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Laufberichte

Wer schnell kann, darf hoch hinaus

02.10.11

Heute hat er eine komische Überschrift gewählt, werdet Ihr sagen. Die Auflösung kommt bestimmt.

Jedes Jahr verbringe ich im Spätsommer eine Woche in den Bergen. Heuer belaufen wir die Strecke von Oberstdorf in die Silvretta. Es gibt Parallelen zwischen diesem Bergabenteuer und dem Dreiländermarathon, wo auch die Bayerischen, Österreichischen und Vorarlberger Meisterschaften stattfinden. Einmal muss auch ich schnell! Seid gespannt.

Dreiländermarathon, da kannst du die drei Länder Deutschland, Österreich und Schweiz belaufen. Ich kenne keine andere Strecke, wo dies möglich ist. Lasse mich aber ansonsten gerne belehren. Start ist in Lindau am Hafen, man läuft nach Bregenz, wo es durch die Seebühne geht und dann durch viele kleine Gemeinden am Bodensee. Die Schweiz wird mit der Stadt St. Margrethen tangiert. Das Ziel ist schließlich das Casinostadion in Bregenz.

Unsere Anreise geht über Augsburg und die Autobahn 94. Die ist mittlerweile seit zwei Jahren fertig. Am heutigen Tag vor dem Rennen nervt eine Baustelle mit einspuriger Verkehrsführung kurz vor Lindau. Aber aufreibender ist die Anreise aus dem Norden. So brauchen Läufer aus Düsseldorf zwölf Stunden für rund 600 Kilometer. Einquartiert habe ich mich mit Vereinskollegin Petra in der Jugendherberge in Lindau. Vorteilhaft ist die Lage, denn Bahnhof, Start (am Hafen) und Messe (Inselhalle, auf der Insel) sind innerhalb zehn Minuten Fußmarsch schnell zu erreichen.

Was kann denn der Sportler denn da alles unternehmen? Nun, neben dem Marathonlauf, der zugleich als Meisterschaft der Bayern, Österreicher und Vorarlberger ausgeschrieben ist, ist ein Rennen über Halb- und Viertelmarathon möglich. Ein Staffelbewerb über die klassische Distanz und ein Walking Bewerb beschließen die Aktionen am Sonntag. Tags zuvor gehen in Bregenz rund 3000 Kinder auf ihre Strecke. Damit wird eine Gesamtzahl von 10000 Sportlern überschritten.

Nach dem Einchecken in der Jugendherberge steuern wir unser erstes Ziel an, die Inselhalle. Dort befinden sich die Startnummernausgabe sowie eine kleine Marathonmesse, wo die neuesten Trends präsentiert werden. Der eine oder andere wird sich noch ein Schnäppchen sichern.

Bruno Lafranchi, der für den Zürcher Marathon ausstellt, erzählt mir eine Posse, wonach eine Musikgruppe beim Zürich-Marathon einen Verstärker eingesetzt hat und er deswegen einen Frankenbetrag in dreistelliger Höhe hat blechen müssen. Wahlweise hätte er die Strafe auch an zwei Tagen im Cafe Viereck absitzen können. Da wiehert der Amtsschimmel.

Die Startunterlagen für die Meisterschaftsläufer werden an einem eigenen Stand ausgehändigt. Eine gute Idee, die Startnummern der Meisterschaftsläufer zu kennzeichnen. Während Austria mit rot-weiß-rotem Hintergrund daherkommt, san mir wia unser Himmi, weiß und blau

Und warum der Dreiländermarathon als Veranstalter genommen wurde, das habe auch ich teilweise verbrochen. Lindau liegt am südwestlichen Ende von Bayern und bietet sich daher nicht unbedingt aus Lagegründen an. Aber die Funktionäre des BLV, Willi Wahl und Hans-Peter Schneider, haben mich im Sommer 2010 dazu gefragt. Ich habe das als eine gute Wahl empfunden und auch gleich unser Portal als Beweisgründen vorgeschlagen. So konnten daher gleich die eingestellten Berichte und Fotos ausgewertet werden. Nur, ich sollte das bis zur Vergabe nicht weiter verbreiten.

