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Laufberichte

Aufstieg in die Champions League

 
Autor: Klaus Duwe

10.000 Teilnehmer verteilt auf Marathon, Halbmarathon und Staffeln sind beachtlich, aber nicht umwerfend.  Was den ING Night Marathon in Luxemburg endgültig für die Marathon-Champions League qualifiziert, sind andere Attribute als pure Größe.  Es wäre ja  auch verrückt, würde man in einem Land mit gerade einmal 500.000 Einwohnern und einer Hauptstadt mit 100.000 Einwohnern auf Masse setzen.

Die Idee und das Konzept für einen Marathon in Luxemburg hatte der aus der Eifel stammende Fotograf Erich Francois.  Manchmal müssen Impulse einfach von außen kommen, weil Insider zu nahe am Problem sind und die Lösung deshalb nicht erkennen. Deshalb stört es nicht, dass Erich Francois weder ein erprobter Eventveranstalter noch ein leidenschaftlicher Läufer ist. Dass er eingefleischter Luxemburg-Fan ist, der in dem kleinen Land etwas bewegen will, genügt in diesem Fall.

Entgegen vieler Prognosen war der Marathon in Luxemburg vom Start weg ein Erfolg. Alleine schon die Idee, statt wie üblich am Sonntagmorgen den Lauf am Samstagabend auszutragen, bescherte dem Start-Up so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal im damals schon überfüllten Marathonkalender und auf Anhieb 6.000 Teilnehmer.

Um dem eigenen Anspruch, Qualität statt Quantität,  gerecht zu werden, korrigierte man das selbstgesetzte Teilnehmerlimit nur nach und nach. Manche messen die Qualität eines Marathons ja an den gelaufenen Zeiten. Ginge es darum, bliebe dem Luxemburger Marathon nur ein Platz in der zweiten Liga, denn selbst Haile Gebrsellassie in Höchstform würde hier keine Weltklassezeit laufen. Das lassen die Topografie und die Streckenführung einfach nicht zu.  Alleine zwischen dem Startplatz auf der LuxExpo auf dem Kirchberg und dem Petrussetal gibt es 100 Meter Höhenunterschied. Vom vielen Auf und Ab auf dem Weg durch die Stadtteile ganz zu schweigen.

Ganz zu schweigen auch von den letzten vier Kilometern, die die Läufer zwischen km 4 und 8 schon einmal gelaufen sind, nun aber in umgekehrter Richtung, also bergauf, zurücklegen müssen. Egal ob Spitzen- oder Hobbyläufer, beim Night Marathon muss jeder auf der zweiten Hälfte mehr oder weniger Zeit zugeben.  Und wer es bis dahin allzu sehr übertrieben hat, geht die letzten Kilometer.

Was aber ist dann die Qualität in Luxemburg? Alles andere, könnte man sagen. Aber ich mach‘s etwas genauer. 

Zur Startnummernausgabe auf der LuxExpo kommt man bequem mit Linienbussen,  außerdem verkehren zwischen der Stadt und der Messe kostenlose Shuttle-Busse. Ein toller Service, vor allem für die vielen Begleitpersonen der Teilnehmer. Die Marathon-Messe ist nicht die größte, aber eine der wenigen, die den Namen auch verdient. Bei anderen Veranstaltungen wäre ja „Resterampe“ oder „Flohmarkt“  die viel treffendere Bezeichnung.

Gestartet wird der Marathon am Samstagabend um 19.00 Uhr. Das Event beginnt aber bereits am Freitag, wenn 30 Sambagruppen die Hauptstadt erobern und in den Altstadtgassen und –Plätzen gefeiert wird.  Wer nun aber ob der Super-Stimmung in Kauflaune gerät, hat Pech. Praktisch mitten am Tag, um 18.00, spätestens um 18.30 Uhr machen die Geschäfte dicht.  Dem Einzelhandel in Luxemburg geht es eben gut, könnte man meinen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sich die Geschäfte in der Innenstadt dafür einsetzen, dass der Marathon nicht mehr am Samstag, sondern am Sonntag stattfindet. Die Begründung? Schlechte Umsätze!  Andernorts ist eine Veranstaltung wie ein Marathon ein Konjunkturprogramm, in Luxemburg soll es genau anders herum sein. Da kann man sich nur wundern.

