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Laufberichte

Diesmal nur der halbe Spaß

 

Nachtläufe gehören nicht gerade zu meiner Spezialität. Mir fehlt wohl dieser gewisse Instinkt in der Dunkelheit, um unfallfrei über die Strecke zu kommen. Beim Dämmermarathon in Mannheim mit Start um 19 Uhr wird es zwar erst auf der zweiten Hälfte dunkel, aber irgendwie habe ich dafür in diesem Jahr keine Lust. Warum also nicht einfach nur die Halbdistanz laufen? Für mich birgt das Anreiz genug. Laura, die über die Hochschule in den Genuss eines Freistarts kommt, ist sofort dabei. Norbert will natürlich den Marathon laufen.

Start und Ziel des Dämmer Marathons ist am 60 m hohen Wasserturm, dem Wahrzeichen der Stadt Mannheim. Drumherum liegt ein schön bepflanzter Park mit Brunnen. Heute ist Party angesagt, denn hier befinden sich die Zelte der großen Mannschaften und diverse Stände mit Fressalien.

Die Startunterlagen, Marathonmesse, Pasta Party, Massage und Gepäckabgabe befinden sich im Rosengarten, der gar kein Garten ist, sondern das Kongresszentrum von Mannheim. Die im Jugendstil aus dunkel roten Ziegeln gehaltene Fassade täuscht über deren Innenleben. Dahinter wurde 1974 ein moderner Neubau erstellt, wo sich auch Mozartsaal und Musensaal befinden, Spielstätte für das traditionsreiche Nationaltheater-Orchester der Musikalischen Akademie Mannheim oder für Gastspiele großer Sinfonieorchester aus aller Welt. 2006 wurde der Anbau erneut erweitert und Rolltreppen installiert.

Die Startunterlagen gibt’s im obersten Stock. In der Startertasche finden wir eine Faltflasche, Ohrhörer, einen Schwamm, Traubenzucker und den Hinweis, dass man aus Umweltschutzgründen auf gedrucktes Material verzichtet. Gutscheine und Flyer sind dafür im Internet in einer virtuellen Startertasche verfügbar. Eine gute Idee wie ich finde.

Wir machen uns zeitig auf in die Augustaanlage, wo man laut Ausschreibung bis spätestens 18 Uhr 30 im Startblock sein sollte. Diese ist eigentlich nur wenige Meter entfernt. Da auf der Straße vor dem Rosengarten allerdings gerade der Zieleinlauf des 10 km Laufs stattfindet, ist der Weg dorthin mit Menschenmassen zugestopft. Wir wenden uns deshalb nach links in die Seitenstraßen, um das Chaos zu umlaufen. Hier in der Tullastrasse gibt es Dixie Toiletten und etwas nach hinten versetzt befinden sich die Duschanlagen.

Die Augustaanlage ist eine der Hauptverkehrsachsen von Mannheim: eine vierspurige Straße durch eine breite Grünanlage in der Mitte geteilt. Die Startaufstellung auf der einen Fahrtrichtung ist noch leer, als wir dort ankommen. Die andere Fahrtrichtung ist später Laufstrecke und wird momentan zum Warmlaufen benutzt. Auch Laura und ich joggen bis zur Straßensperre hinunter. Hier befindet sich das 1 km Schild mit der Aufschrift „alla hopp“ als Anfeuerung für die Läufer. Dann ertönt der Startschuss für den Bike&Run Wettbewerb, bei dem sich 2 Läufer mit einem Fahrrad die 21 km Strecke teilen.

 

 

Während Norbert versucht in seinen Startblock weiter vorne zu kommen, stellen Laura und ich uns hinten an. Wir haben die Uhr im Blick, weil wir von den Ansagen an der Spitze so gut wie nichts verstehen. Kurz nach 19 Uhr muss wohl der Start erfolgt sein. Die wartenden Läufer werden Blockweise vor den Rosengarten geleitet. Wir sind noch lange nicht dran. Gespannt beobachten wir die andere Straßenseite. Bei uns bewegt sich noch nichts, als drüben das Führungsfahrzeug erscheint. Durch die Menschenmenge hindurch können wir kurze Blicke auf die Läufer werfen. Die Vorfreude wächst.

Während bei uns immer noch nichts passiert, ist auf der Gegenseite ganz schön was los. Der zweite und dritte Startblock mit großen Gruppen wird vom Publikum frenetisch angefeuert. Auch bei uns ist die Stimmung prächtig. Langsam könnte es aber auch losgehen. Plötzlich gibt es ein paar Reihen vor uns eine große Lücke. Wir dürfen aufrücken. Laute Musik und jubelndes Publikum empfängt uns unter dem Starttor vor dem Rosengarten und wir können auf der Videoleinwand die Führenden beobachten, die nun mittlerweile schon gut 12 Minuten unterwegs sind.

Gänsehautfeeling bei 25 °C. Endlich werden auch wir auf die Strecke geschickt.

