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Laufberichte

Nr. 100: Läuft bei mir

 

"Ab einem gewissen Alter genießt man die Gnade, sich nicht mehr für alles rechtfertigen zu müssen. Manchmal ist es einfach ein gutes Gefühl, älter als ein halbes Jahrhundert zu sein und immer noch voll dabei, mit leichten Abnutzungserscheinungen und ein paar Narben vielleicht, aber immer noch auf der Höhe, und wo Kraft und der Elan der Jugend fehlen, kommt man mit Tricks und Routine ins Ziel." (James Lee Burke in „Weißes Leuchten“).

Mit dem Laufen ging’s mir wie wahrscheinlich vielen Spätberufenen: Als Jugendlicher v.a. mit Turnen und Schwimmen sportlich aktiv gewesen, in der Dekade zwischen 30 und 40 wegen Familie, Beruf, Hausbau und natürlich „keine Zeit“ höchstens am Strand liegend geschwitzt, stelle ich eines Tages fest, daß es selbst mit der schon nächsten Konfektionsgröße 48 im wahrsten Sinne des Wortes sehr eng wird. Es erfolgen erste (Wiederan)Laufversuche, gefühlte Desaster zwar, trotzdem lecke ich Blut. Ein Wohnortwechsel, verbunden mit privater Neuorientierung, bringt die Aufnahme in den Lauftreff des VfL Waldbreitbach. Erste Wettkämpfe folgen, die ich erstaunlicherweise nicht als Letzter beende. Zufriedenheit, zehn lange km am Stück zurücklegen zu können, stellt sich ein, und nach ein paar Monaten passen die Klamotten sogar in 46 wieder. Tschacka!

Dann kommt die Anfrage der Laufkumpane, den Löwenburglauf zu bewältigen. 15,6 km bei 400 Höhenmetern lautet die Herausforderung. Die Anfrager erkläre ich für bekloppt, viel zu weit, viel zu hoch. Kneifen will ich dann aber doch nicht, mache mit und werde wieder nicht Letzter. Es folgt der Drachenlauf mit 26 km und 1.000 Höhenmetern. „Ihr seid verrückt!“, höre ich mich noch verzagt jammern, das Ende ist jedoch wie gehabt. Zum damaligen Siebengebirgscup gehörte zu allem Überfluß auch ein Lauf über 42,195 km, gespickt mit 780 Höhenmetern. Wahrscheinlich so fit wie noch nie in meinem Leben wage ich es, mich mit randvoller Hose in Aegidienberg zum Siebengebirgsmarathon anzumelden. Einmal im Leben einen Marathon zu laufen, das wäre es doch! Ich komme in respektablen 4:04 Std. rein, um mich, unerfahren und blöd wie ich bin, über die nicht geknackten 4 Std. zu ärgern. Das hätte es bei einem vernunftbegabten Menschen mit dem langen Laufen doch eigentlich gewesen sein können.

Aber ich lasse es nicht sein, da alle anderen auch weitermachen. Beginnende Demenz führt zu einer zweiten Marathonanmeldung und Mainz wird in 3:38 Std. gerockt. Unregelmäßig erfolgen im Rahmen des zuhause Sozialverträglichen weitere Läufe, teils traumhafte Abenteuer werden bestanden, an die ich mich gerne erinnere. Z. B. an Palermo (erstmals unter 3:30 Std.), Washington D.C., Hamburg, Berlin, Boston, Sondershausen, Köln, Helgoland, Rom, Interlaken, Zermatt, Biel, Davos, Nairobi, Rennsteig, Prag, Zugspitze, Stockholm, New York, Las Vegas, und und und. Ohne daß mir das wichtig ist, geht der Marathonzähler immer höher. Und dann ist der große Tag auf einmal da und auf den freut man sich schon: Nämlich den hundertsten Marathon- bzw. Ultralauf, im schönen Allgäu, peinlicherweise terra incognita für mich, zu absolvieren.

Entsprechend euphorisiert reisen Elke und ich bereits am Freitagmorgen nach Füssen, der auf max. 808 m höchstgelegenen Stadt Bayerns mit knapp 15.000 Einwohnern. In mittlerweile bewährter Manier (schönes Hotel, jede Menge Sightseeing, lecker Happahappa, Elke wird den Zehner laufen, ich den Marathon) begehen wir ein verlängertes Wochenende und nutzen natürlich bereits den Freitagnachmittag zu einer ausgiebigen Erkundung der unmittelbaren Umgebung: Der Lechfall, die guterhaltene Stadtmauer, das gotische Hohe Schloss der Bischöfe von Augsburg als eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Burganlagen Bayerns, das barocke vierflügelige Benediktinerkloster St. Mang, die Berge und die zahlreichen Seen in der Umgebung bieten reichlich Besichtigungsstoff.

