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Laufberichte

Rauf, runter, links, rechts!

 

Ein wenig verrückt muss man schon sein, einen Marathon „Indoor“ zu laufen. Und damit angeben braucht man auch nicht. Denn meist bekommt man „Hast an Vogel?“ oder „Bist reif für die Geschlossene?“ zu hören. Aber richtige Hardcore-Runner und Sammler sind schon dafür, so etwas Außergewöhnliches zu laufen. Oft hat man nicht die Möglichkeit und so ist der Indoormarathon in Nürnberg für Freaks die erste Adresse. Wenn es draußen nass, ungemütlich und kalt ist, kannst du drinnen laufen.

Und ein besonderer Tag ist dieser 6. November auch. Nicht nur der 12. Indoormarathon findet statt, sondern auch viele Leonhardiritte in Süddeutschland. Ein Pferdegespann sehe ich bei meiner Anreise über Feldwege fahren. Ja, Leonhards Gedenktag wird heute gefeiert. Er war fränkischer Adelssohn, der später als Eremit in den Wäldern von Limoges lebte. Als Kettenheiliger wurde er bezeichnet, später auch als Nothelfer und Schutzpatron für das Vieh. Wenn Euch mal die Gelegenheit geboten wird, besucht einen Leonhardiritt, der größte findet in Bad Tölz statt, einer der ältesten in Inchenhofen (Landkreis Aichach).

Sonntagmorgen ist kaum Verkehr, so brauche ich nur eine gute Stunde bis zum Standort der Landesgewerbeanstalt in der Tillystraße 2 in Nürnberg. Parken kannst du bei der LGA auch, so ist die Anreise bereits stressfrei. Nur, mein Navi kennt die Adresse nicht genau, so muss ich eine kleine Runde um das Industriegebiet drehen.

Der Indoormarathon hat viele Stammläufer und ist immer ausgebucht. Petra Schuster, die emsige und tüchtige Orga-Frau, benachrichtigt die interessierten Läufer, damit die sich gleich bei der Öffnung der Online-Registrierung anmelden können. Später werde ich Petra auch auf der Strecke sehen.  Ihr wurmt es ein wenig, dass 20 Startnummern nicht abgeholt werden. Weil die Läufer nicht abgesagt haben, gehen andere auf der Warteliste leider leer aus. Sportlich ist das nicht.

 

 

Teilnehmen können 120 Einzelläufer, zu gleichen Teilen auf der Marathon- und Halbmarathonstrecke, sowie 30 Staffeln mit je acht Läufer. Wenn ich jetzt euch schätzen lasse, wieviel Startgeld ihr für den Lauf, die Medaille, Funktionsshirt, Sponsorengaben, Urkunde und Geldpreise für die drei Gesamtschnellsten aufbringen müsst, würden sich die meisten verschätzen. Nur 22 EUR nimmt man für die Meldung und du erhältst sogar noch einen Stempel, mit dem du dich an der Kaffee- und Kuchentafel gratis versorgen kannst. Super, nicht?

Bei der Nummernausgabe geht es flugs. Du bekommst Gaben und Startnummern überreicht. Ja, nicht eine, sondern zwei: eine für vorne und eine für hinten. An einer ist der Transponder aufgeklebt, mit dem du als Marathoni keine deiner 55 Runden zählen musst, das übernimmt ein Zeitmeßteam von Bipchip. In der Tüte kannst du auf einem Blatt noch die wichtigsten Infos zum Lauf lesen.

15 Minuten vor dem Start werden wir für den Lauf eingewiesen. Die Regeln sind einfach und klar strukturiert: Wir sollen rechts laufen, links wird überholt. In den Treppenhäusern ist Überholverbot, erwischen darf man sich nicht lassen. Die Stiegenhäuser sind auch von Helfern überwacht, die im konkreten Fall eingreifen können, wenn es im Flug hinuntergehen sollte. Die Ecken sind mit Matratzen gesichert. Außerdem bittet man ohne Kopfhörer zu laufen. Nach der Einweisung trennen wir uns, die Halben gehen hinunter auf die Ebene 0, die Marathonis und Staffelläufer bleiben oben, rund 50 Meter vor der Ziellinie. Zuvor dreht Moderator Markus Othmer vom Bayerischen Rundfunk noch ein Video, wir dürfen dafür eine La-Ola-Welle inszenieren.