Vom Publikum angefeuert laufen wir um den Wasserturm herum und am 1901 als Parkhotel erbauten „Maritim Hotel Mannheim“ vorbei. Kurz vor dem erneuten Erreichen der Augustaanlagen passieren wir das Starttor des 10 km Laufs. Wir biegen rechts in die Augustaanlagen ein.

Wo sich normalerweise bis zu 40 000 Autos in die Stadt oder raus quälen, stehen heute Zuschauer Spalier. Die anlässlich des 300. Stadtjubiläums 1907 entstandene Platanenallee wurde nach der Deutschen Kaiserin und Königin von Preußen, Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach benannt und führt seit 1920 bis zum Europaplatz mit dem Planetarium. Links liegt der Luisenpark, Mannheims größte Grünfläche mit dem Carl Benz Stadion des früheren Fussball-Bundesligisten SV Waldhof Mannheim.

Im Stadtteil Neuostheim geht es auf die Seckenheimer Landstraße und unter der Brücke eines Autobahnzubringers hindurch. Rechter Hand, durch langgezogene Gebäude verdeckt, liegt der City Airport Mannheim. Der seit 1926 bestehende kleine Flugplatz im Herzen des Rhein-Neckar Dreiecks wird immer wichtiger im Wettlauf der  Industriestandorte. 500 Beschäftigte sorgen dafür, dass vom Propellerflugzeug über Hubschrauber auch hochmoderne Business Jets für die Passagiere bereitstehen.

Wir erreichen die 1. Wechselzone der Staffeln und zugleich erste VP. Die letzten 5 Kilometer sind bisher nur so an mir vorbeigeflogen. Jetzt muss ich aber erst einmal etwas trinken. Trotz hoher Bewölkung ist es für mich einen Tick zu heiß. Die vielen Becher auf der Straße zeigen mir, dass es den anderen ebenso geht.

Die Seckenheim Landstraße ist breit und gut zu laufen. Bald kommen auf der Gegenfahrbahn die ersten Läufer entgegen. Hauptsächlich sind es welche mit Fahrradbegleitung, also vom Bike&Run Wettbewerb. Aber der führende Halbmarathonläufer und der erste Marathoni sind auch schon dabei. Hinter der großen Autobahnbrücke der A6 biegen wir rechts auf einen Radweg, der an der Neuostheimer Straße entlang führt (km 6). Bei mir läuft es gut; auf der Schleife über die Felder kann ich immer wieder Läufer überholen. Kleine Gruppen von Schaulustigen feuern uns an.

Hinter km 7 gibt es wieder Wasser. Die kleine Gehpause tut mir gut; anschließend kann ich wieder richtig Gas geben. Es geht scharf links über eine kleine Brücke und dann auf einem schmalen Radweg über Meersburg nach Seckenheim hinein. Unglaublich, was jetzt abgeht. Nicht nur, dass halb Seckenheim an der Straße steht. Die Zuschauer sind beim Anfeuern gar nicht zu bremsen. Man kann hier einfach nicht langsam laufen, die Menge peitscht einen regelrecht vorwärts (km 10).

 

 

Am Wasserturm von Seckenheim macht die Strecke ein Spitzkehre und führt auf der Badener Straße weiter. Die Feste am Straßenrand nehmen kein Ende; hier ist fast noch mehr los als vorhin. Bevor wir in die Hauptstraße einbiegen, gibt es erneut Wasser zur Erfrischung,  aber auch Iso, Banane und Riegel (km 12).

Jetzt geht es dem Sonnenuntergang entgegen. Links werden wir in Sichtweite des Autobahnkreuzes Mannheim mit einem großzügigen Schlenker über die Felder geführt. Daran anschließend geht es zurück auf die Straße, die jetzt zur Neuostheimer Straße geworden ist. Von mir zunächst unbemerkt, erreichen wir die Laufstrecke von vorhin, aber in umgekehrter Richtung.

Nachdem wir die A6 unterquert haben, erkenne ich es auch: die andere Straßenseite wird bereits gereinigt. Dort waren wir bei km 5. Jetzt laufe ich am km 14 Schild vorbei. Die Strecke trennt sich erneut, wir laufen nach rechts. Sie läuft wieder zusammen und trennt sich endgültig. Bei km 15 geht es auf einem Radweg entlang; rechts von uns fließt der Neckar. In der Dämmerung erreichen wir den Luisenpark. Diesen Park gibt es schon seit 1900. Seine jetzige Größe und Aussehen erhielt er aber 1975 anlässlich der Bundesgartenschau. Damals wurde auch der Fernmeldeturm gebaut, Mannheims modernstes Wahrzeichen und mit 212 m höchstes Bauwerk der Stadt. Wir laufen jetzt direkt darauf zu. Zu seinen Füßen befindet sich die nächste VP mit einem schönen Stimmungsnest. Eine Musik- und kleine Lightshow verzaubert die Läufer.

