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Laufberichte

Paris Source d'Énergie

 

Im Herbst letzten Jahres erzählte uns eine Bekannte, Paris sei für sie der schönste ihrer bislang 100 Marathons gewesen. Kaum zu glauben, aber ich war noch nie in der französischen Hauptstadt. Warum also nicht einmal dort starten? Im Dezember 2014 kann ich noch zwei der letzten 1000 Plätze ergattern. Ganz anders als bei vergleichbaren, großen und bekannten Marathons geht das hier ganz ohne Tombola oder teures Reisepaket. Somit können sich auch Laufgruppen ohne Probleme zusammen anmelden.

Die Anmeldegebühren sind nach Restplätzen gestaffelt. Wir müssen 101,- € bezahlen. Eine Aufstellung der Preisstaffelungen habe ich übrigens nirgends gefunden. Gerüchteweise soll es bei 60,- € losgehen. Die Anmeldung für 2016 ist bereits möglich.

Interessantes kann ich bei der Buchung der Anreise erleben: Lufthansa bietet Hin- und Rückflug ab München für knapp über 100,- € an. Ich würde aber lieber mit dem TGV fahren. Bei der Deutschen Bahn kann man  einen Platz in diesem Zug aber erst drei Monate vor Reisetermin buchen. Letztendlich buche ich die Hinfahrt bei der französischen SNCF direkt. Zurück geht es dann mit einem sehr günstigen Flug der Air France, da Lufthansa für die einfache Strecke über 200,- € verlangen würde. So verrückt läuft das heute. Ein passendes Hotel im trendigen Bezirk Montmartre ist aus einem Angebot von 2.500 Pariser Unterkünften auch irgendwann gefunden.
Die Anreise am Freitag ist dann wirklich beeindruckend. Der doppelstöckige TGV fährt hinter den Vogesen mit Tempo 320 durch das platte Land und bringt uns fast bis vor das Hotel.

Direkt von dort geht es in den Südwesten zum Messegelände. Dort findet in Halle 2 der „Salon des Seniors“ statt, eine Ausstellung für rüstige Senioren über 50 (!),  die in allen Metrostationen beworben wird. Wir hingegen betreten die große Halle 1, wo uns der „Salon du Running“ erwartet. An der Anzahl der Meldepostitionen ist schon erkennbar, was hier am Samstag noch los sein wird. Obligatorisch ist in Frankreich das Gesundheitszertifikat. Eine Kopie ist abzugeben. Auch hier gibt es eine Wand mit den 54.000 Anmeldernamen. Einige sind schon farblich gekennzeichnet. Gut, dass ich einen Marker dabei habe: So sticht mein Name schon bald aus der Masse der Mitläufer hervor. Wie üblich, werden wohl auch hier ca.  20 % der Gemeldeten aber gar nicht erst antreten.

In einem kleinen Starterbeutel sind eine Trinkflasche von Tag-Heuer, eine Bauchtasche, Massagegel, eine Männergesichtspflege, Energieriegel, Fruchtgummi, ein Schwamm und allerlei Informationen enthalten. Gigantisch kann man die Ausmaße des Ausstellungsbereichs nennen. Am hinteren Ende die Pasta-Party. Man kann bar zahlen oder seine Vorausbuchung vorlegen. Dafür hätte man am “Special Offer”-Stand beim Eingang einen Gutschein bekommen. Also noch mal zurück auf „Los“.  Der Stand ist relativ klein, anscheinend werden die Zusatzangebote nicht gut angenommen. Die Nudeln samt Getränk und französischer Banane aus Guadeloupe oder Martinique kosten acht Euro und sind damit günstiger als in den Lokalen der Stadt. Am Ausgang sind viele Marathonveranstalter mit Ständen vertreten. Am Stand aus Düsseldorf halten wir ein kleines Schwätzchen.

Den Samstag verbringen wir mit der Besichtigung verschiedener touristischer Highlights und sind natürlich viel zu lange auf den Beinen.  Meine Erkenntnis des Tages: Paris ist eine beeindruckende Stadt. Um das Wichtigste zu sehen, muss man sicher noch einmal vorbeikommen.


Der Marathon-Tag


Schon früh sind wir auf den Beinen. Unser Startblock soll um 9:15 Uhr auf die Strecke gehen und man weiß ja nie, wie voll die Metros so sind. Eine Fahrkarte hatten wir uns sicherheitshalber schon am Abend vorher gekauft. Da ist die Überraschung groß, dass die Bahn um kurz vor sieben schon im 5-Minuten-Takt fährt und noch ganz leer ist. Die Gepäckabgabe liegt in der Avenue Foch, wo sich auch das Ziel befindet. Am Eingang wird der Tascheninhalt kontrolliert. Die kleinen grünen Marathon-Beutel, die im Startpaket enthalten waren, sieht man selten. Meist werden größere Taschen abgegeben, sogar Reisekoffer rollen an.