Wir verlassen die Inselhalle und marschieren quer durch die Insel zur Nudelparty. Für große Augen bei den Touristen sorgt das historische alte Rathaus, das 1422 im gotischen Stil erbaut wurde. Die angebrachte Malerei zeigt die Lindauer Geschichte. Im gotischen Ratsaal wurde 1496/1497 der von Maximilian I einberufene Reichstag abgehalten. Die Moderne ist heute auch eingekehrt, denn den ganzen Tag referieren Sportexperten im alten Rathaus im Rahmen des Gesundheits-Symposiums.

Die Pastaparty auf der MS Vorarlberg bietet nicht nur mir die Gelegenheit, die Kohlehydratspeicher aufzufüllen. Zwei Sorten von Nudeln und mehrere Saucen stehen zur Auswahl bereit. Interessant ist, wie die Kapitäne mit ihren Schiffen hier im Hafen manövrieren müssen, um die Lücke zwischen Leuchtturm  und  Bayerischen Löwe (von 1856) zu erwischen.

Wer noch geistlichen Beistand braucht, der kann sich den am Samstagabend in der Nähe der Inselhalle holen. Dauer 42 Minuten und 195 Sekunden, sagt eine Infotafel.

Am Wettkampftag sind wir zeitig im Hafengelände, wo schon Radio Vorarlberg lautstark mit Musik die Sportler und Angehörigen anheizt. Wer von Bregenz herüberkommt, kann neben den Zug (Hauptbahnhof Lindau direkt neben dem Hafen) auch die Schiffsverbindung von Bregenz gratis nutzen.

Die Kleider-Lkw‘s stehen auf dem Reichsplatz, Platzangst darf man da beim Zugang nicht haben. Umkleiden ist auf einem eigens dafür vorgesehenen Schiff möglich, Getränke werden noch ausgeschenkt und am Info-Point werden noch die letzten Fragen gelöst. Ein Hotelier an der Seepromenade sperrt seinen Eingang für die Läufer ab, als sich vor den dortigen Toilettenanlagen eine zehn Meter lange Schlange gebildet hat.

Wir geben unsere Kleider ab und laufen uns im Bahnhofsbereich ein. Dabei fallen meiner Begleitung noch drei Mädels in Dirndln auf. „Die gehen bestimmt aufs Oktoberfest,“ werden die drei angesprochen. Die antworten recht reaktionsschnell: „Und ihr lauft gscheit!“

Es gibt fünf Startblöcke, wobei die Meisterschaftsteilnehmer in den ersten dürfen. Aber auch hier gilt, dass die nicht mehr so schnellen sich das Rennen gut einteilen sollen. Mitschwimmen mit dem Feld könnte sich später bitter rächen, wer einer „Overpace“ erliegt. Wer sich einem Pacemaker anschließen will, auch da ist gesorgt. Zeiten von 3.30, 3.45 und 3.59 Stunden werden bedient.

Mit Bildern während des Rennens kann ich heut nicht dienen, denn ein-, zweimal im Jahr will ich richtig schnell unterwegs sein. Die drei Stunden sind wohl ein Ziel geworden, das ich nur mehr mit richtiger Vorbereitung vielleicht packen könnte. Heute will ich die erste Hälfte knapp über 1,5 Stunden angehen. Und dann werde ich sehen -  wenn das Wetter mitspielt. Gestern lag noch über den Bodensee eine Hochnebeldecke, heute reißt es pünktlich zum Start auf. Es könnte ein Wärmerennen werden.

Die Startzeit, 11.11 Uhr, könnte auf den auch heute stattfindenden Köln Marathon hindeuten. Einer meiner Kollegen wird da sicher auch unterwegs sein. Nach den Grußwort von Petra Seidl, der Oberbürgermeisterin von Lindau, und dem Herunterzählen der letzten Sekunden werden wir mit einem Schuss aus der Startpistole auf die Strecke gelassen. Bahnhofsplatz und Zeppelinstraße sind die ersten Anlaufziele auf der Insel. Der Diebs- oder Malefizturm (1370 erbaut) zieht unsere ersten Blicke an. Die finsteren Gesellen wurden hier früher eingesperrt.