Ich bin noch angestrengt im Ratsch mit Gerhard Wally, der heute seinen 597. Marathon laufen wird, als mit einem lauten „Los“ gestartet wird. Die ersten jagen davon, als ob ein Marathon beim Start entschieden wird. Grund ist wahrscheinlich, dass keiner am Ende des langen Ganges vor dem ersten Treppenhaus anstehen will. Das kann nämlich am Anfang passieren.

Ich komme schnell in das Stiegenhaus hinein, trappe hinunter und komme ebenso flugs unten wieder hinaus. Kein Rückstau und kaum Zeit verloren. Unten laufe ich weiter und beschleunige den Kellergang entlang. Linkskurve, die V-Stelle beachte ich nicht, und weiter den zweiten Gang entlang, bis nach etwa 150, 200 Meter erneut das Treppenhaus wartet. Hier auch kein Rückstau, so kann ich gleich meist zwei Stufen auf einmal nach oben springen.

Auf der oberen Ebene geht es nach links weg und nach einer Minute bin ich im Foyer, wo nach der Linkskurve die Zeit genommen und auch angezeigt wird. Wieviel Zeit braucht man länger im Vergleich zu einem „normalen“ Outdoor-Marathon? Nun, auf den 55 Runden kommen 455 Meter Höhenmeter zusaammen, positive und negative addiert. Was auch nicht zu vernachlässigen ist, ist der Zeitbedarf an den Treppenhäusern. Du musst vorher abbremsen, hinunterspringen oder hochsteigen, dann wieder beschleunigen. Ich rechne einen zeitlichen Malus von 15 bis 30 Minuten. Wobei die Spitze im Marathon schon ab Runde zwei am Überholen ist und nicht mehr in einen Sparlaufmodus fallen wird. Bei denen bleibt der linke Blinker an!

Jede Runde will ich euch nicht erzählen, das würde meine Birne nicht aushalten. Ich kann mich noch an meinen ersten Start hier erinnern, als mir gegen Ende des Rennens langweilig wurde. Ich habe versucht, die Anzahl der Treppen zu berechnen, musste aber jedes Mal wieder vor einem Treppenhaus mit der Multiplizieren aufhören und hatte unten das Zwischenergebnis vergessen. Mittlerweile weiß ich die Anzahl der Stufen „no“ und „nauf“ (hinunter, hinauf): 22 Stufen hinunter, die gleiche Anzahl hinauf.  Das 55 Mal,  macht insgesamt 2420 Stufen. Und eine starke Beinmuskulatur, garantiert.

Langweilig ist so eine Veranstaltung auch nicht, auch wenn eine Vereinsangehörige mein Vorhaben mit der Bemerkung „du arme Sau“ kommentiert. Alleine schon die Treppenhäuser sind ein Erlebnis: hinunter muss ich vorsichtig laufen, bin im Vergleich zu meinen ersten Start unsicherer geworden. Außerdem ist in einem Treppenhaus das Geländer rechts angebracht, und an genau der Hand hängt die Kamera. Sollte ich den Abflug machen, könnte ich gleich die Qualität der Matratzen testen.

Hinauf geht es leichter, denn auf beiden Seiten kann man sich am Geländer hochziehen, wenn nicht die schnellsten Renner von hinten kommen, die drängeln sich vorbei. Andere gehen jede Stufe einzeln hoch, andere nehmen gleich zwei. Hinunter springen die Schnellen wie die Gazellen, immer zwei und die letzten drei im Sprung. Andere laufen jede einzelne Stufe hinunter in einem schnellen Stakkato. Da wird mir schwindelig.

