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Laufberichte

Zum Jubiläum ideale Bedingungen

24.04.05
Autor: Klaus Duwe

„In Hamburg sagt man tschüss"

 

Wir Marathonis werden im April mit Höhenpunkten geradezu verwöhnt. Zürich, Freiburg und der RuhrMarathon sind für Freunde des City-Marathon schon ein absolutes Muss. Dieses Wochenende nun ein weiteres Highlight: der Olympus-Marathon Hamburg. Der bisher größte Marathonlauf in diesem Jahr in Deutschland und einer der schnellsten weltweit. Wer hier gewinnen will, muss eine Weltklasse-Leistung bringen.

 

Entsprechend professionell ist auch das ganze Umfeld beim Hamburg-Marathon. Die Messe „Marathon und Running“ bietet mit über 100 Ausstellern auf einer Fläche von insgesamt 6.700 qm einen Überblick über das vielfältige Angebot von Schuhen, Textilien, Ernährung und Reisen.

 

Puma will zur nächsten Saison mit einem winddichten Shirt auf den Markt kommen. Tao bietet eine Jacke an, deren Innenfutter aus kleinen Kermik-Kügelchen besteht, UV-Strahlen aufnehmen und in Form von Wärme weitergeben kann. „For Motion“ nennt adidas eine neue Technologie, die absolute Bewegungsfreiheit mit optimaler Passform vereinen soll.

 

Nicht zuletzt gibt es auf der Messe auch die Startunterlagen, der Chip wird gecheckt und die obligatorischen Nudeln gereicht. Es herrscht schon am Freitag reger Betrieb. Zahlreiche Veranstalter nutzen die große Resonanz in Hamburg, um ihren Lauf vorzustellen. So zum Beispiel auch Warschau, wo am 18. September bereits die 27. Auflage des Warschau-Marathon stattfindet. Letzte Woche noch selbst Schauplatz einer Großveranstaltung, wirbt Würzburg bereits für die 2006er Auflage.

 

Am Samstag gibt es den WeltfrühstücksLauf und anschließend ein großes Frühstück-Buffet. Wir Südlichter, sonst eher die von der Sonne Verwöhnten, haben dieses Wochenende doppeltes Glück. Pünktlich zum Marathon-Fest sagt der Wetterbericht für Sonntag in Hamburg strahlenden Sonnenschein voraus. Das Schmuddelwetter verzieht sich über die Mittelgebirge nach Süden.

 

Und so kommt es dann auch. Keine Wolke am Himmel. Aber empfindlich kalt ist es am Sonntagmorgen. Nicht viel über Null, schätze ich mal. Aber es sollen bis zu 15 Grad werden, und die Kleiderwahl ist schnell entschieden. Unten kurz und oben T-Shirt. Von meinem Quartier "Baseler Hof" brauche ich zum Startgelände an der Messe gerade mal 10 Minuten.

 

Gestartet wird in Hamburg Zeit versetzt von drei verschiedenen Plätzen aus. Aus Block A (Karolinenstraße – 9:00 Uhr) die Elite, aus Block B (Bei den Kirchhöfen – 9:05 Uhr) dann die Läuferinnen und Läufer mit einer Zeit bis 4 Stunden, und Block C (Groch-Fock-Wall – 9:10 Uhr) die Marathonis mit einer Zeit über 4 Stunden und die, die noch keine Zeit nachweisen können. Die Straßen liegen in unmittelbarer Nähe und die Zugänge sind hervorragend ausgeschildert. Der Kleiderbeutel wird in der Messehalle 5 deponiert.

 

Ich starte aus Block B. Gleich gegenüber ist das große Untersuchungsgefängnis. Für die Insassen ist das Spektakel eine willkommene Abwechselung. Lautstark geben Sie ihre Kommentare ab. Das Gefängnis hat übrigens eine sehr blutige Vergangenheit. Im Dritten Reich waren dort unter anderem Widerstandkämpfer inhaftiert, von denen über 500 im Gefängnishof enthauptet wurden.

 

Die letzten Minuten vor dem Start. Die übliche Nervosität. Aus den Lautsprechern Heidi Kabel mit „In Hamburg sagt man tschüss“, und los geht’s. Über die erste große Kreuzung weg und schon sind wir auf der Reeperbahn. Rechts und links Bars, Kinos und Spielbuden. Und ein begeistertes Publikum. Einige sind von der Nacht übrig geblieben. Immer wieder Totenkopffahnen und die des FC St. Pauli. Das geht gut los. Durch die kluge Aufteilung in die Startblöcke (und die Disziplin der Teilnehmer) ist praktisch von Anfang an ein gleichmäßiges Laufen möglich. In der schmaleren Holländischen Reihe und später in der Bernadotte Straße wird es zwar enger, aber das hebt die Stimmung nur noch mehr.

 

Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel und die Temperaturen sind zum Laufen ideal. Natürlich habe ich mit meinem kurzen Beinkleid die richtige Wahl getroffen.

