zu dritt steht an. Wir fahren mit dem Auto, um die Corona-Ansteckungsgefahr gering zu halten und um flexibel zu sein, auf dem Rückweg noch einen Marathonlauf zu absolvieren..

Am ersten Feiertag laufen wir noch im Dunkeln zum Dreiländerpunkt, an dem Belgien, die Niederlande und Deutschland zusammenstoßen. Viele solcher Punkte liegen ja in Flüssen. Ganz verwegen umrunde ich den Grenzstein und betrete fremde Staatsgebiete. Gut, dass niemand mich sieht. Irgendwie ist das schon verrückt: Da darf ein Bayer durch halb Deutschland reisen, aber die Menschen in dieser Euregio müssen aufpassen, auf welcher Straßenseite sie gehen. Im nördlich gelegenen Kerkrade/Straß läuft die Grenze direkt in einer Straße. Früher durch einen hohen Zaun getrennt, lebt man seit vielen Jahren Seite an Seite. Wie es da wohl gerade aussieht?

Eine ziemlich schwierige Situation für einen eingefleischten Europäer wie mich. Vielleicht hätte man die Grenzen vergessen und einfach Bewegungsradien definieren sollen. So nach dem – hier nur mal spaßeshalber formulierten - Motto: „Man darf sich mit Verwandten treffen, die nicht weiter als 100 Kilometer entfernt wohnen und das schon länger als 14 Jahre, aber mit nicht mehr als einem großen und einem kleinen Auto“. Dann hätten unsere Freunde aus München wenigstens zum Skilanglauf nach Seefeld in Österreich fahren können und ich hätte zu Hause bleiben und auf einen schönen Marathonlauf verzichten müssen.

 

 

Denn ein solcher ist, für die TeilnehmerInnen kostenlos, am 2. Weihnachtsfeiertag im Rheinischen Vorgebirge unter Einhaltung aller Einschränkungen möglich. Das heißt für uns sehr früh aufstehen und nach Alfter bei Bonn fahren. Dort am großen Parkplatz des Herrenhauses Buchholz, das in „normalen“ Zeiten als Event-Location dient, treffen wir zufälligerweise auf Ralf Loeber, der hier in der Gegend Läufe organisiert. Natürlich Corona-konform mit individuellem Start zwischen 7 und 11 Uhr. Es sind fünf Runden zu absolvieren und Ralf kommt gerade mit Stirnlampe von seiner ersten Runde zurück. Die Strecke ist mit Sprühkreide markiert. Nicht ohne Grund wurden wir auf die Größe des Waldes und die Gefahr des Verlaufens hingewiesen. Zur Sicherheit habe ich auch den Track auf dem Smartphone, den ich aber dank der Markierung nicht benötigen werde.

3-2-1. Judith und ich starten die Uhren und rasen los.

Zu Beginn sind einige Höhenmeter rauf und runter zurückzulegen. So 70 Meter pro Runde kommen zusammen. Noch ist es recht finster, hier ging die Sonne erst um 8:37 Uhr auf. Trotzdem kann man schöne Ausblicke auf die Kölner Bucht genießen. Wir verbringen aber diese Runde erst mal mit dem Kennenlernen des Weges und dem richtigen Abbiegen. 

Viele Hunde sind mit ihren BesitzerInnen unterwegs. Es wird fleißig gegrüßt und manchmal auch gebellt – der will ja nur spielen. Ein paar Läuferinnen sind auch unterwegs, eher nicht auf der Marathonroute. Nach 8,7 km kommen wir an unserem Auto vorbei. Noch ist keine Pause notwendig, es geht gleich weiter. Ich kann in der Ferne den Kölner Dom ausmachen. Perfekt. Judith zweifelt, da der ja zwei Türme hätte. Aber die sind ziemlich Nord/Süd ausgerichtet und wir liegen hier fast genau auf dieser Achse. Gut zu sehen ist auch das Siebengebirge im Osten auf der anderen Rheinseite.

Der Landschaftsschutzverein Vorgebirge e.V. hat einen hölzernen Aussichtsturm errichtet. Dahinter liegt wohl eine Quarzsandgrube, deren Betrieb eingestellt wurde.

Fast hätte ich eine Abzweigung verpasst. Wir müssen über einen Feldweg und stoßen später wieder auf die Teerbahn. Am Wanderparkplatz sind die zwei Campmobile verschwunden und dafür schon mehrere Pkw abgestellt. Abwechslungsreich verläuft die Strecke. Hier durch einen abgeholzten Bereich. Die vertrockneten Farne künden noch vom Sommer. Irgendwie erinnert mich die Stimmung hier an Bergläufe in den Alpen. Wenn da nur nicht der Hinweis „räächs erömm 10-km“ stehen würde.