Nach fünf, sechs Minuten Rennerei verlassen wir die historische Altstadt auf der Seebrücke. Am folgenden Kreisverkehr lese ich „Isle of Running“. Rund 7000 Sportler sind vor, neben oder hinter mir.

Jetzt wird es Zeit, Euch die Parallele zu unserem Bergurlaub zu erklären. Als die Tour zu Ende war und ich im Anschluss einen Blick auf die Homepage des Veranstalters warf, entdeckte ich, dass die Siegerinnen und Sieger der drei Meisterschaften, also insgesamt sechs Personen, mit einer Seilschaft auf den höchsten Berg Vorarlbergs (Piz Buin) geführt werden. Unser Highlight in dieser Woche führte auch auf den Piz Buin mit 3312 Meter Höhe. Die Begehung des Berges sorgte nicht nur für ein Abenteuer, sondern es musste in Begleitung eines Bergführers ein Gletscher überwunden werden.

Donnerstag. Heute soll es losgehen auf den Piz Buin, der mit 3312 Meter der höchste Berg in Vorarlberg ist. Aufstehen in der Wiesbadener Hütte um 06.00 Uhr. Frühstück 30 Minuten später. Abmarsch gegen 07.30 Uhr. Beim Frühstück scheinen Silvrettahorn und Signalhorn zu brennen. Das erste Sonnenlicht lässt die beiden Berge leuchten. Bei der „Befehlsausgabe“ wird der Weg zum Piz Buin beschrieben. Über einen markierten Moränensteig geht es zur Grünen Kuppe (2579 Meter). Da kurz bergab, wo dann am Ochsentaler Gletscher die Steigeisen angelegt werden. Unterhalb des Silvrettahorn wird der Gletscherbruch umgangen, da natürlich steil bergauf. Oben am Gletscher geht es dann zwar weit, aber gemütlich zur Buinlücke (3056 Meter). Dort werden wir Rucksäcke, Steigeisen und Stecken zurücklassen. Der Gipfelsturm ist mit 45 bis 60 Minuten veranschlagt, wobei im ersten und letzten Drittel ein Weg vorhanden ist. In der Mitte muss man dann zum Vorankommen schon mal die Hände einsetzen.

Bei Kilometer fünf überlaufen wir die Zeitmessmatten. Kilometersplits soll es alle fünf Kilometer geben. Da wird jede Schwächeperiode aufs Tablett kommen. An der V-Stelle werden Wasser, Tee und Iso gereicht. Es wird eifrig zugegriffen. Ich nutze jeden Schatten aus, da die Sonne kräftig einheizt.

Unser Kurs verläuft zwischen der Eisenbahnlinie und dem Bodenseeufer an der sogenannten Pipeline. Hin und wieder kommt ein Zug herangefahren. Die Grenze zu Österreich überschreiten wir etwa bei Kilometer 5,5. Lochau mit etwa 5500 Einwohnern ist die erste österreichische Gemeinde. Der Radweg ist breit genug, für Überholmanöver ist genug Platz. Immer sehe ich Zuschauernester, die uns begeistert anfeuern.

Bregenz, Kilometer neun: Brigantinum nannte der Römer diese Stadt, die heute rund 27000 Einwohner hat. Neben der Nahrungs- und Genussmittelindustrie ist auch der Tourismus ein wichtiges Standbein. Meine Renngestaltung scheint zu passen. Ich fühle mich gut und kann immer wieder den einen oder anderen überholen. Bei Kilometer zehn erhalten wir nicht nur Verpflegung, sondern auch eine musikalische Gabe für die Ohren.

