marathon4you.de

 

Laufberichte

Der Doppeldecker am Simplon-Pass - 2. Tag

03.08.08

Die gestrigen 42,2 Kilometer hatte ich gut hinter mich gebracht, das Abendessen war, wie vergangenes Jahr, reichlich und gut. Geschlafen habe ich auch – optimale Voraussetzungen für den zweiten Tag, an dem man auf teilweise anderer Strecke wieder zurück nach Gondo laufen musste. Das Höhenprofil zeigte, dass es mehr als am ersten Tag auf und ab ging, dafür aber wurde uns der Weg über den knapp 2.500 Meter hohen Bistinenpass erspart und man kam „nur“ über den 2.000 Meter hohen Simplonpass.

Allerdings wusste ich noch vom Vorjahr, dass es dieser zweite Tag in sich hatte und dass ich wohl etwas länger unterwegs sein würde. Bill, mit dem ich zusammen die ersten 42 Kilometer gelaufen bin, wollte das zwar nicht glauben, aber er würde es ja erleben.

Das Frühstück konnte nicht an das des Vortages heranreichen und wer zu spät kam, bekam nicht einmal mehr Kaffee und auch das Brot war recht schnell alle. Da sollte man im kommenden Jahr nachbessern. Nachdem aber die Streckenverpflegung am gestrigen Tag bestens war, machte ich mir keine Sorgen.

Die Schnellsten vom Vortag starteten ab 7 Uhr in der Reihenfolge und dem zeitlichen Abstand des Zieleinlaufes gestern. Damit erreicht man, dass der Gesamtsieger auf jeden Fall als erster in Gondo einläuft, egal ob das der Sieger des ersten Tages ist, oder ein anderer.

Wie im Vorjahr hatte Martin Schmid aus Zermatt den ersten Tag gewonnen und durfte daher als Erster starten. Gemeinsam mit ihm wurde Lizzy Hawker auf die Strecke geschickt. Nur acht Minuten nach Martin Schmid war sie gestern eingelaufen und auch an diesem Tag sollte der Abstand im Ziel gerade Mal sieben Minuten betragen. Sie und auch Carmen Hildebrand starten Ende August beim Ultratrail du Mont Blanc und ganz offensichtlich hat es sich herumgesprochen, dass der Doppelmarathon in Gondo eine perfekte Vorbereitung für diesen schweren Lauf ist.

Anschließend informierte Brigitte Wolf über die Strecke. Oben am Simplonpass bei Kilometer 18 musste man spätestens um 12 Uhr sein und Gabi, Kilometer 30, musste man um 14 Uhr passiert haben. Ich machte mir da aber keine Sorgen, diese Zeiten würde ich auf jeden Fall einhalten können. Auch die neun Stunden bis ins Ziel würde ich sicher schaffen. Das Wetter würde heute genauso schön werden, blauer Himmel und erst am Nachmittag sollten ein paar kleinere Wolken erscheinen. Allerdings würde es noch etwas wärmer werden. Ich hatte die Strecke aber als recht schattig in Erinnerung, so dass die Wärme kein Problem werden sollte.

Um 7.30 wurde dann das Feld gestartet. Wir liefen ein paar hundert Meter auf der Strecke zurück, auf der wir gestern ins Ziel liefen und bogen dann nach links auf einen schmalen Wirtschaftsweg, auf dem es sofort ordentlich hoch ging und der sich bald in einen Wanderpfad veränderte.


Wie gestern benützte ich von Anfang an meine Stöcke als Steighilfe, hatte aber trotzdem bereits hier nur noch wenige Mitstreiter hinter mir. Auf einem guten Wanderweg ging es die nächsten fünfzig Minuten knapp 350 Meter höher bis zum Schallberg, wobei man in den ersten 30 Minuten immer wieder spektakuläre Ausblicke in die tiefe Schlucht hatte. Der Pfad war gut, Unsicherheit kam nirgends auf, auch wenn der Weg an einer Stelle nach einem Erdrutsch durch einen kurzen Holzsteg überbrückt wurde. Bereits auf diesen ersten Kilometern zeigte sich wieder die ganze Schönheit dieser Landschaft und dieses Laufes.

Eine Zeitlang ging es dann eben oder leicht abwärts, so dass wir wieder joggen konnten. Teilweise liefen wir auf der alten Passstraße, kamen zur neuen Ganterbrücke und nach der Verpflegungsstelle bei km 9 ging wieder ins Gelände. Ab hier ging es in moderater Steigung weiter hoch, immer wieder sah man die Autostraße. Dann aber ging es in Serpentinen recht steil im Wald bergwärts, bis wir die Straße erreichten und ein paar hundert Meter neben ihr her liefen, bis die Verpflegungsstelle Rothwald auf einem Parkplatz neben der Straße erreicht war. Es war genau 10 Uhr, 13 Kilometer und etwa 800 Höhenmeter hatten wir bereits hinter uns und bis zum Simplonpass waren es noch 4,5 km. Wir waren also bestens in der Zeit und hofften, den Verpflegungspunkt dort um 11 Uhr, also eine Stunde vor dem Limit zu erreichen.