 

 

Am südlichen Wendepunkt stoßen vier große Wege aufeinander. In der Mittelinsel der Stamm einer Linde. Der alte knorrige Baum, der von 1477 bis 1977 hier stand, wurde nach einer mutwilligen Beschädigung am Wegesrand einzementiert. Jahrzehntelang konnten sich Kinder am „Kamelleboom“ Kamelle, also Bonbons, abholen, die vorher von den Eltern auf der anderen Seite des Baumstumpfs eingeworfen wurden. Ich lese, dass Bäume als Markierung von Grundstücken genutzt wurden und oft aus mehreren kleinen Exemplaren zusammengewickelt wurden, um die Nutzung des Stamms wegen seiner unregelmäßigen Struktur uninteressant zu machen.

Noch spannender ist wohl der „eiserne Mann im Kottenforst“ weiter südlich, also nicht an der Laufstrecke. Wer erinnert sich nicht an die sogenannten Monolithe, die zurzeit an jeder Ecke der Welt und in jeder Zeitung auftauchen? Hier steht eine massive Eisenstange seit vielen Hundert Jahren und gibt Rätsel auf. Heiratswillige Mädchen, so heißt es, können nach dreimaliger mitternächtlicher Umrundung samt Kuss der Stele sicher sein, einen guten Mann zu finden.

Ein gutes Stück laufen wir am Waldrand in wunderbarer Wintersonne. Dann kurzer „Tankstopp“ am Auto. Inzwischen hat sich auch ein Wagen mit Wiener Kennzeichen eingefunden. Der Blick auf die Bucht ist immer noch interessant. Riesige Industriegebiete wurden hier offenbar neu angelegt. Obwohl das auch ein großen Obst- und Spargelanbaugebiet zu sein scheint, schlägt der gemeine Flächenfraß zu. Der LSV kämpft auch gegen eine Verspargelung der Ville, wie der grüne Hügel hier heißt, durch Windräder, die hier alle Gemeinden mit Strom versorgen könnten. Ich frage mich, warum man keine Windräder in die Industriegebiete bauen kann.

Die Gegend erweist sich nun als Paradies für Spaziergänger. Auf dem kurzen Stück Straße kommen Autos langsam entgegen. Die Wege danach werden immer matschiger und wir Läufer sind eher bereit, den direkten Weg durch den Dreck zu laufen. Ein Hobby scheint auch das Ausführen von Pferden zu sein. Immer wieder trifft man nun auf Spaziergänger mit Pferden an der Leine. Zusätzlich zu den Hunden. Und den Großfamilien. All das fotografiere ich aus Gründen des Datenschutzes besser nicht. Aber der unermüdliche Ralf ist immer ein lohnendes Motiv.

Langsam spürt man auch den schwierigen Laufuntergrund vor allem auf den letzten Kilometern der Runde. Hier stehen manchmal sehr spitze Steine aus dem Weg hervor. Da muss man die Füße etwas höher heben. Schon wieder Ralf. Er hat die Marathondistanz fast beendet und verabschiedet sich.

Ein Schild macht auf den Römerkanal aufmerksam. In der Antike wurde eine 100 Kilometer lange Wasserleitung aus der Eifel nach Köln gebaut, teilweise mit Tunneln und kleinen Viadukten. Die Strecke kann abgewandert werden und ich hoffe, dass der Kanal nicht so viele Ecken hatte wie die Wanderroute. Wer einen großen Viadukt sehen will, kann sich ja mal den Tarragona-Marathon 2022 vormerken.

Die Beine werden immer matter, das Schnaufen wird lauter und manche Spaziergänger machen deswegen freiwillig Platz. Cola-Time am Auto und dann auf die letzte Runde. Die ist glücklicherweise um 800 Meter kürzer als die vorherigen und wir sparen auch einige Höhenmeter.

Täusche ich mich, oder wird es schon wieder dunkler? Vom Kamelleboom hatte ich vor zwei Runden eine Entfernung von 2,7 Kilometern bis zum Ziel ermittelt. Ich mahne Judith zur Eile. Noch einmal ein Blick auf die Baumschule mit Mini-Tannen, die einmal Christbäume werden wollen, dann geht es nach 4:59 Stunden ins Ziel. Perfekt.

Waschen und Umziehen am Kofferraum. Der Parkplatz ist inzwischen voll besetzt. Ein kurzes Gespräch mit einem Finisher zwei Autos weiter. Einige Herren laufen schweigsam vorbei. Dann geht es schon Richtung Heimat. Da auf den Autobahnen kaum Verkehr herrscht, kommen wir eine Stunde vor Beginn der Ausgangssperre in München an.

Ein wunderbarer Lauf, dank der schönen Ausblicke sehr abwechslungsreich. Ich habe wieder meinen Horizont erweitert. Da man alle 8,7 km am Auto vorbeikommt, bieten sich gute Verpflegungsmöglichkeiten. Auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Parcours zu erreichen.

Vielen lieben Dank an Ralf für das Ermöglichen dieses schönen Laufes.

 


 
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