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Laufberichte

Am 10.10.10. um 10.10 Uhr der 10. Marathon

10.10.10

Um es gleich mal vorweg zu sagen: Das gemeine Eifler Landei verlässt nicht wirklich gerne seine beschauliche Umgebung, um gen Norden in das Gebiet der großen deutschen Städte rund um die Ruhr zu reisen.  Zu tief sitzen die Vorurteile gegen die Knubbel auf Hauf liegenden Ballungszentren im „Pott“.

Menschenmassen, schlechte Luft, katastrophale Verkehrsverbindungen die von noch katastrophaleren Staus verschlimmert werden. Kilometerlang ein Haus neben dem anderen. „Watt soll ich da?“ fragt sich der Homo Eifel, kratzt sich am Schädel und blickt verträumt auf seine mit dichten Wäldern bestandenen Hügel.

Eine mögliche Antwort auf diese Frage liefert jetzt schon zum 48. Mal in ununterbrochener Folge der TUSEM Essen.  Seit 1963 wird dort ehrenamtlich und nicht kommerziell – wie auch unschwer an den Startgeldern zu erkennen ist – ein Marathon vom feinsten organisiert.

Zum Glück für die Essener Veranstalter hatte man sich Anfang der 30er Jahre entschlossen, den bereits existierenden beiden Stauseen des Ruhrverbandes ein weiteres Exemplar hinzu zu fügen und baute von 1931 bis 1933 den Baldeneysee. Rund um dessen etwas über 2,5 km² große Wasserfläche haben die Gastgeber des TUSEM Essen dann eine Marathondistanz hervorgezaubert.

Also ein Landschaftlauf im Stadtgebiet? Haben die dafür überhaupt Platz? Ein Blick auf die Eckdaten belehrt: Essen ist eine Großstadt mit ca. 580.000 Einwohnern und nach Köln, Dortmund und Düsseldorf die viertgrößte Stadt des Landes Nordrhein-Westfalen. Auf der Liste der Großstädte in Deutschland steht Essen momentan noch an neunter Stelle. Bei über 2.700 Einwohnern pro Quadratkilometer Stadtfläche kann ich mir nicht so wirklich vorstellen, dass mir ein Lauf im Grünen bevorstehen soll.

So nebenbei erfahre ich bei meinen Recherchen noch, dass Essen sogar Hauptstadt ist. Im Rahmen des Projekts „RUHR.2010“ ist auch Essen zur Kulturhauptstadt Europas geworden. Ich bin angesichts der Beus´chen Fettecke und des Reichstagsverhüllers Christo skeptisch gegenüber hochpreisiger Kunst und entsprechend gespannt, was mich erwartet.

Tatsächlich schwimmen ein paar kleine künstliche Inseln unter dem Titel „Ruhr- Atoll“ in dem zu umlaufenden See und können gegen gutes Geld in einem vorgegebenen Zeitrahmen per Tretboot besucht werden. Insbesondere bei Wind wird der Besucher selbst zum Kunstschaffenden. Schafft er es bis zur Kunst oder schafft er es nicht?

Samstagnachmittag checke ich im offiziellen Marathonhotel ein. Das Hotel Bredeney im gleichnamigen Stadtteil entpuppt sich als gut gelegenes und völlig stressfreies Domizil.

Zuvor habe ich mir die Startunterlagen in der Turnhalle des Regattahauses direkt am See abgeholt. Wie zu erwarten, war dort alles tiptop vorbereitet und völlig unproblematisch.

Der einzige, der sich am Seeufer korrigieren musste bin ich selbst. Scheinbar ist es doch möglich am Rande einer Großstadt einen fast 8 Kilometer langen See so zu verstecken, dass man von der Stadt selbst nichts mitbekommt. Unter blauem Himmel eingebettet in herbstlich bunten Wald würde ein Baldeneysee auch der Eifel gut zu Gesicht stehen.

Anderntags, nach einem guten und reichlich genossenen Frühstücksbüffet im Hotel, kommt dann langsam aber sicher das Kribbeln im Bauch wieder. Nein, nicht wegen dem Frühstück. Jürgen von Manger, alias Adolf Tegtmeier hatte das mit dem Kribbeln schon in den 80er Jahren erkannt und mit dem schönen Satz „Wenn die Gefühle etwas handgreiflich werden“ umschrieben.

Heute soll er in trockene Tücher: Der 10.10.10 mit Start um 10:10 Uhr scheint mir ein gutes Omen für meinen Marathon Nummer 10.

Langsam trabt das Feld vor mir los. Zuvor erlebe ich noch, wie sich eine kleine Gruppe hübsch maskierter älterer Holländerinnen von ihren Jongens verabschiedet: „Gaan we nu naar de kroeg, tödelööö” womit nicht mehr gemeint ist, als dass die Mädels die Wartezeit in der nächsten Kneipe verbringen wollen. Tatsächlich sehe ich sie dann aber später bei Kilometer 5 fleißig schwenkend und jubelnd am Streckenrand stehen.

Ich habe mich absichtlich weit nach hinten gestellt. Nach der üblen Schinderei im letzten Drittel meines letzten Marathons  brauche ich ein Erfolgserlebnis und nur wenig baut mehr auf, als auf der zweiten Hälfte etliche andere Läufer zu überholen.

Schauen wir mal was daraus wird. Meine Vorbereitung war jedenfalls dank eines von Andreas Butz (Laufcampus.de) handgeschmiedeten Trainingsplans so optimal wie noch nie zuvor.

Egal, die schnelle Rennerei überlasse ich gerne anderen. Lieber hier und da während des Laufes ein Schwätzchen gehalten oder einfach die neue, für mich unbekannte Landschaft genießen.

Während ich zusammen mit vielen hundert anderen Läufern in Richtung des Stauwehrs in Werden trabe, kann ich es immer noch nicht so ganz glauben, dass rechts von mir in knapp zwei Kilometer Entfernung eine halbe Million Menschen wohnt. Davon ist hier am Ufer des Sees nichts, aber auch gar nichts zu bemerken.

Zwar sind am Startgelände und kurz danach etliche tausend Zuschauer angereist um sich das Spektakel nicht entgehen zu lassen, aber hier am eigentlichen Seeufer steht nur ab und zu ein Häufchen Unentwegter.

Bei Kilometer drei überqueren wir etwa einen Kilometer unterhalb des Stauwehrs über die Gustav-Heinemann-Brücke die Ruhr und laufen in den Stadtteil Werden ein. Am Gymnasium und der St. Lucius-Kirche geht es bei Kilometer vier wieder an den See zurück. Zwischenzeitlich hat sich das Feld ein bisschen weiter auseinander gezogen, die erste Aufregung ist verschwunden und mein Lauf findet einen festen Rhythmus.

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Informationen: Westenergie Marathon Rund um den Baldeneysee
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