 

Wie jedes Jahr sammeln junge Leute, die entweder ein Teilstück von 10 Kilometern oder auch den ganzen Marathon laufen, bei den Zuschauern für Krebskranke Kinder. Einer fährt mit dem Fahrrad voraus und kündigt die Sammler an. Letztes Jahr kamen so 17.000 Euro zusammen, erzählt mir ein junges Mädchen. Links von mir sehe ich Michel, der seine Späße mit dem Publikum macht und heute bestimmt keine Bestzeit läuft.

 

Wir sind bei Kilometer 5 und biegen gleich danach links in den Halbmondsweg und gleich wieder links in die Elbchaussee. Riesiger Jubel und Lärm in den engen Kurven. Und dann liegt sie vor uns: Hamburgs vornehmste Adresse. Prachtvolle Villen mit parkartigen Grünflächen und repräsentative Wohnanlagen wechseln sich ab. Rechts der Blick auf die Elbe. Irgendwo hier drunter verläuft der Elbtunnel.

 

Entsprechend der Wohngegend ist die Zurückhaltung der Anwohner. Es ist etwas ruhiger hier, was mich nicht stört sondern mich staunend schauen lässt. Links sehe ich das „Landhaus Scherrer“, ein weit über Hamburg hinaus bekanntes Gourmet-Restaurant. Das Tagesmenü kostet hier ab 79,00 Euro. Kaum verlassen wir die vornehme Gegend, stehen die Menschen am Straßenrand wieder dichter. Wir kommen zu Kilometer 10, es gibt Wasser und Bananen.

 

Wir sind auf der Breiten Straße, es geht leicht abwärts und wir kommen zum Fischmarkt und den Landungsbrücken. Die Menschen stehen rechts und links in mehreren Reihen und klatschen und jubeln. Es ist eine unbeschreibliche Stimmung hier. Das geht jetzt kilometerweit so. Rechts sehen wir die Speicherstadt. 1888 wurde dieser größte, zusammenhängende Lagerhauskomplex der Welt eröffnet. Dort werden Kaffee, Tee, Kakao, Computer und Orientteppiche gelagert und die Backsteingotik erfüllt damit noch heute ihren ursprünglichen Zweck.

 

Bei Kilometer 14 schau ich auf die Uhr: 1 Stunde und 21 Minuten sind rum. Ich glaub es nicht, wo ist die Zeit geblieben? Abwechslungsreich geht es auch weiter. Rechts der Hauptbahnhof, dann rein in den Tunnel. Ein paar Minuten, und wir sind wieder in der Sonne und inmitten der jubelnden Zuschauer. Wir laufen jetzt um die Binnenalster, zuerst auf dem Ballindamm, sehen vor uns das Rathaus und kommen dann auf den Jungfernstieg. Ich beneide die Hamburger um ihre schöne Stadt. Es ist einfach herrlich hier und wunderbar zu laufen. Ich sehe die teueren Uhren-, Schmuck- und Modegeschäfte und vornehmen Hotels.

 

Die Läuferinnen und Läufer in langen Hosen und Jacken kommen mittlerweile mächtig ins Schwitzen. In der Sonne ist es nämlich richtig warm geworden. Nur im Schatten und wenn der Wind etwas durch die Häuserschluchten kommt, spürt man eine angenehme Kühle.

 

Jetzt laufen wir dicht am Wasser entlang der Außenalster. Weiß und rosa blühende Bäume wechseln sich ab, rechts herrliche Wohnhäuser und auf den Grünflächen viele Hamburger beim Picknick.


„Schöne Aussicht“ heißt die nächste Straße und Ihr dürft raten, weshalb. Wir laufen rechts in die Fährhaus- und dann in die Beethovenstraße, wo die Halbdistanz erreicht wird. 2 Stunden und 2 zwei Minuten bin ich unterwegs. Die Zeit vergeht wie im Flug. Wir passieren den Stadtpark und bei Kilometer 26 die City Nord. Es geht mal wieder leicht abwärts. Wir sind in der Hebebrandstraße. Überhaupt darf man sich den Kurs in Hamburg nicht „bretteben“ vorstellen. Es sind zwar keine steilen Passagen drin, aber als teilweise leicht wellig kann man ihn schon bezeichnen.

 

Zwischen Alsterdorf und Ohlsdorf dann wieder viel Grün und sogar etwas Wald und immer entlang der Alster. Bei Kilometer 28 wieder ein Blick auf die Uhr: 2 Stunden 43. Ich laufe dieses Tempo gar nicht wirklich, ich lasse mich treiben und tragen. Es macht einfach Spaß, riesigen Spaß. Links geht es über die Hasenbergbrücke und dann gleich wieder links auf den Maienweg, einer Allee mit schönen kleinen Siedlungs- und Reihenhäusern. Die ganze Bevölkerung muss hier auf den Beinen sein. Es sind noch 10 Kilometer zu laufen. Rechts sind jetzt Massagebänke aufgebaut. Eine wäre noch frei, aber ich nehme diesen Service nicht in Anspruch und laufe weiter. Links wird eine harte Fete gefeiert. Die halbe Wohnung wurde wohl ausgeräumt, jedenfalls stehen Couch und Sessel an der Straße, der Grill ist am Qualmen und die in schwarzes Leder Gekleideten sind kräftig am Bechern.