Kurz danach das erste Highlight: Die Seebühne, die rund 7000 Zuschauern Platz bietet. Für die Oper „André Chénier“ von Umberto Giordano können heute schon Karten für die Saison 2012 bestellt werden. So schnell, wie wir die Seebühne betreten, so schnell sind wir wieder draußen. Aber ein Genuss ist das schon.

Weiter führt uns die Strecke am Strandweg hinter dem Casino Stadion vorbei, wo schon die ersten Viertelmarathonis angekündigt werden. Kurz nach Kilometerschild elf biegen diese links ab. Für das Gros der Halben und Marthonis heißt es „geradeaus weiter“. Die nächsten zwei, drei Kilometer führen uns durch ein Naturschutzgebiet. „Neu Amerika“ wird das Gelände an der Mündung der Bregenzer Ach in den Bodensee genannt.

Wir kommen durch das Moränengelände gut voran. Die zweite und konditionell etwas schwächere Gruppe folgt im Abstand. Aufpassen muss man beim Überqueren der Gletscherbäche. Dann sind wir für einen Augenblick am richtigen Ort zur richtigen Zeit, denn genau auf der Spitze des Silvrettahorn steht der Vollmond. Wie wenn da jemand eine riesige Kugellampe angeknipst hätte. Nach einer guten halben Stunde geht es über die Grüne Kuppe, die wahrscheinlich aufgrund des wenig grünlichen Bewuchses den Namen hat. Der Ochsentaler Gletscher ist schon bedrohlich nahe gekommen.

Wir überqueren die Bregenzer Ach und in dem folgenden Waldstück trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Halben links,  wir rechts. Kilometerschild 15 folgt nach wenigen Metern. Bei Kilometer 16 werden die fehlenden Meter auf einem kurzen Wendepunktstück (etwa 200 Meter lang) eingefügt.

Hard: Die erste Ortschaft, die bereits im 13. Jahrhundert urkundlich genannt wurde, zählt heute rund 12000 Einwohner. Wir belaufen die Hafenstraße und später die Uferstraße. Der Bodensee ist meist zu sehen. Belebt ist nach Kilometer 17 die Wechselstelle der Staffeln. In den Wohngegenden stehen immer wieder Zuschauer an der Stracke beobachten und sparen nicht mit Applaus. Es ist wirklich sehr kurzweilig, da sich die Umgebung laufend ändert.

Eine knappe Stunde sind wir unterwegs, da betreten wir den Gletscher. Ein kurzes Wegstück können wir noch ohne Steigeisen laufen, aber dann muss die Gletscherausrüstung angelegt werden. Stefan, unser Bergführer, bereitet das Seil vor. Im Abstand von zehn Metern macht er eine Schleife, die dann im Karabiner eingeklickt werden muss. Außerdem heißt es „Gehirnschüssel“ aufsetzen. Dann laufen wir los. Nach einem Weilchen hat dann jeder herausgefunden, wie straff das Seil gespannt werden muss. Einerseits soll keiner mit seinen Eisen draufsteigen, noch soll der Vordermann bei einem großen Schritt über einem Loch verhungern.

Kurz vor Kilometer 20 überqueren wir den Rhein. Die Brücke ist für den Autoverkehr komplett gesperrt. In Fußach, der nächsten Ortschaft ist Halbzeit. An der Uhr der Pfarrkirche des Hl. Nikolaus rechne ich mir meine Halbmarathonzeit aus. Etwa 1.32 Stunden, das ist eine gute Ausgangslage für eine gute Zeit, zumal ich deutlich mehr Läufer überhole als Läufer von hinten kommen. Meist sind die Überholenden Staffeln, die frische Kräfte im Einsatz haben.

Fußach zählt heute knapp 3000 Einwohner. Im 11. Jahrhundert war der Ort einer der wichtigsten Umschlagplätze für Waren in der Region. Fuhrleute und Schiffsleute hatten ihr Auskommen bei den verschiedenen Grafen und Klöstern. Ein berühmter Gast in der Vergangenheit war Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe, der auf dem Rückweg seiner ersten Italienreise hier 1788 nächtigte. Der war ein richtiger Weltbürger.