Leider aber ging es jetzt erst einmal abwärts. Zuerst auf einer Asphaltstraße und dann auf Wirtschaftswegen verloren wir etwa 200 Höhenmeter, die wir zuvor mühselig erarbeitet hatten. Bill fluchte ein wenig, fügte sich dann aber wohl oder übel. Entschädigt wurden wir dann aber durch den folgenden Weg durch das Tavernatal, wo wir wieder inmitten in der schönsten Natur waren. Eine Zeitlang schlängelte sich der Weg dem Tavernabach entlang, bis es dann erst sanft und nach Überquerung des Gebirgsbaches recht steil in Serpentinen aufwärts ging.
Kurz zuvor waren die Walker auf die Strecke gestoßen und belebten die Strecke. Dummerweise hatte ich an der Verpflegungsstelle im Tal nur getrunken und auf das dort angebotene Power Gel verzichtet. Das musste ich jetzt auf den Serpentinen bergauf büßen, ich fühlte mich recht energielos, Bill gewann schnell einen solchen Vorsprung, dass ich ihn aus den Augen verlor. Glücklicherweise aber führte der Weg durch schattigen Wald und es ging ein kühlender Wind, so dass ich nicht übermäßig schwitzen musste.

Irgendwann aber hatte auch ich die Höhe erreicht, der Wald wich Almwiesen und bald sah ich den Steinadler und erreichte die Verpflegungsstelle am Simplonpass (km 17,5), wo Bill auf mich wartete. Wir hatten 11.12 Uhr, etwas später als erhofft, aber immer noch gut innerhalb der vorgegebenen Zeit. Während ich noch aß und trank, lief Bill bereits weiter. Es ging nun einige Kilometer abwärts und da würde ich ihn schnell einholen.

Den folgenden Wanderpfad abwärts waren wir gestern hoch gekommen. Es ging vorbei am „Alten Spittel“ und anschließend durch das schöne Chrummbachtal. Wir konnten alles joggen, auch wenn der Untergrund mit Steinen und Wurzeln gespickt war. Der Weg in dem lieblichen Tal ging stets leicht abwärts, immer wieder sah man rechterhand den Gebirgsbach, es ging vorbei an ursprünglichen Steinhäusern, die jetzt wohl als Ferienhäuser dienten und immer wieder lud das Wasser zum Baden ein.

An der nächsten Verpflegungsstation (km 23) stärkten wir uns mit Power Gel und Cola. Weiter ging es auf schmalen Pfaden bis wir die Asphaltstraße und dort bei Kilometer 25 die nächste Verpflegungsstation erreicht hatten. Seit Simplon konnten wir bis hierher alles joggen, und auch danach mussten wir immer nur ein paar Schritte gehen, wenn eine zu steile Bodenwelle kam. In gefühlter Rekordzeit kamen wir bei Kilometer 28 in Simplon-Dorf an. Tatsächlich aber hatten wir für die etwa 10 Kilometer mit 500 negativen Höhenmetern seit dem Pass 1:24h gebraucht, nicht berauschend, aber für unsere Verhältnisse gut.


Auch auf den folgenden sieben Kilometern bis Gabi ging es weitere 300 m abwärts, zuerst auf der Autostraße hinaus aus Simplon-Dorf, dann über steile Wiesen und schmale Pfade im Wald hinunter bis zum Fluss und zur Verpflegungsstelle bei Gabi (km 30). Es war 13 Uhr, also genau eine Stunde vor der Sollzeit. Für die restlichen 12 Kilometer hatten wir noch 3,5 Stunden Zeit, also kein Problem, wie Bill meinte. Ich hatte aber den folgenden Anstieg als sehr schwer in Erinnerung und auch der dann folgende letzte Abschnitt hinunter nach Gondo war anspruchsvoll, so dass ich ihn warnte, diese Kilometer leicht zu nehmen.

In recht steilen Serpentinen ging es drei Kilometer lang insgesamt mehr als 600 Höhenmeter hoch nach Furggu. Es war sehr warm geworden und die Sonne am blauen Himmel heizte uns ordentlich ein. Glücklicherweise aber verlief der Weg oft im Schatten und immer wieder kühlte ein angenehmer Wind den feuchten Körper. Unten an der Verpflegungsstelle bei Gabi hatte ich zwei Gels genommen und zwei Becher Cola getrunken und hatte damit genügend Energie und Kraft um die Serpentinen hoch zu kommen.

