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Laufberichte

Dess wär' jetzt au g'schwätzt

18.09.11
Autor: Klaus Duwe

Es kommt ganz selten vor, dass ich ein Wochenende mal zuhause bin.  Es ist fast wie Urlaub. Laufen tu ich dennoch, in Karlsruhe. Das liegt mir vor der Haustür. Trotzdem wird es erst mein dritter Lauf in der Badischen Metropole.

Das Veranstaltungszentrum ist in der Europahalle (Hermann-Veit-Straße), Schauplatz großer Leichtathletik-Meetings und anderer Sportereignisse, aber auch Event- und Konzertarena. Hier sind die Marathonmesse mit Startnummernausgabe, Pasta-Party und Siegerehrungen. Der Zieleinlauf ist im Beiertheimer Stadion in unmittelbarer Nähe. Parkplätze gibt es nicht in ausreichender Anzahl, deshalb haben Teilnehmer mit Startnummer freie Fahrt mit der Straßenbahn.

Am Samstag ist es noch sommerlich, in der Nacht und am frühen Morgen schüttet es, die Temperaturen sinken zweistellig. Am Sonntag gibt es zunächst noch Nieselregel, dann bleibt es trocken bei 15 Grad und grauen Wolken. Wer gut trainiert hat, kann sich heute austoben. Wer nicht, rennt mit mir dem Feld hinterher.

Es wird in zwei Blocks gestartet. Ich lande versehentlich im ersten und bin um 9.00 Uhr dann mal weg. Man rennt schon deshalb viel zu schnell los, weil es kalt ist. „Willkommen in Karlsruhe“ steht auf dem bunten Schild. Das versteht jeder. „ZKM“, das steht auf dem Gebäude links, muss man Auswärtigen erklären. Genau übersetzt heißt es Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Es ist weltweit die größte Einrichtung für Medienkunst. Der Filmpalast im ZKM zählt mit seinen 10 Leinwänden und ungefähr 3000 Plätzen zu den Top-Ten in Deutschland.

Die Marathon-Organisatoren bemühen sich seit Jahren, ihrem Lauf einen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken. Zum dritten Mal sind jetzt verschiedene Tanzgruppen an der Strecke, um den Läufern einzuheizen und das Publikum zu unterhalten. Diesmal sollen es sogar 28 Gruppen mit 1600 Tänzerinnen und Tänzern sein. Eine erste Kostprobe wird uns nach noch nicht einmal  einem Kilometer präsentiert. 

Den Marathonis gefällt’s. Insgesamt sind über 9000 Läuferinnen und Läufer gemeldet, die meisten für den Halbmarathon. Aber immerhin 1518 haben sich für die 42 km entschieden. Das Feld ist dicht und nach vorn und hinten nicht zu überblicken. Von der Brauerstraße laufen wir ostwärts in die Kriegsstraße. Die alte Militärstraße wurde um 1800 außerhalb des Stadtzentrums gebaut, um Napoleons Truppen bei ihrer Durchreise aus der Stadt heraus zu halten. Heute ist die Kriegsstraße (B10) die wichtigste Ost-West-Verbindung.

Zuschauer gibt es hier nur wenige, dafür kann man außergewöhnliche Bauten bewundern, wie zum Beispiel im zentrumsnahen neuen City-Park die Paläste der Volksbank oder der Landesbank Baden-Württemberg. Hoffentlich halten die  magentafarbenen Säulen, die die Spitze des LBBW-Gebäudes tragen, den Sorgen und Schulden der Bank stand. Nebenan zeugen Kräne von reger Bautätigkeit. 

Die schier endlos lange Läuferschlange erreicht die Durlacher Allee (km 5) und folgt der Straßenbahnlinie in Richtung Durlach, 150 Jahre lang markgräfliche Residenzstadt, bis sie 1715 mit der Fertigstellung des Schlosses als solche von Karlsruhe abgelöst wurde. Direkt vor uns sehen wir den Turmberg mit den Resten einer Burganlage.   Sie ist ein beliebtes Ausflugsziel und mit der Turmbergbahn bequem zu erreichen. Dort befindet sich auch die Sportschule Schöneck. Zu Herbergers Zeiten trafen sich hier die Nationalkicker zu Vorbereitungslehrgängen.

Durlach  (km 7) ist nicht nur im Karneval eine Stimmungshochburg, auch der Marathon wird hier euphorisch gefeiert. Wir schlagen jetzt südwestliche Richtung ein. Deutlich bekommen wir demonstriert, welcher Strukturwandel sich in den letzten 60 Jahren vollzogen hat. Das Fabrikgelände mit dem riesigen Backsteinschornstein r des Nähmaschinen-, Fahr- und Motorradherstellers Gritzner, der 1957 von Pfaff übernommen wurde, sehen wir auf der linken Seite.

Eine Pfaff-  oder Singer-Nähmaschine stand damals in jedem Wohnzimmer. Ich kann mich noch genau an die Dinger mit dem gusseisernem Gestell und Pedal erinnern.  Die Marke gibt es zwar immer noch, aber wer näht heute noch selbst? Das machen jetzt Kinder in Bangladesh oder sonst wo für ein paar Cent.

In den Fabrikanlagen ist ein Gründerzentrum untergebracht. Prominentester Mieter war mal web.de, von den Greve-Brüdern 1999 aus ihrem Unternehmen, das sich mit Kino und Technik beschäftigte, ausgegliedert. Ein Jahr danach, gerade noch rechtzeitig vor dem Platzen der Internet-Blase, ging man die Börse. Später übernahm United Internet (1 & 1) das Unternehmen. So läuft das heute. 

Auch die Fiducia, Titelsponsor des Baden-Marathon, ist ein IT-Unternehmen. Allerdings kein start-up, sondern schon seit 1924 im Revisions- und Treuhandgeschäft tätig. Wie kaum ein anderes Unternehmen in dieser Branche hat die Fiducia die Zeichen der Zeit erkannt und frühzeitig auf die neuen Technologien gesetzt. Sie betreut  heute als IT-Dienstleister annähernd 800 Volks- und Raiffeisenbanken und erwirtschaftet mit ca. 3000 Mitarbeitern fast 700 Mio. Umsatz.

Wir sind gerade beim Firmensitz der Fiducia (lat. = Vertrauen), wo heute mit Rockmusik und vielen Zuschauern gefeiert wird. Besonders laut wird es, wenn ein Läufer oder eine Läuferin im orange/blauen Firmenshirt auftaucht. Und das ist oft der Fall. Denn alleine auf der Marathonstrecke sind 180 „Fiducias“ unterwegs. Eine so ausgelassene Stimmung mitten in der Pampa, das soll denen mal einer nachmachen.

Gleich nach km 10 laufen wir über die A 5. Die sonst viel befahrene Nord-Süd-Autobahn erinnert heute Morgen fast an die autofreien Sonntage während der Ölkrise 1973. Kaum ein Auto ist unterwegs. Viel Betrieb ist dagegen noch immer auf der  Laufstrecke, dazu gute Stimmung. Denn längst haben sich die Bestzeitenjäger nach vorne abgesetzt. Auf dem Asphaltweg durch den Oberwald ist gut zu laufen, manchmal überrascht uns eine kleine Zuschauergruppe, ansonsten quatscht man mit einem Mitläufer oder ist über Kabel mit zuhause, seinem Lieblingssender oder mit seinem MP3-Archiv verbunden. An schöneren Tagen ist der Oberwald ist mit seinem Tierpark und den Seen bei Läufern, Walkern, Bikern und Ausflüglern sehr beliebt.

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Informationen: Baden-Marathon
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