Das Sprichwort „Reisen bildet“ traf nicht nur für Goethe zu, sondern auch für uns, denn unsere Reise führt mit Kilometer 24 nach Höchst, für uns der vorerst letzte österreichische Ort. Durch die spezielle Lage und der Nähe reguliert der Bodensee das Klima und wirkt ausgleichend. Apropos Klima: Die Sonne scheint „milchiger“. Dunst, oder sind es erste leichte Nebelbänke,  die Sonneneinstrahlung ist gedämpft, was mir nicht ungelegen kommt.

Links von uns ist jetzt der Gletscherbruch. Von der Wiesbadener Hütte schien die Stelle fast unüberwindbar zu sein, doch hier vor Ort ist der Gletscher zwar stark abschüssig, doch begehbar. Aber die Steinschlaggefahr am Gletscherrand ist nicht unerheblich. Immer wieder sind Spalten zu umgehen. Linkerhand schaut der Gletscher aufgrund der Seracs furchterregend aus.

Kilometer 25: Kurz zuvor überqueren wir den Alten Rhein. Der bildet die Grenze zu den Eidgenossen. Der Übergang ist für den Verkehr geschlossen, die Zöllner haben sich verzogen. St. Margrethen, auch das östliche Tor der Schweiz genannt, zählt heute knapp 6000 Einwohner.

Irgendwann in der Zukunft wird der Verkehr nämlich schneller rollen. Dann, wenn die Bahn zwischen Zürich und München mithilfe Millionen Schweizer Franken elektrifiziert wird. Außer der Wechselkurs schiebt die vorliegenden Pläne in der Schublade weiter nach hinten.

Kurz nach dem Grenzübergang laufen uns zwei Einheimische mit Trockenobst nach und reichen die Sachen zu. In der Parkstraße herrscht Volksfeststimmung mit Musik. Die Staffeln bringen wieder neue Leute ins Rennen.

Unser Kurs führt nun in das Einkaufszentrum Rheinpark, wo wir auf einer Runde Höhe gewinnen. Bei Kilometer 28 überlaufen wir abermals den Alten Rhein und sind dann nach wenigen Metern wieder in Austria.

Nach einer Stunde liegt der gröbste Anstieg auf dem Ochsentaler Gletscher hinter uns. Stefan hängt uns ab, weist jedoch darauf hin, nicht großartig rumzuturnen und auf keine Schneebrücke zu laufen. Während wir die kurze Pause für einen Trank aus der Flasche nutzen, eilt Stefan an den Rand des Gefälles, um festzustellen, wie die zweite Gruppe vorankommt.

Nach 20 Minuten ist Stefan zurück und wir laufen auf dem Eis weiter, wesentlich flacher wie bisher. Aber immer wieder sind Spalten zu überwinden, auch wenn diese nicht mehr so häufig vorhanden sind. Wir laufen eine halbe Stunde, dann kommt die Buinlücke immer näher. Die liegt genau zwischen Großen und Kleinem Piz Buin. Kurz vor der Lücke sind die letzten Spalten, wahre Elefantenlöcher. Da würden ganze Häuser reinpassen.

Das nächste Stück entlang des Hochwasserdeiches am linken Rheinufer ist eintönig und schon fast ein Willensbrecher, da der Wind, zwar nicht stark, aber doch spürbar von vorne kommt. Der Hochnebel hat mittlerweile der Sonne das Kommando abgenommen. Wer keine Bewegung hat, könnte in hemdsärmeligen Zustand fast frieren. Einer mit gelbem Trikot hockt hinter einem Gebüsch und lässt seiner Verdauung freie Bahn. Dann ist der Druck raus und es läuft sich bedeutend leichter.

