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Laufberichte

Wenn die Nacht zum Tag wird

 


Zum Marathonstart


Beim westseitigen Eingang der Lux-Epo werden orange Hüte des Sponsors ING verteilt, ich nehme mir einen und setze ihn auf. Der Regen hat sicht- und spürbar nachgelassen, es tröpfelt nur noch. Mein Knirps wandert in einen Extrasack, um zu vermeiden, dass meine Ersatzkleidung für die Zeit um Mitternacht nicht nass wird. Ich habe noch 1 ½ Stunden Zeit, bis auf Ingrid sind die übrigen Country-fellows im ultralangsamen Block G eingeteilt.

Was macht man alles vor einem Marathon, bei dem die Halbmarathonläufer und Staffeln zahlenmäßig deutlich dominieren? Umherspazieren und das Geschehen mit dem Auge des Fotografen verfolgen. Die blauen einladenden Dixi-Klos werden stark frequentiert, für die Herren der Schöpfung stehen daneben „Abtropfsäulen“ zum raschen Wasserschlagen bereit, die ebenfalls gut genutzt werden. Am Start bei Marathons liegt der Schampegel ziemlich weit unten, glaube ich beobachtet zu haben. Auch weil das vegetative Nervensystem bei Männlein und Weiblein gleichermaßen hyperaktiv ist. Aber die Toleranzgrenzen sind im Steigen begriffen – bei Hunden gilt in Wien die Devise „Ein Sackerl fürs Gackerl“, bei Läufern kommt das Mobilklo an der Strecke oft viel zu spät.

Wer vor dem Rennen noch Hunger und Durst verspürt, der hat Gelegenheit, sich an einem der zahlreichen Stände im Ziel- und Startbereich des Marathons zu verköstigen. Ob die Buden aber nach Mitternacht noch offen sein werden, wenn ich voraussichtlich einlaufe? Eine heiße „Curry-Wurscht“ („a Burnhäutl“ wie’s in Wien heißt) würde mir schon schmecken, aber meinen in die Bauchtasche eingesteckten Fünfzigerschein müsste ich wechseln und hätte dann einen Klingelbeutel um die Bauchmitte.

Man ist dabei, einen Heißluftballon mit Sponsorwerbung in die Luft aufsteigen zu lassen – das geht nur mit vereinten Kräften an den zur Stabilisierung gespannten Seilen. Der Platzsprecher meldet sich in bestem Luxemburgisch, Schwyzerdütsch verstehe ich besser. Lëtzebuergesch ist ja eigentlich ein Dialekt aus der Moselregion, der derzeit boomt.

In der Broschüre steht, dass man seinen Kleiderbeutel bis spätestens 18 Uhr in der Halle abgeben soll. Doch das ist ein Richtwert. Ich schaue auf die Uhr, um 18 Uhr 45 geben immer noch welche ihren Sack ab. Und man ist so entgegenkommend, dass offenbar kurz vor dem Start noch Nummern ausgegeben werden – es kommen ja immer welche zu spät.

Die Marathonläuferinnen und -läufer mit ihren orange unterlegten Nummern sind deutlich in der Minderzahl, auch im letzten Startblock. Die Straße gehört den Halbmarathon- und Teamläufern, die auch am Rücken eine Kennung tragen. Brent winkt rüber, er steht neben Richard Holmes, inzwischen M-65, einem der beiden Gründer der Marathon Globetrotters, sozusagen ein Konkurrenzklub der Country Marathoners. Allerdings haben die Trotters mehr Mitglieder, man braucht statt in 30 nur 10 in Ländern einen Marathon gelaufen zu sein.


Der Marathon beginnt

 

 


Mit einem Konfettiregen beginnt die 11. Auflage des Luxemburg-Marathons. Dutzende EU-Angehörige haben sich vor uns postiert und entrollen eine Fahne. Das ist wohl eine symbolische Geste, dass der Event auch unter der Schirmherrschaft der Staatengemeinschaft steht. Aber dennoch wird die Geduld der im letzten Block G Wartenden strapaziert: Wir laufen erst 15 Minuten nach dem Start nach der 180-Grad-Wende über die Matte unter dem orangen luftgefülltem Bogen. Ich drücke meine Garmin, nun geht es auch für mich los. Brent und Ingrid werden beide knapp über 4:30 finishen, trotz der Höhenmeter, die man uns prophezeit hat. Lichu wird die vollen sechs Stunden ausreizen – und ich es heute vielleicht knapp unter 5 Stunden schaffen. Das Gefälle hinunter in Richtung Altstadt kommt mir entgegen. Ich versuche es gleich am Beginn mit einem Sechsertempo, also die üblichen 6 min/km. Um mich herum sehe ich fast nur Halbmarathonläufer und jeweils den ersten Starter bei den Teamläufern, die auch am Rücken eine weitere Markierung tragen.

