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Laufberichte

Zurück zum Gornergrat

09.07.11

Nur Bahnfahren ist schöner

 

Ein Blick nach oben zeigt mir den persönlich als härtesten Teil des Laufes empfundenen Abschnitt. Es gilt zunächst zu den Gleisen der Gornetgratbahn zu laufen. Diese werden bei KM 40 erreicht. Schon dieser Kilometer hat es in sich. Nun aber geht es parallel zur Bahn in ihrem Lawinenschutztunnel heftig aufwärts. Dazu ist der schottrige Untergrund auch nicht gerade läuferfreundlich.

Ich hab aber nach dem Lauf einen Läufer getroffen, dem gerade diese Passage Spaß gemacht hat. Na ja, ich will das hier nicht kommentieren, aber mitteilen, dass ich sehr froh war, als der Schotter zu Ende ist und breite Holzbohlen den Laufuntergrund bilden. Jetzt kann ich wenigstens wieder vernünftige Schritte machen ohne auf dem Schotter weg zu knicken. Eine Wohltat. Ein Blick in die Gesichter der Mitläufer zeigt mir, dass es ihnen ähnlich ergeht.
Während wir uns den langen und steilen Abschnitt parallel der Bahn nach oben kämpfen helfen uns die vorbeifahrenden Züge nur wenig. Die Anfeuerung der Fahrgäste nehmen die Kämpfenden kaum wahr.

 

Vertraute Klänge

 

Auf den Bohlen passieren wir KM 41. Voraus liegt der Gipfel des Matterhorns – unverändert in Wolken gehüllt. Gottlob hatten wir es bei unseren Wanderungen Tage zuvor in schönster Sonne ohne Wolken gesehen.

Was ist das? Ich höre mir vom Jungfrau Marathon vertraute Klänge. Unterhalb des Riffelbergs steht ein Dudelsackspieler und muntert uns Läufer auf. Hört sich gut an und spornt an. Ist es doch das Zeichen, dass es zum Ziel nicht mehr weit ist – zumindest für die Marathonis. Aber auch wir Ultras freuen uns, denn auch wir sind unserem Ziel nun recht nahe.

Kurz vor KM 42 verlassen die Marathonis uns Ultras und laufen nach links dem Marathonziel am Riffelberg zu. Helfer geben Marathonis und Ultras Hilfestellung für den richtigen Weg. Die Luft ist hier auf 2.582 m Höhe schon dünner und niemand soll ob des geringeren Sauerstoffgehaltes der Luft den falschen Weg laufen.

 

Zuschlag

 

Gerne würde auch ich nach links zum Riffelberg laufen, aber ich halte durch und strebe dem Ziel des Ultras entgegen. Weitere 514 Höhenmeter auf 3,5 KM Länge warten noch auf die Ultras. Ich bin verwundert, dass es immer wieder einige Passagen gibt auf denen gelaufen werden kann. Ich bin hier zwar schon 2002 bei der Premiere gelaufen, da lag aber alles im Nebel unter Neuschnee, die Sicht war gleich Null. Nun sehe ich erstmals, wo ich schon 2002 lief. Kleine Seen liegen an der Strecke.

Uns kommen hier oben einige Wanderer und sogar Mountainbiker entgegen. Besonders die vielen Japaner feuern uns begeistert an. Danke, das tut gut und spornt an. Weniger anspornend ist das Wetter. Die Sonne ist schon eine Weile weg und die Gipfel der umliegenden Viertausender sind Wolken umhüllt. Das Matterhorn schickt uns zudem einen Hagelschauer vorbei. Macht nix, ich ziehe meine Regenjacke aus dem Trinkrucksack und bin gut gegen Hagel, Wind und Kälte geschützt.