Wir überqueren abermals den Rhein und sehen das Ende des Marathonfeldes. Ha, immerhin haben wir mehr als zwölf Kilometer schon mehr auf dem Kilometerzähler. Noch zehn. Ortsfremder Geruch an einer Kläranlage. Erst jetzt rieche ich das, was mir auf dem Hinweg gar nicht aufgefallen ist. Abschmecker könnten da mal ihrer Arbeit nachgehen. Schnell weiter. Die nächsten Kilometer führen wieder durch das Wohngebiet von Hard.

Nach wenigen Minuten erreichen wir die Buinlücke auf 3054 Meter Höhe. Der nun aufliegende Schnee hat sich gut begehen lassen. Eine mühsame Firnwanderschinderei ist uns erspart geblieben. Wer sich den Gipfel nicht zutrauen sollte oder der keine Kraft mehr hat, für den besteht die Möglichkeit zu warten. Die kurze Pause wird eifrig für eine Nahrungsaufnahme genutzt. Ja, auf der heutigen Tour muss sprichwörtlich aus dem Rucksack gelebt werden. Wer hier nach Süden schaut, hat einen weiten und tiefen Blick ins Toui-Tal, das zum Engadin (Schweiz) gehört. Das Seil wird verkürzt auf etwa fünf Meter, die Eisen und Stöcke werden deponiert und nach 15 Minuten geht es an die letzte Etappe. Es gibt überhaupt keinen Gedanken, ob jemand warten will. Jeder will am Gipfel auf 3312 Meer Höhe stehen, verständlich. Das erste Stück, fast ein Weg, kann ohne große Schwierigkeiten überwunden werden. Doch aufgrund der Steilheit des Geländes und der mitunter labil liegenden Steinbrocken sollte man sich überlegen, wohin man tritt. Kein Gestein lostreten, das ist die Devise.

Kurz nach Kilometer 37 überquere ich die Bregenzer Ach. Mittlerweile kann ich den einen oder anderen einsammeln. Lustig und spaßig ist das Rennen schon lange nicht mehr. Hätte ich doch bei dem Zuschauer zugegriffen, der am Rheindamm sein Dosenbier angeboten hat. Langsam reicht es auch mir. Das Feld hat sich jetzt gehörig auseinandergezogen. Einzelne Läufer werden angesprochen. Aber keiner geht mit mir mit. Es ist halt so grausam beim Marathon auf den letzten Kilometern. Wenn du auf volle Kanne läufst und jemand kommt von hinten, da kannst du dich vielleicht ein kurzes Stück dranhängen. Umgekehrt ist es natürlich auch so. Nur wenn du mehr Läufer schnappen kannst, dann macht das noch ein wenig Spass.

Kilometer 40: Kurz vorher biegt der mit dem gelben Trikot nochmals von unserm Kurs ab, im Weiterlaufen bückend einen Büschel Gras ausreißend. Nochmals Boxenstopp?

Der Weg zur Stille? Unser Kurs verläuft durch das Kloster Mehrerau. Im Jahr 1097 erfolgte der Bau der Klosterkirche St. Petrus und St. Paulus. Heute finden wir hier ein Sanatorium und das Collegium Bernardi, ein Gymnasium mit Internat. Das Kloster ist auch in der Holz- und Landwirtschaft tätig. Einige Streuobstwiesen sehe ich. Äpfel- und Birnbäume haben jetzt eine schwere Last zu tragen.

Kurz vor dem Kletterstück, wo auch ein kleiner Kamin wartet, bietet sich ein spektakulärer Ausblick auf die Gletscher nördlich von unserem Standpunkt. Die Kletterstelle ist ein wenig heikler Punkt, doch mit Unterstützung des Vorder- und Hintermannes kommen wir über dieses Hindernis hinweg. Unser Bergführer wartet oben, um eventuell Hilfestellung zu geben. Die Wegverhältnisse bessern sich wieder, wo wir nach einem kurzen Steilstück den Piz Linard (3411 Meter) sehen. Der ist der höchste Berg der Silvretta und liegt vollständig auf Schweizer Gebiet. Markant ist seine Pyramidenform. "Schaut mal links", ruft uns Stefan zu. "Das Gipfelkreuz". Gleich geschafft.

