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Laufberichte

Zweimal Gold

09.06.12
Autor: Klaus Duwe

Dann bin ich an der Reihe. Ich kenne die Strecke und weiß, es geht gleich nach dem Start steil die Pflasterstraße hoch zum Roßplan. Ich habe die Wahl:

Langsam machen und mir den Zweitletzten von hinten ansehen, oder mithalten und den Höchstpuls testen. Ich entscheide mich für den Höchstpuls.  Nach ein paar Fotos im mittelalterlichen Nikolaiviertel und den Verrenkungen, die notwendig sind, den Turm der Nikolaikirche zusammen mit Läufern auf’s Bild zu kriegen, passiert es doch, dass ich dem Feld hinterher spurten muss, um am Großen Teich nicht nur Bäume und Wasser, sondern auch noch etwas Rennatmosphäre einfangen zu können.

Schade, dass man den herrlichen Streckenabschnitt durch die enge Fleischergasse und über den Kirchhof mit dem Nikolaiturm, Überbleibsel  der bereits 1223 erwähnten gleichnamigen Kirche, so hastig absolviert. Dabei ist der älteste Teil Altenburgs mit seinen schönen blumengeschmückten Häusern äußerst sehenswert. Ich fürchte, auch die Marathonis werden auf ihrer zweiten Runde nach dem Anstieg auf dem holprigen Pflaster keine Lust haben, sich hier näher umzusehen. Umso besser, wenn mir ein paar stimmungsvolle Bilder gelingen.

Auch der Große Teich wurde bereits im 12. Jahrhundert  durch Stauung des Stadtbaches angelegt. 1720 schüttete man eine kleine Insel  auf, um sich darauf ungestört verlustieren zu können.  Bis 1925 war die kleine Insel nur mit einer Fähre oder schwimmend zu erreichen. Seither gibt es eine Brücke.  1874 eröffnete ein ehemaliger Seemann auf der Insel eine Gaststätte, in der man nicht nur Essen und Trinken, sondern auch von den langen Reisen mitgebrachte Affen und Papageien besichtigen konnte.  80 Jahre später wurde daraus der Inselzoo. 

Nach drei Kilometer sind wir im Stadtwald. Herrliche Naturwege durch sattes Grün, versteckte Teiche, Froschgequake – eine wahre Idylle. Gleich kommt die erste Verpflegungsstelle, wo es Wasser, Apfelschorle, Cola, Riegel, Bananen und Äpfel gibt. Wenn ich richtig gezählt habe, sind 8 solcher Getränke- oder Verpflegungsstellen auf einer Runde eingerichtet. Wem das nicht reicht …

Es ist ziemlich bewölkt, die Temperaturen mit 18 Grad ganz angenehm. Laut Vorhersage sollen es mehr als 20 auch nicht werden.  Was man erwähnen muss: Die Strecke ist nicht flach. Es gibt zwar keine langen, steilen Anstiege, aber ewig lange flache Stücke habe ich auch nicht registriert.  Manche Abschnitte durch Wald und Wiesen sind sogar ziemlich rustikal. Abwechslungsreich nennt man das, glaube ich.

Ich muss noch oft an die Erzählungen von Waldemar Cierpinski denken. Wenn er von seiner Kindheit spricht, erinnert einem das an die Storys, die man heute von den Kenianern hört. Er ist zur Schule gelaufen, um das Fahrgeld  zu sparen. Seine ersten 40km-Läufe machte er, als er bei seiner Freundin zum Kaffee eingeladen war. Trotzdem wurde erst auf Umwegen zum Marathonläufer, als er sich nämlich als Hindernisläufer nicht für die Olympischen Spiele qualifizieren konnte. Da er sich das aber so fest vorgenommen hatte, probierte er es einfach auf der Marathondistanz.

Die Umstellung gelang schnell, weil er unbewusst als Hindernisläufer völlig falsch trainiert hatte. Nämlich so, wie es für einen Marathonläufer richtig gewesen wäre. Prompt unterbot er im April 1976 die geforderte Zeit (2:14) um ein paar Sekunden. Aus der Nominierung wurde aber zunächst trotzdem nichts. Für die Funktionäre war er ein unbeschriebenes Blatt und sie forderten ihn auf, in einem weiteren Rennen das Ergebnis zu bestätigen. Das würde bedeuten, einschließlich des Olympischen Marathons müsste er innerhalb von 14 Wochen 3 Marathons auf höchstem Niveau laufen.

Waldemar Cierpinski  schafft diesmal sogar 2:12:21, ist platt, hat aber das Ticket in der Tasche.  Aber als Tourist will er nicht an Montreal. Er will schon versuchen, unter die 10 Besten zu kommen.  Es sieht auch zunächst ganz gut aus. Vorne weg läuft Frank Shorter, der Goldmedaillengewinner von München 1972. Der Amerikaner war bekannt für seine mörderischen Zwischenspurts. Aber darauf hatte sich der Deutsche eingestellt und Intervalle bis zum Erbrechen geübt. Er holt ihn ein und lässt sich nicht mehr abschütteln. Irgendwann wird Frank Shorter Opfer seiner eigenen Taktik und muss Waldemar Cierpinski ziehen lassen. Er gewinnt in 2:09:55.

Der erste Marathoni, de mich heute überholt ist Steven Michel, der Sieger des Vorjahres. Diesmal gewinnt er nicht. Ein anderer Steffen macht das Rennen, der vom Rennsteiglaufverein. Er hat sich den Oberkörper frei gemacht, wirkt auch auf der leicht ansteigenden Passage ziemlich locker und frisch und erwidert sogar noch die Anfeuerungen der anderen Läufer. So sehen Sieger aus.

Zwei Kilometer mögen es sein, die es ununterbrochen bis zu einer kleinen Wohnsiedlung bergauf geht. Steil ist es nicht, man läuft das auch in meiner Preisklasse. Ein paar Bewohner feuern uns an, zwei Mädels machen Krach mit ihren Vuvuzelas. Hoffentlich überleben die das,  Ihre Väter werden die Dinger heute Abend für’s Public Viewing brauchen.

Km 13, wir sind ziemlich nahe beim Schloss, man hört die Trommler. Unsere Strecke führt uns aber weg vom stimmungsvollen Zentrum durch eine Kleingartenanlage zur Poschwitzer Höhe.

Den Anstieg nehme ich aber nun im Gehen. Als ich das Schild fotografiere, bekomme ich noch den Hinweis, dass man da gut Essen könne. Das kann man in Altenburg sowieso. Für eine simple Bratwurst  mit echtem Altenburger Senf und Bratkartoffeln mit Speck bin ich immer zu haben. Thüringer Klöße kennt jeder Rennsteigläufer. Aber was bitteschön ist ein Mutzbraten? Ich kann helfen: Schweinefleisch aus der Schulter oder vom Kamm wird in große Würfel geschnitten, mit Kräutern gewürzt, in Bier gelegt, dann aufgespießt und gegrillt. Dazu gibt es meist Sauerkraut.

Erwähnen sollte ich noch, dass man diese Köstlichkeiten zu Preisen bekommt, die einem die Tränen in die Augen treiben. Freudentränen, ehrlich. Da spart man die Mehrkosten für eine etwas weitere Anreise glatt wieder ein.

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Informationen: Skatstadtmarathon Altenburg
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