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Laufberichte

Gescheidgut

17.06.12

Wir werden freundlich darauf aufmerksam gemacht, die Bachforellen, Karpfen oder was immer da im Wasser schwimmt, zu fotografieren. Ich erkenne nichts, aber vielleicht bin ich aber auch nur zu müde, um noch etwas klar erkennen zu können. Grund dafür ist meine gestörte Nachtruhe im Sporthotel, welches bis vor kurzem noch eine Jugendherberge war. Nicht überall wo Sport drauf steht, ist auch Sport drin – oder es kommt auf die Perspektive an. Hier haben viele Geister das Sagen, in Form von Hochprozentigem. Nach einer Bierprobe kann die Diskussion darüber auch schon mal bis morgens um 3:00 Uhr hitzig, leider aber direkt vor unserem Fenster, geführt werden.


Forelle, Karpfen und Co.


28 Kilometer sind gelaufen. Wir kommen an einer Sommerrodelbahn vorbei. Verlockend die Möglichkeit, sich hier einfach mal in so einen Frankenbob zu setzen und gemütlich auf den Berg gezogen zu werden, um sich anschließend über einen Kilometer lang ins Tal zu stürzen. 

„Ich See etwas was du nicht siehst“: Ein Tretboot getarnt als feuerroter Buggy und Ruderer auf dem Schöngrundsee. Der „Fischfanatiker“ wähnt sich beim Anblick des Sees am Amazonas und dichtet noch Krokodile und Schildkröten dazu. Auch bei ihm macht sich der Schlafentzug bemerkbar, denn er hat das Gleiche wie wir im Sporthotel durchgemacht. Er hat aber recht, denn die Karpfenteichwirtschaft hat in Franken eine mehr als 1000-jährige Tradition... Meine Gedanken drehen sich im Moment nicht um Fische, eher um das, in dem sie sich bewegen. Ich freue mich jetzt schon auf das Nass, allerdings mehr so in der Form einer kalten Dusche!

Kurz nach Kilometer 29 erreichen wir ein Terrassen-Café. Gierige Blicke, nicht nach uns Läufern, sondern auf die gehaltvollen Tortenstücke auf ihren Tellern.

Nur knapp zwei Kilometer weiter befindet sich am Steilhang des Weiherbachtals die Teufelshöhle. Wir haben den Touristenmagnet „Teufelshöhle“ erreicht.

Bei  Kilometer 33 laufen wir in die kleine Ortschaft Kirchenbirkig. Nach dem Sonntagsgottesdienst wird sich, noch mit dem Gesangbuch in der Hand, an der Dorfgaststätte getroffen. 

Jetzt zur Mittagszeit riecht es nach Sauerbraten und Joe´s Zaubertrank. Bier ist hier in Franken Kulturträger und es soll nirgendwo anders so viele Bierbrauereien geben wie hier. Mit 5500 Einwohnern pro Braustätte besitzt Oberfranken die höchste Brauereidichte der Welt. Ich frage mich ernsthaft, warum bekommen wir dann an der Verpflegung nur Wasser? Natürlich nur aus gesundheitlichen Aspekten. Denn Quellwasser galt schon von jeher als Exportschlager. Karl der Große und auch Kaiser Karl IV. sollen die Heilkraft des Wassers geschätzt haben und das aus gutem Grund denn das Wasser sollte „Abhilfe schaffen bei "Lahmigkeit der Glieder, Halßwehe, allerley Zufäll der Nerven, Brüch, Wassersucht, Gelbsucht, auch Unreinigkeit der Blasen und Nieren".

Der Dorfbrunnen, ganz klar, für uns die ideale Verpflegungsstelle.

Wieder tauchen wir in ein großes Waldgebiet ein. Es folgt ein extrem steiler Aufstieg zur Ruine von Leienfels, bevor es auf breiten Schotterwegen wieder abwärts geht. Dieses Stück wird zur Kopfsache. Geht es so weiter bis ins Ziel? Nein! Natürlich geht es wieder rauf. Eine knappe Stunde und wir werden hoffentlich unser Ziel in Obertrubach erreicht haben.

Leichtfüßig biken zwei Jungs in dreckverschmierten Klamotten den Berg herauf. Sie hüpfen mit ihren Bikes von Stein zu Stein und tänzeln mit den Rädern den Pfad entlang. Stöcke kann man übrigens getrost zu Hause lassen. Wird es richtig steil, dann gibt es an der Strecke Geländer, Trailschuhe würde ich aber dennoch  empfehlen, nicht nur bei Regenwetter.

 

Sonntagsbergläufer


Der Wind ist kühler geworden. Bei Kilometer 39 geht es nochmals in den Wald. Als ein Läufer, der eben noch fast auf dem Zahnfleisch kroch, sich plötzlich wie von der Tarantel gestochen abwärts in das Ziel stürzt, wünschte ich, ich hätte seine Kniegelenke. Als typische „Ab-und-zu-Sonntagsbergläuferin“ ist mein Körper nicht wirklich gut vorbereitet und die Knie schmerzen.

1200 Höhenmeter sind geschafft. S T A R T steht auf dem Banner, welches über den schmalen Waldweg gespannt ist. Eine junge Frau scannt unsere Startnummern ab. Feierabend - das war´s.

Von dem Zielort Obertrubach bekommen wir nichts zu sehen außer dem Bildungshaus. Es riecht nach Bratwurst und Duschgel. Mein Wunsch nach einer kalten Dusche ist erhört. Wir ziehen uns um in einem gemütlichen und warmen Raum mit nur einer einzigen, dafür aber eiskalten Dusche!

Im angrenzenden Haus ist die Siegerehrung schon in vollem Gange. Mir fällt bald die Kaffeetasse aus der Hand, als mein Name fällt. 1. Platz der Altersklasse. Ich bekomme eine Urkunde und ein fränkisches Kochbuch mit dem passenden Titel „Gescheidgut“. Mit einem herzlichen „Ade“ werden wir verabschiedet. Die Rückfahrt (stehend im Bus) lässt uns nochmal spüren, wie lange 42 Kilometer sein können.

Goldgelb glänzt es in der schlanken Flasche, der schäumende kühle Gerstensaft. Genau das richtige für uns durstige Fußreisende. Joe, wir sind uns sicher, heute warst du nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Mein Resümee: Unbekannt, unerwartet, unvergesslich. Jeder sei beneidet, der diesen Weg noch nicht gelaufen hat; denn er hat die Spannung, die Erlebnisse und das liebevolle „geknurre“ der Franken noch vor sich.

 
 

Informationen: Frankenweg-Trail
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