Irgendwann hatten wir dann die kleine Kapelle erreicht. Mehr als die Hälfte des Aufstiegs lag hinter uns und weitere zwanzig Minuten später hörte man weiter oben das Geläut von Kuhglocken, das ein baldiges Ende des Aufstieges ankündigte. Da rief mir Bill plötzlich zu, dass Brigitte und Grace hinter uns seien. Sie hatten ein paar Kilometer vor Simplon-Dorf einen Abzweig übersehen und wohl um die 10 Minuten verloren. Sonst wären sie deutlich vor uns gewesen. Oben an der Verpflegungsstelle aber hatten sie uns dann wieder eingeholt. Auch hier stärkte ich mich wieder mit Gel und Cola, trank auch eine Bouillion, ein paar Becher Wasser und aß etwas Gebäck. Zwar ging es die restlichen neun Kilometer fast nur noch abwärts, aber das auf anspruchsvollen Wegen, die ebenfalls viel Energie erforderten.


Auf schmalen Pfaden ging es anschließend mehr als eine Stunde recht steil hinab, zuerst über Almwiesen, dann wurde der Weg auch immer wieder steiniger, manchmal ging es sogar wieder ein Stück bergauf. Und dann hatten wir die letzte Verpflegungsstation erreicht. „Nur noch vier Kilometer“ hieß es hier. Ich ließ mich aber nicht täuschen, wusste ich doch, dass diese vier Kilometer nach wie vor auf anspruchsvollen Pfaden verliefen.

Teilweise liefen wir jetzt wieder im schattigen Wald und hier irritierten die vielen Lichtflecken auf dem Boden, die von Steinen oft nicht zu unterscheiden waren. Zwar konnten wir nahezu alles joggen, ein übliches Tempo war aber auch hier nicht möglich.

Endlich wurden die letzten 1500 Meter angezeigt und bald waren wir auf der Straße, die sich in Serpentinen hinunter nach Gondo windet. Bill freute sich schon, dass er endlich auf einem angenehmen Untergrund laufen durfte, als wir schon wieder auf einen schmalen, steilen Pfad kamen, der die Serpentinenbogen abkürzte. Noch zwei Mal überquerten wir die Straße, bis wir endlich unten ankamen, durch den Spielplatz und bis ins Ziel vor dem voll besetzten Festzelt liefen.


In 8:41:23 Stunden haben wir diesen zweiten Tag geschafft und benötigten mehr als doppelt so lange, wie der Sieger Martin Schmid. Für die neun Kilometer hinunter von Furggu waren es genau zwei Stunden, kein guter Kilometerschnitt. Dafür aber hat mir hier jeder einzelne Kilometer gefallen.

Nach dem Duschen begann auch bald die Siegerehrung. Alle Finisher wurden aufgerufen und geehrt. Jeder bekam eine Urkunde und einen echten Simplonkäse, die drei Ersten der Altersklassen sogar eine Geldprämie.


Der Doppelmarathon in Gondo ist ein anspruchsvoller Lauf in einer herrlichen Landschaft, anspruchsvoll wegen seiner Steigungen und auch seinem Untergrund. Wohl keine fünf Kilometer werden auf Asphalt gelaufen, ansonsten nur auf Wanderwegen. Trotzdem können auch langsame Läufer wie ich den Lauf bestehen, denn das Zeitlimit ist recht moderat. Die Verpflegung unterwegs ist bestens, die Ausschilderung perfekt. Ich kann den Lauf also nur empfehlen und meine, dass jeder, der Landschaftsläufe liebt, hier laufen sollte. Wie sagte mir Peter Toobe nach dem Lauf: „Bisher war der Liechtenstein Marathon mein Favorit, jetzt ist es Gondo!“

Ich zumindest bin hier nicht das letzte Mal gelaufen.

Weitere Bildgalerie von Anton Lautner:

Gesamsieger:

Männer

1. Schmid Martin   CH  Zermatt  3:52:18  4:12:55  8:05:13
2. Caroni Francesco   I  Torino  3:59:26  4:14:32  8:13:58  
2. Trincheri Lorenzo   I  Dolcedo  3:59:26  4:14:32  8:13:58  

Frauen

1. Hawker Lizzy   CH  Winterthur  Monte-Leone  4:00:18  4:19:02  8:19:20 
2. Alter Julia   D  Mannheim  4:33:24  5:00:02  9:33:26
3. Näfen Lucia    CH  Brig-Glis  Viva Gondo  4:34:47  5:09:30  9:44:17

 

Informationen: Gondo Marathon
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024