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Laufberichte

„Ciao, i sono Andrea”

14.10.12

Fotos: Kay Spamer

Laut trällert Adriano Celentano „Azzuro“ aus dem Radio eines Cabrios, die andersartige und bei uns verbotene Hupe eines Autofahrers wird durch die Hupe eines anderen Autofahrers erwidert. Ein lautes kurzes Zischen, es ist nur ein Bus der Druckluft ablässt. Arbeiter knattern mit ihren stinkenden Nutzfahrzeugen auf zwei Rädern die Straße entlang. Junge Frauen, die elegant auf ihren Italo-Rollern vorbeifahren und denen ein junger Straßencasanova hinterherpfeift.

Situationen des bekannten italienischen Stils und eine Art italienischen Wohlklanges. Denn es ist dieser ganz bestimmte Sound, der für das anrührend nostalgische Gefühl beim Gardasee-Besucher sorgt, wie eine Rückkehr in die Jugend. Es ist halt so, wie es früher schon war. Erinnerungen werden wach an das süße Leben Italiens.


Die 70er Jahre


Erste Begegnung mit mediterraner Landschaft und Mentalität. Der nördliche alpine Charakter korrespondiert mit südlichem Mittelmeer-Charme. Mit Campingurlaub in Italien lag man im Trend (allein rund um den Gardasee gibt es über 130 Campinganlagen mit über 72.000 Stellplätzen) und mein „Fan-T-Shirt“ vom Camping dei Fiori (ich glaube, da war ich 12 Jahre) habe ich übrigens immer noch. Wenige Jahre später fuhr man nicht mehr nach Italien, denn das italienische Lebensgefühl konnte man auch vor der Haustüre haben. Die italienischen Mütter und Väter haben ihre hübschen  Söhne mit nach Deutschland gebracht, sowie Pizza und Pasta. Man traf sich in den Gelaterias (Eisdielen) mit Namen wie: San Remo oder Venezia.

Anfang der 80er. Es war die Zeit der Popper mit passendem Haarschnitt und Karottenhosen. Sie hatten einen extrem hohen Bund und nach unten konisch zulaufende Hosenbeine, dazu trug man College-Schuhe. Ich bekam mein erstes Mofa. "Schmale Taille, breiter Hintern - sieht aus wie eine Wespe" so wurden die drallen Reize des italienischen Piaggio Vespa Rollers beschrieben. Allein diese Beschreibung löste so etwas aus wie: „Will ich haben!“ Was dann kam, war ein Franzose. Lange habe ich mich für meine Velo Solex geschämt. Sie war dunkelblau und grottenlangsam. Neidisch schaute ich auf die Mofas und Vespas meiner Mitschüler. Aber, sie war unschlagbar günstig im Unterhalt und dazu ein ideales Sportgerät. Etwa zweieinhalb Liter Benzingemisch langten für 100 Kilometer und das Beste, wenn ich mitgetreten habe sogar noch länger, oder wie der Italiener sagen würde:  "La costanza sempre avanza."Mit Ausdauer kommt man immer vorwärts.


Frankfurt am Main versinkt im Grau


Der Römerberg, der Springbrunnen davor, die Startbahn West, der Himmel - alles grau. Es nieselt, und nichts erinnert an diesem Ort an einen goldenen Oktober. Auf dem Eisernen Steg mag sich heute keiner fotografieren lassen. Touristen huschen schnell darüber. Tropfend hängen die Vorhängeschlösser der Verliebten am Brückengeländer. Der Sommer war einfach zu kalt, zu nass, zu kurz. Sehnsucht macht sich breit nach ein paar Sonnenstrahlen. Und: wir sind neugierig, neugierig zu erfahren, wie es ist auf einer der dichtbevölkerten und dazu auf einer von zwei der verkehrsreichsten Staatsstraßen Italiens einen Marathon zu laufen. Wo sich an Sommertagen Familien-Vans und vollgestopfte Kombis, Wohnwagengespanne, Pulks von Motorradfahrern auf der Straße stauen.

