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Laufberichte

Alle lassen es sich gut gehen

16.06.18 Ahrathon
 

Als ich vom  Ahrathon zum ersten Nal gehört habe, träumte ich von einem beschaulichen Flüsschen, netten Dörfern und Weinbergen, von einem richtig idyllischen Lauf eben. Bestätigt wurden diese Bilder bei unserer Ankunft in Bad Neuenahr am Vortag des Laufs. Inmitten von Weinbergen, eingebettet in weite Parklandschaften liegen gründerzeitliche Wohnviertel, eine schöne Fußgängerzone, pittoreske Kirchen, die repräsentative Spielbank und die prachtvolle Therme. Mittendrin fließt die Ahr, die Ufer sind mit Fußgängerbrücken verbunden.

Startnummern erhält man im Dorint Hotel, welches praktischerweise auch das Kongresszentrum ist. Zur gut gefüllten Startertasche gibt es eine Flasche Ahrwein, wenn man rechtzeitig dran ist, sogar zur Auswahl. Alles macht einen gediegenen, beschaulichen Eindruck. Stutzig werde ich, als ich die Startreihenfolge studiere: 9 Uhr Marathon, 9 Uhr 10 erster Halbmarathonstart, 9Uhr 25 Kostüm Halbmarathon.  Dann gibt es Nordic Walking mit Zeitmessung und dann für Genießer? Mir schwant schlimmes.

Beim Thema Verpflegung bin ich dann endgültig im Bilde: „An der Halbmarathonstrecke wird es 7 Verpflegungspunkte geben, auf der Marathonstrecke 14. Jeweils ein renommiertes Weingut, bzw. eine renommierte Winzergenossenschaft wird dort die Läufer und Gäste mit Getränken versorgen. Dazu gibt es auch in 2018 jeweils ein Unternehmen, das regionale Speisen als Fingerfood für die Läufer anbietet. Diese Betriebe versorgen auch die Schaulustigen und Gäste mit Gaumenfreuden.“

Es handelt sich also eher um ein Funrun, oder wie man hier sagt, um einen „Erlebnismarathon“. Nach den Strapazen des Comrades wird das eine nette Abwechslung.  Ich bin froh, dass Laura und ich nur für den Halbmarathon angemeldet sind. Norbert läuft die Runde zweimal für den doppelten Genuss oder das doppelte Erlebnis.

 

 

Pünktlich für den Start des Marathons wird auf dem Gelände rund um das Dorint Hotel eine Menge geboten. Verschiedene Mitmachangebote vor allem für Kinder lassen auch bei den Begleitern keine Langeweile aufkommen. Der Dahliengarten steht in voller Blüte, und bildet ein entzückendes Beiwerk. Klaus Klein wird vom Marathon berichten. Hoffentlich machen wir nicht dieselben Fotos.

So um die 150 Marathonis werden pünktlich um 9 Uhr auf die Strecke geschickt. Laura und ich werden erst um 10 Uhr 5 starten und hätten eigentlich Muße. Aber es gibt so viel zu sehen, dass wir glatt den ersten Halbmarathonstart für die Schnellen verpassen. Erst als die vielen Läufer des Kostümlaufs aufgerufen werden, sind wir auf dem Posten. Viele Gruppen stellen sich hinter das Startbanner, sie werden den Lauf gemeinsam genießen und auch wieder als Gruppe ins Ziel laufen. Dadurch werden die kreativen Verkleidungen  erst richtig in Szene gesetzt. Für Zuschauer und Mitläufer ist das besonders witzig.

Die vielen Startgruppen verhindern, dass es auf dem engen Radweg an der Ahr entlang zu größeren Stauungen kommt. In unserem Startblock ist eigentlich alles wie immer, fröhliche Vorstartatmosphäre, es wird heruntergezählt, und los geht es. Laura und ich starten vom hinteren Drittel aus. Das Tempo ist gemäßigt. Nach dem ersten Anrollen machen wir uns langsam daran, größere Gruppen zu überholen.

Die Stimmung im Feld ist ausgelassen, keiner hat es eilig. In der ersten Unterführung wird die Akustik geprüft, ein kleiner Scherz aus Kindertagen, es funktioniert. Die Ahr fließt rechter Hand und scheint reichlich Wasser zu führen. Sie ist insgesamt 85 km lang, entspringt in Nordrhein Westfalen, interessanterweise im Keller eines Fachwerkhauses in Blankenheim und mündet bei Sinzig (Rheinland Pfalz) in den Rhein.