Wunderschön ist der Sonnenaufgang hinter dem majestätischen Arc de Triomphe. Die Organisation zu dieser frühen Stunde scheint perfekt. Es gibt keine Wartezeiten und auch die Schlangen vor den Toilettenhäuschen sind noch kurz. Hat sich also gelohnt, etwas früher dran zu sein. Judith und ich vereinbaren noch einen Treffpunkt im Zielbereich.

Um den Kreisverkehr des Arc de Triomphe herum geht es Richtung Champs-Elysées. Die Startblöcke sind riesig. Zwei Vorturner auf einer Bühne animieren zum Mitmachen bei fetziger Musik – angesichts der kühlen Temperaturen gar keine schlechte Idee. Was viel weiter vorne abgeht, erfahren wir nur aus den Durchsagen. Der offizielle Startschuss für den Marathon fällt um 8:45 Uhr, betrifft aber erst mal die Elite. Die weniger schnellen Läufer gehen nach Leistungskategorien gestaffelt später auf die Strecke.

Der Startbereich ist nun in zwei parallele Hälften geteilt. Pünktlich um 9:15 Uhr geht es mit unserer Seite endlich los. Die andere Seite mit ihren Pacemakern startet, sobald unser Teilblock auf dem Weg ist. Auf der Pariser Prachtstraße ist wirklich viel Platz. Da können Hitzköpfe ungestört vorbei ziehen und zwar schnell, denn es herrscht ein leichtes Gefälle.

Und sofort geht es mit dem Sightseeing los. Rechts das Grand Palais. Für die Weltausstellung 1900 erbaut und heute für Wechselaustellungen benutzt, verwandelt es sich im Dezember in eine der größten Eishallen der Welt. Links wäre der Élysée-Palast, Sitz des französischen Staatspräsidenten an der von noblen Läden gesäumten Rue du Faubourg St. Honoré. Gegenüber dem Eingang ein Geschäft für Unterwäsche.
Gleich danach auf der Place de la Concorde, dem größten Platz der Stadt, steht der Obelisk von Luxor, den der französische König Louis Philippe Anfang des 19. Jahrhunderts vom ägyptischen Vizekönig geschenkt bekam.

Es geht auf die lange Rue de Rivoli. Hier wird es jetzt ganz monumental: Auf der rechten Seite der Louvre, der zusammen mit der Gartenanlage Jardin des Tuileries einst das Pariser Stadtschloss bildete. Der u-förmige Bau beherbergt heute das drittgrößte Museum der Welt. Besonderer Anziehungspunkt für Kunstfreunde aus nah und fern ist das Porträt der Mona Lisa von Leonardo da Vinci. Außer einer schier unerschöpflichen Gemäldesammlung findet man hier Objekte ägyptischer Kunst, Skulpturen, die Prunkgemächer Napoleons III und, und, und... Auch der relativ neue unterirdische Eingangsbereich mit Einkaufszentrum, umrahmt von den Grundmauern mittelalterlicher Gebäude, ist sehenswert. Noch ahne ich nicht, dass ich am Montag hier sieben Stunden verbringen werde...

Aber hier geht es ja erst mal um den Marathon. Oft lohnt sich auch der Blick nach links in die Seitenstraßen, um allerlei auffällige Bauwerke zu sehen. In der noch tief stehenden Sonne vor uns tauchen Gestalten über dem Laufweg auf. Die Pompiers (Feuerwehrleute) haben es sich auf einer Leiter in luftiger Höhe bequem gemacht und schauen uns zu. Bei einer weiteren Feuerwache erleben wir später das gleiche Schauspiel.

Der gotische Tour Saint Jacques erinnert mich an den Turm der Gedächtniskirche in Berlin. Die dazugehörige Kirche fehlt irgendwie.

Dann das Hôtel de Ville. Ich weiß inzwischen, dass das keine Unterkunft ist,  sondern das Rathaus.  An den nächsten Straßenzügen kommen wir durch ein Viertel mit vielen älteren Gebäuden und kleinen Gässchen. Sehr schön der Place de Vosges, 1612 unter König Heinrich IV als Place Royale eingeweiht und einer der ältesten und architektonisch harmonischsten Plätze der Stadt mit einer Grünanlage im Zentrum, die zum Verweilen einlädt.