Sehr freuen wir uns, daß unsere Freunde Markus mit Familie und die Münchner Barbara und Klaus mit von der Partie sind und die Männer mich auf den 42 Jubelkilometern begleiten werden, der Rest als mobiler Fanblock.

Der Titel zu diesem Bericht war auch schnell gefunden: In Anlehnung an "Läuft bei dir", dem Jugendwort bzw. -satz des Jahres 2014, das laut Jury des Langenscheidt-Verlags, bestehend aus Jugendlichen, Journalisten und Sprachwissenschaftlern, eine für Jugendliche (!) typische Situation perfekt beschreibt. Glaubt man ihr, dann ist "Läuft bei dir" eine andere Redewendung für: "Du hast es drauf!" Dann ist es ein Synonym für "cool" und "krass", kann aber auch ironisch verwendet werden. Also ehrlich, auch wenn mir die Zahl „100“ nicht das allerwichtigste ist, finde ich es schon cool und krass, dies erreicht zu haben. Natürlich ist mir aber auch klar, daß viele von Euch in Anbetracht ihrer eigenen Leistungen darüber nur müde lächeln werden.

Wirklich gespannt sind wir aufs Allgäu, denn, ich traue es mich kaum zu wiederholen, wir waren tatsächlich noch nie hier. Das allerdings nagt schon länger in uns, zudem macht mir mein Lauffreund Peter Jahn als regelmäßiger „King Lui“-Fan jedes Jahr die Nase lang. Und die Begeisterung ist – wie nicht anders zu erwarten war – groß. Dazu kommt noch die unmittelbare Lage an Tirol, in wenigen Minuten bist Du bei den Ösis. Zu Fuß, wohlgemerkt! Einen Teil unseres Touri-Programms, vor allem die Innenbesichtigung von zumindest Schloß Neuschwanstein, planen wir für Montag in der Hoffnung ein, daß der Andrang außerhalb des Wochenendes nicht ganz so doll sein wird. Weit gefehlt, die Besuchsmöglichkeiten sind auf Tage hinaus ausgebucht, keine Chance. Wir müssen also nochmals herkommen, was uns leichtfallen wird.

Im Eventzelt auf dem Parkplatz an der Morisse, einem künstlichen Felsendurchbruch zwischen Füssen und Bad Faulenbach, händigt man mir u.a. die für morgen passende Startnummer, nämlich die 100 aus. Ich freue mich sehr, daß das für den Veranstalter, das Sportstudio Füssen, überhaupt kein Thema war und meine zarte Anfrage sofort positiv beschieden wurde. Danke, Maria P.! Um 17 Uhr findet auf einem 3,3 km-Rundkurs in der Stadt der Citylauf statt, bei dem wir Elkes Einsatz, für den sie sogar eine Medaille für den stolzgeschwellten Busen erhält, lautstark unterstützen. Die gemeinsame Pastaparty als Belohnung beschließt einen schönen Tag.

Zum Start auf der Kemptener Straße am Rande der Altstadt müssen wir früh aufstehen, denn der findet bereits um 7:30 Uhr statt. Für mich ist das prima, denn einerseits muß mitten im Juli grundsätzlich, so auch heute, mit brütender Hitze gerechnet werden. Da läuft es sich morgens einfach besser. Andererseits habe ich erfreulicherweise mittags schon fertig und kann den Nachmittag noch touristisch nutzen. Mit dem Fahrrad legen Klaus und ich die gerade mal zweieinhalb km zwischen Hotel und Startbereich zurück und können daher auf den letzten Drücker erscheinen. Gerade ist noch Zeit für ein Hallo in zahlreiche Richtungen, da geht es schon los.

Die Sonne bescheint bereits jetzt schon unser frühmorgendliches Treiben, keine Spur ist von den hartnäckig angekündigten Wetterkapriolen mit Sturm, Starkregen und Hagelschlag zu sehen. Glücklicherweise wird sich das auch nicht ändern. Solch eine falsche Wettervorhersage nimmt man doch gerne in Kauf. Über den Luitpoldplatz mit dem Denkmal des Prinzregenten (Luitpold von Bayern war vor 1886 bis zu seinem Tod Prinzregent von Bayern) verlassen wir bereits nach zwei km die Stadt in Richtung Hopfensee und umrunden dabei die bald dreihundert Jahre alte Feldkirche St. Ulrich und Afra. Auf dem flachen Radweg parallel der Hopfener Straße läßt es sich sehr gut einrollen, man hat einen großen Teil der Läufer im Blick.

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Informationen: Königsschlösser Marathon
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