Während im oberen Ahrtal das kleine Bächlein durch hügeliges Wiesenland plätschert, formt die Ahr in ihrem Mittellauf Schroffe Einschnitte mit vielen Schleifen, um dann hier im unteren Teil zwischen weiten Rebhängen entlang zu fließen. 1969 entschlossen sich die Städte Bad Neuenahr und Ahrweiler sowie noch 4 angrenzende Gemeinden zu fusionieren. Es entstand die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Wir sind ungefähr 1,5 km gelaufen, als wir auf einer Brücke die Ahr überqueren. Pfeile auf dem Boden zeigen, dass hier Läufer in Gegenrichtung zu erwarten sind. Bald kommt auch schon ein Marathoni, zu erkennen an der roten Startnummer. Da er kein Führungsfahrrad dabei hat, ist es vermutlich nicht der Führende. Wir biegen rechts ab, am Friedhof vorbei. Das Fahrrad der führenden Marathonfrau kommt entgegen. Voller Hochachtung beglückwünschen wir die Läuferin, die uns in lockerem Schritt entgegenkommt.

Bevor wir die Stadtbefestigung mit dem Ahrtor vor Ahrweiler erreichen, biegen wir links ab. Polizei sichert unseren Überweg über die Straße. Es geht erneut an der Ahr entlang, diesmal fließt die Ahr links von uns und hinter einer hohen Hecke. Dafür haben wir einen tollen Blick auf das Ursulinenkloster Kalvarienberg mit Mädchenschule. Jetzt wird es eng, es geht durch eine lauschige Schrebergarten Kolonie.

 

 

Wir kommen in das Wohngebiet von Walporzheim, sind aber auch gleich wieder draußen und finden uns mitten in Weinreben wieder. Kloster Kalvarienberg liegt plötzlich ganz nah vor uns. Das ist aber eine optische Täuschung. Tatsächlich liegt (noch tiefer) die Ahr zwischen uns und dem imposanten Gebäude.

Wir streifen die ersten Häuser von Ahrweiler. Vor uns erheben sich die mächtigen Weinberge und bei genauem Hinsehen können wir auf halber Höhe die bunten Shirts der Läufer erkennen. Wir folgen  nun auf dem Gehweg der Walporzheimer Straße. Mit mächtigen Sätzen eilt der führende Marathonläufer Julien Jeandree so schnell vorbei, dass wir ihn nicht einmal anfeuern können. Hinter km 5 erreichen wir das Weingut Peter Kriechel. Laura und ich steuern auf den Tisch mit Wasser zu. Es ist mächtig heiß und wir können etwas zu trinken gebrauchen.

Auf einem langen Tisch rechter Hand gibt es Wraps mit Lachsfüllung. An einer breiten Tafel in der Mitte werden  Rot-  und Weißwein Cuvee kredenzt. Laura und ich entscheiden uns, der Witterung angepasst, für weiß. Er ist herrlich kühl und süffig. Auf dem großen Platz vor dem Weingut und zwischen den Tischen geht es bunt zu. Alle lassen es sich gut gehen.

Weiter geht es zunächst wieder die Straße entlang, dann durch eine Unterführung unter den Bahngleisen hindurch und dahinter den Weinberg hinauf. Der Anstieg ist recht lang und die hohen Weinbergmauern speichern die Wärme, so dass wir ganz schön ins Schwitzen kommen. Immer wieder drehen wir uns um, um die schöne Aussicht auf Ahrtal und Kalvarienkloster zu genießen. Irgendwann haben wir den östlichsten Punkt der Strecke erreicht, es geht immer noch bergauf.

Bald sind wir auf halber Höhe des Weinbergs angelangt und laufen nun relativ flach weiter. Der Weg folgt einem Taleinschnitt; hier thront das Hotel und Restaurant Hohenzrollern. Wir werden etwas unterhalb des villenartigen Komplexes mit live Musik empfangen. Es herrscht unglaubliches Gedränge, so dass wir es nicht bis vorne an die Ausgaben schaffen. Laura erwischt ein paar Erdbeeren. An einem Tischchen in der Mitte wird freundlich zu Olivenöl Verkostung eingeladen. Sehr lecker. Weil es sonst für uns scheinbar nichts gibt, laufen Laura und ich weiter.

Es geht bergab, hier ist der Hügel grün bewaldet, Serpentinen führen uns schnell nach unten. Scharf links müssen wir allerdings auch wieder hinauf. Im Anstieg überholen wir Jamaikaner mit ihrem legendären Bob „Cool Runnings“, der allerdings anstatt des originalen Viersitzers nur ein „Vierbeiner“ ist.

Oben angelangt, führt die Strecke erneut in Halbhöhenlage flach weiter. Die Gruppe der Mönche haben einen eigenen Dom dabei und machen Pause. Bei km 9 geht es wieder im Wald schön bergab, dann links den Berg wieder hinauf. Im Schatten und im froh gelaunten Läuferfeld ist der Anstieg kein Problem. Plötzlich kommt von hinten das Fahrrad der führenden Marathon Frau Kerstin Hötte. Sie joggt gemütlich an uns vorbei und hat noch Muße zum Plaudern. Oben, wir sind nun am höchsten Punkt der Strecke, wird es dann steinig. Trailartig führt der Weg bergab. Wir lassen es laufen.