 

Lockruf des Zieles

 

Es gilt einige steile felsige Passagen zu bewältigen. 45.595 KM erscheinen für einen Ultra recht wenig. Aber egal, nach Definition ist alles länger als Marathon ein Ultra. Zudem geben die zusätzlichen 514 Höhenmeter dem Zermatt-Ultra eine besondere Note. Der Zermatt-Ultra ist ein echter Ultra, Basta! Wer daran zweifelt soll doch einmal selbst den Schlussteil laufen, besser gehen.

Einen letzten längeren steilen Abschnitt taufe ich spontan "Hillary-Step", frei nach einem anspruchsvollen Kletterstück im Schlussanstieg zum Gipfel des Mount Everest. Auch dieses Stück bewältige ich mit Hilfe der Lockrufe des Ziels am Gornergrat. Ich werde geradezu magisch angezogen und habe – anders als noch vor Wochen in Mannheim – keine Probleme das Ziel zu erreichen.

Ein Gruß an Wolfgang B. an dieser Stelle sei erlaubt. Der Infusionsständer konnte im Tal bleiben. Ich bin nahezu in euphorischer Stimmung auf den letzten Metern. Wind, Hagel, Kälte stören mich nicht. Auch nicht das etwas mondartig anmutende Ambiente auf den letzten Metern. Das Hotel auf dem Gornergrat kommt mir wie eine Raumstation vor und ich strebe ihr entgegen.

 

Lockruf des Goldes

 

Schon Meter vor dem Ziel sehe ich goldene Gestalten hinter dem Zielbanner. Jeder Läufer erhält nach Überqueren der Ziellinie eine goldenfarbene Wärmefolie. Ich will auch so eine und laufe durchs Ziel. Ich freue mich über die persönliche Gratulation und die Ultra-Medaille. Der Chip wird mir abgenommen und ich erhalte mein Finisher-Shirt. Es gibt nur noch Größe 3X-L. Diese Kleidergröße ist meinen 60 Kg Lebendgewicht normalerweise nicht angemessen, hier jedoch absolut passend. Die Shirts fallen minmal aus und mir werden im Nachhinein einige tragische Fälle bekannt, bei denen M nicht groß genug ist. Körperbetonte Leibchen haben halt für manche Träger den Nachteil nix zu verschleiern. Jedes Pölsterchen wird sichtbar.

Zu meinem Ultraglück fehlt mir noch ein Verpflegungsbeutel, meine Wechselkleidung im schönen Kleiderbeutel aus dem Starterbeutel und eine warme Dusche. Ersteres erhalte ich nach dem Shirt. Um zweites zu erhalten und drittes tun zu können, muss ich die in kurzen Abständen fahrende Gornergratbahn hinunter nach Riffelberg nehmen. Auf der Fahrt hinunter vom Gornergrat kann ich noch einmal in Ruhe den Schlussteil der Laufstrecke betrachten. Da sehe ich Jens am "Hillary-Step". Tapfer kämpft er sich nach oben und wird seinen zweiten Ultra erfolgreich beenden. Ich ziehe das Fenster hinunter und feuere ihn lautstark an.

Am Riffelberg bekomme ich meinen Kleiderbeutel und kann eine warme Dusche nehmen. Dank der hervorragenden Organisation klappt alles ausgezeichnet und frohgelaunt trete ich mit Karl-Heinz die Fahrt von Riffelberg nach Zermatt an.

Frank hat seinen Ultra in 6.02 Stunden bewältigt und will nur noch Berglaufen, er ist wie wir alle vom Lauf begeistert.

Fazit:

Bereicherung der Berglaufszene. Dieser Ultra müsste erfunden werden, wenn es ihn nicht schon gäbe.  Dies ist auch als Wink an die Veranstalter des Zermatt Marathons zu verstehen über eine Fortführung des Ultras in den kommenden Jahren nachzudenken.

Gewohnt gute Schweizer Organisation, freundliche Helfer, tolle Landschaft lädt zu einigen Tagen Urlaub ein, ebenso die Freitickets für die Bahnen.

Nachahmung empfohlen!

 
 


 
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