Unser jetzt folgender “Sturm auf die Bastille” verläuft friedlicher als die gleichnamige Aktion, die am 14. Juli 1789 die Französische Revolution einleitete. Kurz danach wurde die kleine Festung dem Erdboden gleich gemacht. Ein Rest der Mauer findet sich noch in der Metro-Station. In der Mitte der Place de la Bastille eine Säule zur Erinnerung an die Julirevolution 1830. Im Fuß der Säule sind die Gebeine von 700 Revolutionären aufgebahrt, zugänglich nur über einen Kanal, der hier im Tunnel vorbei geht und auf dem man auch eine Bootsfahrt unternehmen kann. Außerdem verlaufen hier drei Metro-Linien samt Bahnhöfen.

An der Oberfläche geht es richtig rund: links die erste Verpflegungsstelle, drum herum Tausende von Zuschauern. Weiter geht es in Richtung Osten durch die Stadt. Am Place Félix-Éboué ein Brunnen mit riesigen Bronzelöwen. In der Avenue Daumesnil geht es an einem Straßenmarkt vorbei. Viele verzweifelte Menschen werden durch den Strom der Marathonis am Überqueren der Straße gehindert. Einigen auf dem Mittelstreifen Gestrandeten rufe ich zu: „Haltet durch, in einer Stunde ist es vorbei“.

Spätestens jetzt muss ich die Sprache auf Mickey Maus bringen. Bekanntermaßen treibt sie sich im nahegelegenen Disneyland herum. Sieht man nun einen Schatten von Mickeys Kopf, so erkenne ich darin die Stadtgrenzen von Paris: Eine runder Kopf mit zwei großen Ohren. Der „Kopf“ von Paris wurde ursprünglich von einer 35 km langen Befestigungsanlage umgeben. Die sollte später zu einem Grüngürtel werden. Man entschloss sich dann aber in den 1970er Jahren zum Bau des Boulevard Périférique, einer pro Richtung bis zu fünfspurigen Straße um die Stadt. Die zwei Ohren der Maus symbolisieren nach meiner Meinung die Parkanlagen Bois de Vincennes im Osten und Bois de Boulogne im Westen. Und an der Porte Dorée laufen wir über den Périférique in den Bois de Vincennes.

Gleich zu Anfang links der Zoo von Paris. Leider sieht und riecht man die Tiere nicht. Dafür gibt es einen künstlichen Felsen, zu dessen Fuß der zweite Verpflegungspunkt liegt. Danilo in seinem grünen Hemd stupst mich beim Überholen leicht an. Neben ihm Jorge im gleichen Hemd. Judith übersetzt Danilos Hemdaufdruck: „Bouge ton cul!“ - „Bewege deinen Hintern“. Bei Jorge steht – in etwas eigenwilligem Französisch - zu lesen „Sor tois les doigts de cul“. Übersetze ich hier nicht, das müsst ihr selber herausfinden.

Schon aus der Ferne fällt der markante Wohnturm des Château de Vincennes auf. Es ist neben Versailles und dem Louvre eine der bedeutendsten Schlossanlagen Frankreichs. Dank Metro-Anschluss haben sich hier unglaubliche Zuschauermassen versammelt. Durch deren enges Spalier geht es weiter voran. Auf einmal viel Geschrei hinter mir: Pace-Maker und ihr Gefolge bahnen sich ziemlich rabiat den Weg durch die Engstelle. Ich weiß nicht, wie oft ich getreten werde. Ihr solltet mich mal fluchen hören. Die paar Meter, bis die Straße wieder frei ist, hätten sie auch langsamer angehen können. Das passiert mir später noch einmal, ansonsten ist aber auf den breiten Straßen trotz der hohen Teilnehmerzahl ein vollkommen stressfreies Laufen möglich.

Marion aus Deutschland spricht mich an. Sie freut sich immer über die Berichte auf Marathon4you und versucht heute, so um die vier Stunden zu laufen. Ich muss jetzt aber Judith suchen, die mir im Gedränge abhandengekommen ist. Ich warte eine Minute und vermute dann, dass sie weiter vorne sein muss. Wann gibt es endlich Sportuhren, die mir anzeigen, wo meine Laufkolleg(inn)en sich gerade befinden oder die meinen Begleitern online ins Internet melden, wo ich gerade laufe? Ich will dafür nicht auch noch ein Smartphone mitschleppen.

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