Schon von weitem erkennen wir den nächsten Menschenauflauf. An der Winzerkapelle gibt es nun wieder manigfaltig Erfrischungen. Vorschriftsmäßig führt Lauras erster Weg zum Wasser und Iso, dort sind auch leckere Riegel vorhanden. Ich ergattere vegetarische Obst/Käsespieße und roten Wein. Die live Musik vom Duo Marc und Monty ist vom Feinsten, die Stimmung auf dem wunderbaren Aussichtsplateau gechillt. Ahrweiler liegt unter uns in der Sonne.

Nun geht es bis km 12 schön bergab, die Landschaft hat sich verändert. Während rechts noch Wein wächst, breiten sich links weite Kornfelder aus. Gerade ziehen dunkle Wolken auf, es ist nicht mehr ganz so warm, wir überholen den Weihnachtsmann.

 

 

Die Weinreben sind nun gänzlich verschwunden und zwischen Weizen und abgeblühtem Raps wird frischer Weißherbst ausgeschenkt. Ich probiere vom köstlichen Fingerfood, Laura bevorzugt die  wohlschmeckenden Riegel. Wir lauschen noch ein bisschen dem smarten Gitarrenduo, machen ein Foto mit Altkanzler Kohl und bemitleiden die erschöpfte männliche Barbiepuppe, die gerade ihre überdimensionale Pappschachtel zum Trocknen abgelegt hat.

Die nächste Steigung zieht sich etwas, oben passieren wir die riesige Brückenpfeiler Adenbachhut. Hier sollte 1910 einmal aus strategischen Gründen eine Eisenbahnbrücke entstehen. Das Projekt wurde nie ausgeführt, die mächtigen Pfeiler dienen nun als Spielplatz für mutige Kletterer.

Endlich geht es hinab.  Unten geht es ein Stück oberhalb von Straße und Bahnlinie entlang bis uns eine Brücke nach Ahrweiler überführt. Auf dem Marktplatz, vor der ehrwürdigen Laurentiuskirche herrscht Feststimmung. Laura und ich sind wieder beim Weißwein gelandet, Wackelpudding mit Gummibärchen mögen wir beide nicht. Wir reihen uns ein in die Gruppen der Feiernden. Es wird gesungen und getanzt. Das Duo „Sound Kitchen“ weiß, wie man die Menge zum Kochen bringt. Gerne würden wir hier bleiben, aber eine Dusche und frische Kleidung haben auch ihren Reiz. Es sind noch 4,5 km bis zum Ziel.

Durch winkelige Gassen werden wir aus dem mittelalterlichen Stadtkern hinaus gelotst. Hinter dem Stadttor vor dem Übergang über eine kleine Straße stehen die „Sportfreunde Ennepetal“ Spalier und machen LaOla-Wellen für die durch kommenden Läufer.

 

 

An der Wasserstelle bei km 19 unterwegs greifen Laura und ich noch jeder eine Birne. Die Passanten sparen nicht mit Applaus. So gelangen wir zügig ins Zentrum von Bad Neuenahr. Vor der neugotischen Martin Luther Kirche wird ein Brautpaar fotografiert. Helfer weisen uns nach rechts auf die Brücke der Kurgartenstrasse direkt auf das pompöse Hotel Steigenberger zu. Hier gibt es nochmal Wasser und Iso, dazu Schinken Croissants. Im lauschigen Kurparkt ist wenig los. Nur das Kneipwasserbecken ist von Läufern belegt. Wir verlassen den Park und gelangen in den Dahliengarten zum Ziel. Ein Sprecher beglückwünscht jeden Läufer aufs herzlichste, und das will etwas heißen, denn die Finisher kommen fast im Sekundentakt. Auch als wir viel später das Gelände verlassen, wird immer noch jeder Läufer begrüßt. Das nenne ich Ausdauer.

Der kleine Verpflegungstisch an der Strecke ist wohl eher für die durchkommenden Marathonis gedacht, trotzdem bekommt jeder Finisher auch Wasser, Iso und Obst. Es gibt natürlich eine Medaille, Bier, süße und salzige Häppchen und mit einem Bon an der Startnummer ein Glas Finisherwein, ausgelassene Feierlaune inclusive. Norbert hat sich Zeit gelassen und kommt mit persönlichem neuem „Marathonrekord“ ebenfalls gut gelaunt ins Ziel.

Fazit:

Der Ahrathon ist eine perfekt organisierte Veranstaltung, bei der wegen der vielen Streckenangebote jeder auf seine Kosten kommt. Ein landschaftlich reizvoller Kurs, aufgrund der Steigungen gerade beim Marathon durchaus anspruchsvoll, bietet sportliche Herausforderung. Wobei für ambitionierte Sportler die eine oder andere Passage schwierig werden könnte, trotz Rücksichtnahme ist es manchmal eng. Genießer kommen voll auf ihre Kosten, auch für Abstinenzler ist einiges geboten. Mit seiner außergewöhnlichen Atmosphäre wird der Ahrathon gerne der kleine Bruder des Medoc-Marathon genannt.

 

 

 

Informationen: Ahrathon
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