Wir verlassen das Kloster und schon ist der Moderator vom Casino-Stadion zu hören. Kilometer 41, der Typ mit dem gelben Trikot gibt nun Vollgas und verschwindet nach vorne. An den Besucherparkplätzen ziehe ich nun einen Endspurt an, der zumindest ein  kleiner Schritt schneller ist als bisher. Wir rennen um das Stadion herum und laufen dann hinein. Viele Zuschauer und Finisher stehen am Rand und klatschen. 200 Meter sind noch auf der Tartanbahn zurückzulegen, dann laufe ich unter dem Zielbanner durch. Willi Wahl und Hans-Peter Schneider beglückwünschen jeden Finisher mit Handschlag.

Dann stehen wir auf unserm Ziel der ganzen Wanderwoche, dem Piz Buin, der die höchste Erhebung des Landes Vorarlberg und die dritthöchste der Silvretta ist. Der Name kommt aus dem Rätoromanischen und bedeutet Ochsenspitze. Ja, a Ochs musst schon sein, diesen Anstieg auszuhalten. Für Touren in den hochalpinen Bereich gilt: Zweckmäßige Ausrüstung und Kenntnisse am Berg müssen vorhanden sein. Und wenn es über Gletscher, in entsprechende Höhen und in unbekanntes Gelände gehen soll, dann vertraut Euch Bergführern an. 

Ich hole anschließend sofort meinen Rucksack, meine Kamera und begebe mich fotografierend wieder in den Zielbereich. Da erhalten wir Iso, Cola, Riegel und nicht nur mein Lieblingsgetränk, ein alk-freies Weizen. Gerade rechtzeitig, denn Petra kommt mit einer saustarken Zeit von 3.39.03 Stunden herein. Bei mir dauerte die Quälerei 3.11.28 Stunden. Das nächste Rennen ist wieder gemütlich, so mein Plan.

Ach ja, den Gewinnern der Meisterschaften, den drei Damen und drei Herren, wünsche ich viel Spass am Piz Buin. Die Plagerei beim Marathonlaufen ist härter. Vielleicht dürft ihr euch noch in eine Gletscherspalte abseilen wie wir vor wenigen Tagen.

Gesamtsieger Marathon
Männer

1 Kipchumba, Marko (KEN) 02:11:18
2 KURUI, Joshua (KEN) 02:16:00
3 ROTICH, Elisha Kipchirchir (KEN) 02:23:16

Frauen

1 Pumper, Susanne (AUT) LCC Wien 02:38:21 (später disqualifiziert)
2 Reiner, Sabine (AUT) hellblau.POWERTEAM 02:43:09 (später zur Siegerin erklärt)
3 TRAMOY, Sylvie (AUT) LC VILLACH 02:50:43

Österreichische Staatsmeisterschaft Marathon
Männer

1 Hohenwarter, Markus (AUT) LC VILLACH 02:25:12
2 Rudigier, Dietmar (AUT) LG Decker Itter 02:29:02
3 Aumayr, Karl (AUT) CLUB LaufImPuls Salzburg 02:30:52

Frauen

1 Pumper, Susanne (AUT) LCC Wien 02:38:21 (später disqualifiziert)
2 Reiner, Sabine (AUT) hellblau.POWERTEAM 02:43:09 (später zur Siegerin erklärt)
3 TRAMOY, Sylvie (AUT) LC VILLACH 02:50:43


Bayerische Marathon-Meisterschaften
Männer

1 Janker, Andreas (GER) LG Röthenbach/Pegnitz
2 Mannweiler, Klaus (GER) LG Team Isartal
3 Huber, Winfried (GER) LG Stadtwerke München

Frauen

1 Steg, Kerstin (GER) LAC Quelle Fürth
2 Mayer-Tancic, Ulrike (GER) LG TELIS FINANZ Regensburg
3 Bittel, Silke (GER) LAC Quelle Fürth

 

1412 Finisher

 

Informationen: Sparkasse 3-Länder-Marathon
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