Der Startplatz am Haupteingang der Messe, an „normalen“ Tagen zweckmäßig aber schmucklos, präsentiert sich ganz im Marathon-Look. Über allem thront ein riesiger, orangefarbener Löwe, das Wappentier vom Titelsponsor ING. Das Gelände ist so bemessen, dass man sich einerseits nicht beengt, aber andererseits nicht unter 10.000, sondern wie unter 30.000 Läufern fühlt  Die Atmosphäre macht’s.

Die Läuferinnen und Läufer kommen aus 100 Nationen, ein Novum bei einem Teilnehmerfeld dieser Größe.  Entsprechend der Internationalität des Teilnehmerfeldes sind die Ansagen, Kommentare und Interviews in französisch, englisch und deutsch. Neben den Eliteläufern gibt es weitere Prominenz zu begrüßen, unter anderem den Marathon-Methusalem Fauja Singh, der jetzt allerdings mit 102 Jahren die Laufschuhe an den Nagel gehängt hat. Aktiv dabei sind in einer Promi-Staffel Lisa Hahner, Deutschlands  Marathon-Hoffnung,  Thomas Doll, legendärer Treppenläufer, und Herbert Steffny, den ich nicht vorzustellen brauche. Aber eines könnte ich erwähnen:  Für den Dritten der Marathon-EM von 1986 in Stuttgart schließt sich in Luxemburg so etwas wie ein Kreis, denn vor fast genau 30 Jahren lief und gewann er in Echternach seinen ersten Marathon.

Noch ein Detail, das den Läufer vielleicht nicht so sehr interessiert, aber viel über die Veranstaltungs-Qualität aussagt: Nicht nur dem Fernsehen hat man einen Premium-Platz reserviert, sondern auch den Fotoreportern aus vielen Ländern. Rechts und links des Starterfeldes stehen Gangways der LUXAIR, von denen aus man das Starterfeld genial überblickt. Kein Zufall. Als Fotograf weiß Erich Francois um die Werbekraft guter Bilder.

Die Laufstrecke könnte man „schneller“ machen, die vielen Abstecher in die Stadtteile minimieren und so Höhenmeter einsparen. Hoffentlich kommt man nie auf diese Idee. Der Night Marathon in Luxemburg ist nicht nur das imposante Bankenviertel, die Weltklasse-Stimmung an den Hotspots,  die Samba-Gruppen, die Zuschauermassen in der Altstadt und die vielen historischen Gebäude.  Luxemburg ist auch das tiefe Tal der Pétrusse, die Parks, die Vororte mit ihren Straßenfesten, handgemachter Musik und Sonderverpflegung für die Marathonis. Und mancher ruhiger Abschnitt erfordert auch mentale Stärke.

Ich bin schon manches Mal nach einem Marathon in eine Halle eingelaufen. Außer Frankfurt, wo die Festhalle schon von Haus aus ein grandioses Ambiente bietet, habe ich alle vergessen. Dann kam Luxemburg. Dass man in eine kalte, sterile Messehalle eine solche Atmosphäre zaubern kann, hätte ich nie für möglich gehalten. Was die Finisher hier auch noch nach vier und fünf Stunden erleben, ist einfach geil.

Ich wünsche es mir so sehr, wieder einmal eine Startnummer zu tragen und hier ins Ziel zu laufen.

 

Siegerliste

 

Männer

1 Yator, Bellor (KEN) 02:17:51
2 Rutto, Stephen (KEN) 02:18:45
3 Hajjy, Mohammed (MAR) 02:20:14

Frauen

1 Debelu, Shewaye Gemecha (ETH) 02:43:33
2 Melese, Mahlet (ETH) 02:44:22
3 Memuye, Tegest (ETH) 02:52:14

1120 Finisher

 

Informationen: ING Night Marathon Luxemburg
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