Ich sag es gleich: Die Überschrift ist geklaut. Es ist der Slogan des Rennsteiglaufes. Besser als mit diesen paar Worten kann man das Event auf den Höhen des Thüringer Waldes aber nicht beschreiben. Deshalb bin ich so frei.
Ich war erst ein einziges Mal beim Rennsteiglauf, aber das ist rund 20 Jahre her. „Da wird es höchste Zeit, dass Du Deine Eindrücke aktualisierst“, so der Chef aus Baden-Baden. Und gleich fügt er noch an: „Nächstes Jahr bist du für den Supermarathon vorgesehen.“
Als ich im Routenplaner die Fahrtzeit ermittle, stelle ich fest, dass ich wohl was verpasst habe. Denn Ost und West sind schon viel näher zusammengewachsen, als ich dachte.
Mittlerweile ist es im Zielort Schmiedefeld und in den Startorten Oberhof (beim Halbmarathon), Eisenach (Supermarathon) und Neuhaus am Rennweg (Marathon) in Sachen Unterkunft schwierig bis unmöglich, noch kurzfristig etwas zu buchen. Zumindest muss man sich für die Gemeinschaftsunterkunft in Neuhaus nicht vorab anmelden. In der nebenan liegenden Schule bei der GutsMuts-Halle werden in den Klassenzimmern einfach Tische und Stühle beiseitegeschoben und dann kann sich der Läufer einquartieren. So kann man dann ohne schlechtes Gewissen bei der abendlichen Kloßparty ein oder zwei Bierchen mehr trinken. Außer man hat den kurzen Weg zur Heia vergessen.
Die Wettervorhersage für den Renntag ist suboptimal. „Bei uns gibt es nur zwei Jahreszeiten,“ so der Parkplatzeinweiser. „Winter und harter Winter“, lacht er und zieht sich die Handschuhe an. Lausig kalt, gerade mal fünf Grad und am Vormittag hat es noch geschneit, das ist meine Feststellung. Die warme Mütze ist zu Hause, wo sie hingehört. Wenigstens liegen die Handschuhe in der Sporttasche.
Neben den Laufwettbewerben finden NordicWalking Touren über 35 und 17 Kilometer sowie ein Junior Cross für den Nachwuchs und ein Special-Crosslauf für behinderte Menschen statt. Ein großes Programm, in das viele Orte am Rennsteig eingebunden sind. Ein Kunststück ist auch, die Beförderung der rund 16000 Teilnehmer per Bus sicherzustellen. Die ersten Linien werden am Renntag schon ab 03.00 Uhr bedient. Da habe ich es gut, kann ausschlafen, denn mein Start ist für 09.00 Uhr vorgesehen.
Neuhaus liegt auf 830 Meter Seehöhe, der Rennsteig verläuft mitten durch die gut 7000 Einwohner zählende Kleinstadt. Zu den Sehenswürdigkeiten zählt die 1892 eingeweihte evangelische Stadtkirche, die zu den größten Holzkirchen in Thüringen gehört. Ein Spaziergang durch den Ort bringt mich dahin. Leider ist das Gotteshaus geschlossen und ein Schlüssel dafür ist auch nicht mehr aufzutreiben.
Zurück in der GutsMuts-Halle hat die Kloßparty bereits begonnen. Wer nach dem Genuss zweier Klöße, der Rinderroulade und dem Blaukraut noch hungrig ist, muss ein Vielfraß sein, denn die Portion ist reichlich. Der Moderator Hans-Peter Müller, auch Hans im Glück genannt, versteht es, alle stimmungsmäßig mitzureißen. Das geht dann an von der Begrüßung der Teilnehmer aus den einzelnen Bundesländern bis hin zum Kurzinterview mit den ältesten und jüngsten Läufern. Dass sich die Teilnehmer mit dem Rennsteiglied und dem Schneewalzer für den nächsten Tag gleich mit Gesang und Schunkeln einstimmen können, gehört hier dazu. Die Tanzkapelle Hess motiviert nicht wenige, ihr Warming-Up auf die Tanzfläche zu verlegen. Kein Vergleich zu den sonst üblichen Pasta-Partys.
Für die Frühaufsteher und Frühanreisenden ist gesorgt, denn ein Heer von Freiwilligen hat schon Semmeln mit Wurst, Schinken und Käse belegt. Für ein paar Euro kann man sich so sein Frühstück a la Card zusammenstellen. Zwar ist kurz nach 06.00 Uhr noch wenig los, aber eine Stunde später hat sich eine lange Schlange an der Ausgabestelle gebildet.
Kurz nach 08.00 Uhr zieht es mich hinaus, wo auf der Freisportanlage am Apelsberg sich die ersten Läufer schon versammelt haben. Auf einem Lkw als Bühnenersatz unterhält bereits ein Gesangsduo und die Lichter Blasmusik. Wie schon am Vorabend hat Hans im Glück das Programm voll im Griff: Informationen für alle, ein Gruß an die Geburtstagskinder und an die Wiederholungstäter wie Joachim Pampel aus Berlin, der heute zum 35. Mal an der Startlinie steht. Oder Michael Müller vom HSV Birnfeld, der sich zum gestrigen 50. Geburtstag den Marathon geschenkt hat. Unter vier Stunden ist sein Plan, damit er rechtzeitig zu einer Nachgeburtstagsfeier wieder zu Hause ist.
Der Platz füllt sich zunehmend mit Teilnehmern und dann beginnt der Countdown, der zum festen Repertoire gehört. Zuerst das Rennsteiglied, das alle singen mit. Außer denen, die den Text nicht kennen und können, oder den Fotografen spielen (so wie ich) und ihre Kameras zum Glühen bringen. Hände nach oben, nur strahlende Gesichter sind zu sehen. Gänsehaut, aber nicht wegen der Kälte!. Und dann das Kommando: „Hakt euch ein. Der letzte Programmpunkt kommt - der Schneewalzer! Darauf habt ihr ja gewartet“.
Das müsst ihr mal sehen. Da wird sogar in der ersten Reihe geschunkelt, wo man sich eigentlich schon die Ideallinie auf den ersten Metern eingeprägt hat. Als dann der vom Mitteldeutschen Rundfunk gecharterte Hubschrauber auftaucht, wird herunter gezählt und Thüringens Sportministerin Heike Taubert schickt die rund 3000 Läufer auf den Weg ins schönste Ziel der Welt – nach Schmiedefeld.