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Laufberichte

ABGESAGT: ERINNERST DU DICH? (22)

 

 

Durch die Altstadt

 

Wie Perlen an einer Schnur reihen sich hier die kulturhistorischen Highlights der Stadt aneinander. Auch wenn unverkennbar ist: So richtig viel alte Substanz ist in den Straßenzügen nicht mehr vorhanden. Es war erst ganz zum Schluss des zweiten Weltkriegs, am 16.03.1945, als es Würzburg doch noch "erwischte". Die Briten bombten die Innenstadt binnen 17 Minuten zu fast 90 % zu Schutt und Asche. Umso bemerkenswerter ist, was alles gerettet, wiederaufgebaut, restauriert wurde. Und das Neue dazwischen fällt zwar weniger in die Rubrik "Eyecatcher", lässt das andere aber dafür umso mehr zur Geltung kommen.   

 

Den Anfang unserer Runde macht das Univiertel. Die prachtvollen Gemäuer der "Alten" wie kurz darauf der "Neuen" Universität erinnern daran, dass Würzburg - wie etwa Heidelberg oder Tübingen – eine der "klassischen" Universitätsstädte Deutschlands ist. Bereits 1402 begründet wurde die Julius-Maximilians-Universität. Damit ist sie die älteste Universität Bayerns. 25.000 der etwa 130.000 Einwohner sind Studenten und sorgen dafür, dass diese alte Stadt jung bleibt. Bei der Neuen Universität stoßen wir auf den Ringpark, der sich dort, wo einst Wehrmauern und Glacis die Stadt schützten, wie ein breiter Gürtel um die Altstadt windet.

Entlang des Hofgartens gelangen wir zum Residenzplatz, neben Burg und Alter Mainbrücke einer der "TOP 3"-Spots der Stadt. Das lässt sich insbesondere an der Japanerdichte ablesen. Die Anfang des 18. Jh. entstandene überaus prachtvolle Barockanlage hat es immerhin zu UNESCO-Kulturerbe-Status gebracht und beherbergt heute Institute und Museen der Universität. Den schönsten Eindruck hat man jedoch aus der Persepktive des liebe- und fantasievoll angelegten Hofgartens, den man verständlicherweise aber nicht für die Marathonhorde geöffnet hat. 

Kurz darauf wird es bodenständiger. Wir passieren das Bürgerspital. Bereits 1316 wurde das Bürgerspital Zum Heiligen Geist, wie es mit vollem Namen heißt, als Pflegeeinrichtung begründet, was es auch heute noch ist. Bekannt ist es aber vor allem durch eine seiner Finanzierungsquellen: den Weinbau. In seinen Gewölben befindet sich angeblich der größte Holzfasskeller Deutschlands. Der in den Hang- und Steilllagen des Umlandes gewonnene und im berühmten Bocksbeutel abgefüllte Rebensaft zählt zu den renommmiertesten des Frankenlandes. Nach altem Brauch sollen die betreuten Senioren übrigens täglich einen Viertelliter ausgeschenkt bekommen.

Nach rechts biegen wir in die Semmelstraße ab und damit das auch ja keiner übersieht, überspannt der Straßenname in riesigen Lettern ihren Zugang. Mächtig wölbt sich die Barockkuppel des Stift Haug über den Dächern der Häuser. Ich komme mir vor wie in Italien, wo viele prächtige Kirchen im Gewirr der umliegenden Gassen fast schon untergehen und erst, wenn man direkt vor ihnen steht, ihre Dimension entfalten. Nun ja: Immerhin der Baumeister, Antonio Petrini, war ein Italiener.

Ein Abstecher über die Bahnhofstraße führt uns bis zum Kaiserplatz vor dem Hauptbahnhof und über die Kaiserstraße zurück in Richtung Stadtzentrum. An Werktagen dürften sich hier viele Passanten in den Geschäften tummeln. Heute haben die Läufer Vorfahrt. Mit dem Juliusspital, einem riesigen,1576 als Krankenhaus begründeten Gebäudekomplex, kommen wir zu einer weiteren Sozialeinrichtung, die wie das Bürgerspital als Stiftung betrieben wird und zu deren Vermögen gleichfalls erhebliche Ländereien und der Weinbau gehören. Rühmen kann sich das Weingut, das immerhin zweitgrößte der Republik und für seine Spitzenweine vom Gault Millau mit vier Trauben ausgezeichnet zu sein.

Bei km 19 erwartet uns mit dem Neumünster und gleich daneben dem St. Kilians-Dom ein  kirchenbaulicher Doppelschlag. Das Neumünster mit der mächtigen barocken Kuppel wurde über dem Grabmal der drei irischen Mönche Kilian, Kolonat und Totnan errichtet, die im siebten Jahrhundert den rechten Glauben ins wilde Frankenland brachten. Lange haben sie das nicht überlebt. Immerhin hat wohl gerade das zur Legendenbildung beigetragen. Zu größtem Ruhm hat es von den dreien Kilian gebracht, dem der vor über 900 Jahren entstandene Dom, einer der größten romanischen Sakralbauten Deutschlands, geweiht wurde.    