Links und bald wieder rechts erreichen wir die Oststadt bei km 18. Die Kolpingstraße an ihrer Grenze zieht sich jetzt wie ein Kaugummi. Gut, dass ich bald im Ziel bin, meine Beine sind schon krampfig. Die breite Goethestraße ist hell erleuchtet; überall stehen Schaulustige und klatschen begeistert Beifall. Wir biegen links auf den Friedrichsring (km 19). Hier steht ein Spendentor. Wer durchläuft, darf hinterher für die Ausrottung der schlimmen Krankheit Kinderlähmung spenden, die leider wieder auf dem Vormarsch ist. Am Schlossgarten biegen wir rechts in die Fressgasse ein, und sind somit in den legendären Mannheimer Quadraten gelandet.

Die historische Innenstadt von Mannheim ist als Planstadt nicht nach Straßennamen, sondern in 144 numerierten Quadraten. Die Fressgasse ist Fußgängerzone und entsprechend belebt. Viele Menschen sind unterwegs, die wohl eher zufällig ins Renngeschehen hineingeraten sind und nun die Läufer anfeuern. Eine große Kapelle intoniert ein mir bekanntes Lied, leider fällt mir der Titel nicht ein. Ich summe leise mit. Vor uns liegt die Weiche für den Halbmarathon. Wir halten uns links, während die Marathonläufer hier geradeaus weiter ziehen.

Schon von Weitem können wir nun die Stimme des Sprechers hören. Wir erreichen den Friedrichsplatz, den wir noch einmal umrunden müssen. Während über Lautsprecher gut zu hören der Marathonsieger Nikki Johnstone interviewt wird, kommt für mich das Ziel in Sicht. Ich würde gerne Fotos machen, um die grandiose Stimmung im Ziel festzuhalten, aber es ist leider schon zu dunkel.

 

 

Ich sauge das für mich eher ungewohnte Citylauf-Feeling ein. Die vielen, vielen Zuschauer auf und neben der Tribüne machen ein Höllenspektakel. Helfer überreichen Medaillen im Akkord. Dann geht es zur Zielverpflegung. Die Stände sind voll mit Essen und Getränken. Wasser, Cola, Iso und Bier mit und ohne Alkohol, Laugenstangen und Brötchen, süße Hefeteile, Bananen und Äpfel. Was will man mehr?

Ich hatte mich mit Laura verabredet, zusammen bahnen wir uns einen Weg zur Gepäckabgabe. Im Rosengarten kann man vor stimmungsvollen Stellwänden Fotos machen lassen und die Ergebnislisten hängen aus. Ich gehe nochmal zurück zum Ziel um Norbert zu empfangen. Dort ist die Stimmung immer noch genial. Schnelle Marathonläufer, langsame Halbmarathonies und natürlich die vielen Duo-Marathonläufer und Viererstaffeln laufen ins Ziel. Jeder wird vom Publikum förmlich ins Ziel getragen und bekommt seine Medaille umgehängt.

Auf der Bühne gegenüber der Publikumstribühne werden die Sieger des Marathon geehrt. Der für Düsseldorf startende Schotte Nikki Johnstone gewinnt in 2:28,20 vor Dennis Klusmann (LAZ Puma Rhein-Sieg) 2.44,25 und Pasquale Totaro in 2:50,16. Merle Brunnee siegt bei den Damen in 3:01:12 vor Lea Düppe mit 3:03,07 und Dioni Gorla 3:05,50.

 

 

Fazit:

Der Dämmer-Marathon hat in diesem Jahr mit der 15. Austragung ein kleines Jubiläum. Dass man im Gegensatz zum letzten Jahr auf die Verpflichtung von ausländischen Spitzensportlern verzichtet hat, finde ich gut. Warum nicht heimischen Startern eine Chence geben? Die vielen Hobbyläufer haben jedenfalls ihren Spaß. Die Stimmung vor allem beim Halbmarahton ist gigantisch.

Der Marathonkurs führt vom Halbmarathonziel aus weiter, zunächst über den Radweg der Adenauerbrücke nach Ludwigshafen, zur Parkinsel, dann nach Mundenheim und Rheingönheim. Wieder zurück in Mannheim dürfen die Teilnehmer auf einem roten Teppich den Gartensaal des Mannheimer Barockschlosses durchlaufen, passieren die wunderschöne Lichtinstallation im Ehrenhof, bevor es durch die Quadrate zum Ziel vor dem beleuchteten Rosengarten geht.

Norbert hat das gut gefallen, wobei er auch schon nach 3h47 im Ziel war. Später ist es vermutlich doch ruhiger auf der Strecke. Die Verpflegung auf der Halbmarathonstrecke ist super, die Zielverpflegung extra klasse.

500 Marathonis, ca 3000 Halbmarathonläufer, knapp 1000 Sportler für 10 km, 450 Staffeln und fast 1000 Kinder verschiedenster Altersklassen sind beeindruckende Zahlen.

Nächstes Mal wird es sicher wieder der Ganze werden, die Highlights der Strecke liegen für mich eindeutig auf der zweiten Hälfte.

 

 

 

 

Informationen: Dämmer Marathon
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