Knapp vor der 2 km-Anzeige verläuft der leicht abfallende Marathonkurs in den bd. Konrad Adenauer. Bisher habe ich mehrere Dutzend Läuferinnen und Läufer ohne Anstrengung überholt, darunter auch die EU-Abordnung, die mit ihrer großen Fahne nur langsam vorankommt. Entlang der Strecke durch ein Wohngebiet stehen vereinzelt Zuschauer. Aber die richtige Stimmung wird erst in der Stadt aufkommen, denke ich mir.

„Making an impact that matters“ –  warum nicht? Nur ist der Kollege kein speedy-Gonzales, sondern im Wohlfühltempo unterwegs.  „I know my limits, so I can go beyond them“, liest sich auch wie eine Ansage, die erst einzulösen sein wird. Dass es tatsächlich viel schneller geht, beweisen die uns auf der anderen Straßenseite der bv. K. Adenauer entgegen kommenden vermeintlichen Tempobolzer, die allerdings um mehr als eine Viertelstunde vor uns gestartet sind. Nach 12 Laufminuten könnte auch ein Weltklasseläufer nicht die gegenüber liegende 5 km-Anzeige erreicht haben.

Für uns geht es in einer langgezogenen Schleife nach Norden und dann auf welliger Streckenführung inmitten von Wohngebieten allmählich wieder nach Süden. Wir nähern uns  der Pont Joseph Bech, rechts am Gehsteig steht der stets barfuß laufende Pumuckl alias Dietmar Mücke. Er ist auch heute wieder für einen guten Zweck unterwegs und spricht die Leute um Spenden an. Der Marathonkurs führt über die Brücke und dann bei der 4 km-Markierung in den mehrspurigen Konrad Adenauer-Boulevard zurück. Nun spüre ich die Steigung, denn wir laufen ja in die Gegenrichtung zurück in den modernen Stadtteil Kirchberg mit seinen bedeutenden Niederlassungen und Institutionen der EU.

 

 

Ich laufe an einer weiteren Abordnung der EU-Angestellten mit ihren schicken Shirts im Design der  EU-Fahne mit der Aufschrift „All Together“ am Rücken vorbei, einige könnten sich interessieren, ob man das Leiberl auch kaufen kann. Und dann ein weiterer erfreulicher Anblick: Franz Lang, weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, ist im Steira-Look unterwegs, mit Trachtenhut und Kniehose. Er erzählt, dass er heute auch für die laufenden Ärzte unterwegs ist und daher nicht primär auf die Laufzeit achten wird.

Bei der inzwischen zweiten Labestelle schaue ich auf meine Uhr: mit 31 Minuten passt die Laufzeit bisher, obwohl die kleinen Anstiege bremsen. Ich nähere mich der Zugläuferin Petra, die eigentlich zu schnell unterwegs ist. Sie entgegnet, dass sie einen kleinen Zeitvorsprung herausarbeiten möchte, weil die Strecke ja dann rund vier Kilometer ins Ziel wieder ansteigt.

Bevor es wieder nach Süden geht, bietet sich die Gelegenheit, am Stand des Köln-Marathons einen Becher Bier zu konsumieren. „Danke, sehr gern, aber lieber am Rückweg ins Ziel um Mitternacht“, sage ich zum Helfer. Andere wiederum kehren den Tschecheranten – übersetzt mit „trinkfreudig“  hervor, sie bleiben stehen und prosten sich zu.

Der Kurs verläuft durch einen Grünstreifen, der von allerlei administrativen Glas-Beton-Bauten der EU-Bürokratie gesäumt wird. Man würde eine Führung brauchen und mit einem Doppeldecker-Sightseeing-Bus durch die Gegend fahren müssen, um sich hier auszukennen. So aber laufen wir an den Zweckbauten vorbei, ohne sie benennen zu können. Wissen sollte man zumindest, dass in Luxemburg sich der Sitz des Europäischen Gerichtshofes, Rechnungshofes und der Investitutionsbank befindet und somit der Kirchberg das Europaviertel ist. Und es wird weiter mit EU-Geldern eifrig gebaut.

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Informationen: ING Night Marathon Luxemburg
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