Wenig später haben wir es wieder an den Main geschafft. Und nun – endlich – dürfen wir auch der "Brücke der Brücken" Würzburgs unsere Aufwartung machen. Zwar nicht über sie hinüber, aber  zumindest unter ihr durch. Ein großartiges Panorama bietet die Kette der runden, wuchtigen Pfeiler der Alten Mainbrücke im Fluss und in der Verlängerung der jäh aufsteigende Burgberg dahinter. Und großartig ist hier auch die Stimmung. Auf und unter der Brücke johlt uns das Publikum entgegen, angeheizt durch Samba-Rythmen. Das geht auch so weiter, als wir gleich hinter der Brücke nach rechts schwenken und der Domstraße folgen.

Malerisch erhebt sich hier mit dem  Grafeneckartsturm der älteste Teil des Würzburger Rathauses. Am Ende der Straße vor uns ragen die Pfeiler des Kiliansdoms wie Speerspitzen in den Himmel. Kaum erahnen lässt der von außen so schmal wirkende Dom, wie mächtig sein Innenraum ist. Doch bis zum Dom kommen wir nicht mehr, sondern zweigen durch ein Gässlein zum Marktplatz ab. Viel Platz ist hier, arg leer wirkt die Plattenwüste. Markantester Punkt ist die gotische Marienkapelle, wobei die Bezeichnung "Kapelle" zu dem  ausgewachsenen, überaus prächtigen Kirchenbau mit seinen leuchtend roten Fassadenelementen nicht so recht passen mag. Aber nach katholischem Kirchenrecht durfte er sich nur „Kapelle“ nennen, da die Würzburger Bischöfe der Bürgerkirche keine Pfarreirechte verliehen haben.

Ein paar Schritte weiter, kurz vor km 21, folgt die Weiche: Trubelig, fast schon hektisch ist das Treiben. Schilder weisen den Weg: rechts zum Halbmarathoneinlauf, links zur Verlängerung für die Volldistanzläufer. Und für die Analphabeten und Träumer unter der Läufern sorgt ein Aufpasser dafür, dass jeder gemäß seiner Startnummer den rechten Weg nimmt. Wobei man als Marathonstarter noch spontan mit dem "Inneren Schweinehund" auskämpfen darf, sich heute mal bequem mit dem "Halben" zu begnügen oder keine Ausreden gelten zu lassen und – wie geplant – das volle Programm, sprich die zweite Runde, zu absolvieren.

 

Und alles noch einmal 

 

Wie so oft, wenn Halb- und Volldistanzläufer gemeinsam das Feld füllen, wird es zur Hälfte schlagartig einsam auf der Strecke. Nur einer von vier Startern ist noch dabei. Die zweite Runde ist eine exakte Kopie der ersten, sieht mal davon ab, dass man jenseits der Weiche um den Zielbereich herum geführt wird.

Erneut geht es über die Brücke der Deutschen Einheit und  - Hut ab - : Die Crash Kids rackern noch immer. Recht hart sind sie, die Kilometer durch die Zellerau. Da wo kein kühles Lüftlein weht, scheint der Asphalt zu brennen. Zumindest gefühlsmäßig. Herzlich sind aber die Beifallsstürme, die uns versprengten Läufern immer wieder von Balkonen entgegen schallen.

Mehr noch als auf der ersten Runde freue ich mich auf jede der Verpflegungsstationen, die einen willkommenen Anlass für ein kurzes Verschnaufen bieten. Alle 5 km kann ich mich mit Flüssigem in Form von Wasser, Apfelschorle, Cola und Energy Drinks sowie Bananen ein wenig aufmöbeln. Als special highlight wird auch Bier (alkoholfrei) angeboten. Zu gerne würde ich zugreifen, aber ich befürchte die akustischen Nebenwirkungen. Dazwischen sind noch Tankstationen mit "Wasser pur" eingerichtet, was angesichts der Temperaturen ein wahrer Segen ist.

Geradezu Erholung, zumindest im Kopf, bringen die Passagen im Schatten der Bäume entlang des Mains. In der Sonne wird es aber immer härter. Dennoch: Die Runde durch die Altstadt ist auch ein zweites Mal sehr schön und motivierend.

Noch motivierender ist es trotzdem,  zuletzt über die Zielmatte einzulaufen und völlig ungehemmt als erstes ein kühles Weißbier zu schlürfen. Einladend ist auch das Obstbuffet in den Katakomben des CCW. Doch wer wahren Genuss nach dem Zieleinlauf erleben will, der sollte sich, frisch geduscht, zur nahen Alten Mainbrücke begeben, in der Alten Mainmühle am Brückenzugang ein "Weckle" mit drei frisch gebrateten Würsteln und dazu ein Glas kühlen Weißweins erwerben und sich einfach auf die Brücke setzen und das Leben und das Bilderbuchpanorama drumherum in der Mai(n)sonne genießen.

Schöner kann man einen Marathon kaum ausklingen lassen. 

 

Auf Wiedersehen beim iWelt Marathon Würzburg
am 16. Mai 2021

12
 
 

Informationen: WVV Marathon Würzburg
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