 

Kurz danach überholt mich Karlheinz. Er ist ein absoluter Hardcore-Läufer. 2001 ist er in 63 Tagen 4.356 Kilometer von Perth nach Canberra quer durch Australien gelaufen. 69 Kilometer im Schnitt pro Tag. Heute ist er aus dem C-Block gestartet und deshalb hinter mir.

 

Mittlerweile sind wir auf der Alsterkrug-Chaussee. Rechts eine große Schrebergartensiedlung, links eine Parkanlage und auf dem Grünstreifen ist die Picknick-Zone. Ganze Familien mit Oma, Opa und Enkelkinder feiern hier mit und bieten den Marathonis vom Mitgebrachten an. Immer wieder feuern uns die Zuschauer an. Mal stehen sie dichter, mal etwas spärlicher in Gruppen. Allein sind wir nie. Und die Stimmung ist prächtig.

 

Auf der Eppendorfer Landstraße dann wieder rechts und links Fünferreihen und ein ohrenbetäubender Lärm. Noch 4 Kilometer. Wir sind auf der Rothenbaum-Chaussee, einer langen Geraden. Trotz des anhaltenden Jubels spüre ich jetzt doch deutlich meine Beine und ich muss etwas langsamer machen. Obwohl, wenn ich dran bleibe, kann ich unter 4:10 bleiben. Das wäre neue Jahresbestzeit für mich. An sich habe ich solches nicht im Sinn, dafür bin ich in diesem Jahr einfach schon zu viel gelaufen. 3:57 Stunden bei Kilometer 40. Es wird knapp.

 

Es geht rechts ab auf die Esplanade und dann auf den Groch-Fock-Wall. Mist, jetzt steigt die Straße an. Dazu muss ich etliche Läuferinnen und Läufer umkurven, weil sie dieses Stück gehend bewältigen. Trotzdem versuche ich, einen Zahn zuzulegen. Es tut weh, sehr weh. Ob’s reicht? Es ist ja Wurscht, aber wenn ich schon mal so dicht dran bin?

 

Jetzt höre ich nur noch Jubel und Anfeuerung. „Klaus, gib alles“, „Klaus, Du schaffst es“. Ich sehe den Zielbogen, schaue auf die Uhr, noch eine halbe Minute. Riesiger Jubel, eine Wahnsinns-Stimmung. Ich trete auf die Matte, stoppe meine Uhr und schaue nach: 4:10:14. In Zürich war ich zwei Sekunden schneller.

 

Mir ist das so was von egal, freue mich nur noch und genieße die Atmosphäre.

 

Nach dem beispiellosen Verpflegungseinerlei auf der Strecke (nur Wasser und Bananen, 1 x Iso), gibt es jetzt das volle Paket. Red Bull, Gatorade, Erdinger, Apelschorle, Riegel, Bananen (kann die noch einer sehen?) und Äpfel. Wer hat sich das denn ausgedacht?

 

Die Mädchen bei der Kleiderbeutelausgabe haben mächtig zu tun. Aber sie schaffen das, und die Läuferinnen und Läufer nehmen eine kurze Wartezeit klaglos hin. Ich lege mich bei Planten und Blomen in die Sonne, denke an den herrlichen Lauf und dann an die lange Fahrt und das Schmuddelwetter zu Hause.

 

Streckenbeschreibung:

Flacher, teilweiser etwas welliger Rundkurs, sehr gut zu laufen.

 

Zeitnahme:

Champion-Chip, Zwischenzeiten alle 10 km jeder Kilometer ist angezeigt.

 

Rahmenprogramm:

Marathonmesse ab Freitag Mittag mit Ausgabe der Startnummern. Ökumenischer Gottesdienst am Samstag.


Weitere Veranstaltungen:

Rollis und Hand-Biker, Frühstückslauf, das Zehntel Walking

 

Auszeichnung:

Medaille, Urkunde (auch Sofort-Urkunde)

 

Logistik:

Startgelände mit U-Bahn gut erreichbar. Kleiderabgabe und –empfang in Messehalle 5

 

Verpflegung:

alle 5 km Verpflegung und Getränke, ab 7,5 km zusätzlich alle 5 km Getränke. Nur Wasser und Bananen, 1 x gab’s Iso. Verpflegungsstraße nach dem Zieleinlauf.

 

Zuschauer:

700.000 sollen zum Jubiläums-Marathon auf den Beinen gewesen sein. Wahnsinns-Stimmung.

 

Informationen: Haspa Marathon Hamburg
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