 

"Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen?"


Nach einer regennassen Fahrt sind wir Stunden später am Lago di Garda angekommen. Ähnlich muss es J. W. Gothe 1786 ergangen sein. Nach einer stürmischen Überfahrt mit Nordwind, setzte er mit dem Schiff von Torbole nach Malcesine über und auf der anderen Seeseite erblickte er die Zitronenplantagen von Limone. „Wir fuhren bei Limone vorbei, dessen Berggärten, terrassenweise angelegt und mit Zitronenbäumen bepflanzt, ein reiches und reinliches Ansehen geben.“ Der Dichter schrieb dies in sein Tagebuch.

Von der blühenden Vergangenheit der Zitronen in Limone sind nur noch die Pfeiler und Mauern geblieben. Im alten Ortskern erstreckt sich über mehrere Terrassen das Zitronengewächshaus, eine Art Zitronenmuseum. Mit Zitronen wird aber auch heute noch gehandelt: mal als saure Frucht auf einer Wandkachel, mal auf T-Shirts, Handtüchern, Postkarten. Was hier im Glas gelb schimmert ist nicht die Sonne, sondern der Limoncello (Zitronenlikör). Das nennt man dann Marketing. Ursprünglich kommt der Name Limone nicht von den Zitronen, sondern von dem lateinischen Wort „Limes“ - zu Deutsch: Grenze – denn in dem Dorf verlief lange Zeit die Grenze zwischen Österreich und Italien.


„Ciao, i sono Andrea”


„Ciao, i sono Andrea” sage ich. Was folgt ist ein bedeutungsvolles Lächeln an der Startnummernausgabe. Das italienische Gesetz verbietet den Vornamen Andrea für Mädchen. Dieser Vorname ist ausnahmslos männlichen Nachkommen vorbehalten. Ehe ich mich versehe, bekomme ich eine neue Startnummer. So wurde aus der Startnummer 367 nun eine F145! Mit einem gelben Sack (zur Kleideraufbewahrung) bekommen wir Kabelbinder (zum Zusammenbinden des besagten gelben Sackes) und einen Aufkleber mit der Startnummer (zum Aufkleben auf den gelben Sack).



Ein weißes Plastikarmband weist uns für die nächsten zwei Tage als Marathonläufer aus und berechtigt auf den Fähren unbegrenzte Überfahrterlaubnis zum Beispiel nach Malcesine oder Riva. Unbedingt beachten sollte man jedoch, durch Vorzeigen des Armbandes einen offiziellen Fahrschein an der Fährstation zu besorgen. Wenn nicht, heißt dies, Fahrkarte besorgen und hinten anstellen. Nach dem wir nun dies Prozedere hinter uns haben, sitzen wir auf der Fähre nach Malcesine. Wir wollen uns das morgige Ziel anschauen und vom Gipfel des 2200 hohen Monte Baldo ein paar Fotos des Gardasees aus der Vogelperspektive schießen. Für 20 EUR lösen wir das Seilbahnticket. Im Preis ist der Eintritt in die Burg von Malcesine inbegriffen. Von dort hat man einen schönen Blick auf den ganzen oberen Gardasee.


Buona Domenica


Schöner Sonntag. Auf dem Frühstücksbuffet liegen Panini, Cornetti und die italienische Nussnugatcreme. Die Baristi schenken uns duftenden und dampfenden Kaffee ein. Früh am Morgen liegt er da, wie eine Marmorplatte, gesäumt von hohen Bergen. Nur wenn die Wolken eine Lücke bilden, dann glänzt der Lago di Garda in der milden Herbstsonne.



Die ersten Fähren werfen Wellen, bei der Überquerung aus Riva oder Malcesine. Sie sind voll besetzt denn jeder möchte zum Start nach Limone. Wer die Wahl hat, hat die Qual, denn man muss sich entscheiden, in welchem Ort man übernachten möchte: am Start (Limone) oder am Ziel (Malcesine).

 
 

Informationen: LAKE GARDA 42
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