 

 

Wie sind die denn auf die Idee eines Indoormarathon gekommen? Petra Schuster verweist mich an Rainer Weiskirchen, den Pressesprecher der Landesgewerbeanstalt. Er erzählt mir die ganze Geschichte. Vor Jahren hatten sie einen Tag der Offenen Tür und machten jede Menge Führungen in dem ellenlangen Gebäude. Abends hockte man beim Bier zusammen und überlegte, wie viele Kilometer man wohl gegangen sei. Es könnte ein Marathon gewesen sein. Marathon? Die Idee wurde aufgegriffen, man holte sich das Team Klinikum Nürnberg ins Boot, ein Laufverein mit guten Läufern und Organisatoren. Die Gänge wurden besichtigt und  für einen Lauf breit und lang genug befunden. Es musste dann nur noch vermessen, mit der Geschäftsleitung abgestimmt und Sponsoren gesucht werden. Und schon stand der erste Indoormarathon im Jahr 2005 in den Terminlisten.

Lionhart Erwin Bittel ist als Teilnehmer von Anfang an dabei und hat bis heute keinen Lauf ausgelassen. Auch wenn er jetzt ein wenig langsamer läuft, ist er immer noch schneller als ich. Er hat einen Duracell-Hasen auf seinem Hut und der gibt ihm die notwendige Energie. Ich kann da nur hinterherschauen.

Stichwort Verpflegung: Ich kenne keinen Marathon, wo du alle vier, fünf Minuten (nicht Kilometer) tanken kannst. Im Untergeschoss in der Linkskurve stehen die Helfer an den Tischen und sorgen für Nachschub mit Wasser, Iso, Cola, Bananen, Äpfel, Riegel und Keksen. Jede dritte bis fünfte Runde greife ich mir einen Becher. Für das Entsorgen der Becher ist Treffsicherheit gefragt, denn die Becher musst du in Abfallbehälter werfen. Einfach auf den Boden werfen geht nicht, denn nach kurzer Zeit wäre der Noppenboden nass und rutschig. Sollte doch etwas danebengehen, steht ein Putztrupp bereit.

„Da kriegst ja keine Luft“, wurde ich im Vorfeld gewarnt. Vonwegen, in den Fluren sind alle drei bis fünf Meter die Fenster gekippt, die Luft ist gut,  die Temperaturen läuferfreundlich. Lediglich im Foyer ist es deutlich wärmer. Das liegt vielleicht aber auch an der fetzigen Musik und an der Samba Gruppe „Ritmo Candela“.

Der Laufuntergrund: Auf der Ebene 1, also oben, ist unser Laufbelag Filzboden, der sich gut belaufen lässt. Vergleichbar fast mit einem Tartanbelag in einem Stadion. Und unten rennen wir über Noppenboden, der schon etwas härter ist. Gegen Ende des Rennens merkt man, wie man selbst oder die Gegner auf diesem Noppenboden laut dahinhatschen.

Es dauert nicht lange, dann kommt von hinten ein bekannter Lauf-Hatsch-Schritt, Willi Beck, ein Sportler aus meinem Lauftreff in der Stadtverwaltung. Den Willi würde ich sogar nachts bei Dunkelheit um drei Uhr an seinem Getrappel erkennen. Aber fit ist der Läufer der Klasse M60 schon. Vor Wochenfrist hat er mich beim Lionslauf in meiner Heimat vor sich hergejagt.

Ja, und wenn man viel trinkt, muss man auch viel entsorgen. Auch das ist kein Problem, denn alle 50 Meter gibt es Toiletten in den Quergängen.

Die Rundenzählerei macht die EDV. Aber wie bekommt der Läufer mit, in welcher Runde er unterwegs ist oder wie viele er noch machen muss? Genial, ein paar Meter hinterhalb den Zeitmeßtoren wirft ein Beamer deine Rundenzahl an die Wand. Am Anfang sind aber so viele Läufer unterwegs, da braucht es ein bisschen Glück und ein scharfes Auge, damit du deine Runden sehen kannst. Später, wenn nur noch Marathonis unterwegs sind, wird es einfacher. Am Ende sollte man aber beim Zeitnehmer noch einmal nachfragen, bevor man die Arme hochreißt. Es ist schon mal vorgekommen, dass einzelnen Athleten eine Runde fehlte und sie nicht auf der Ergebnisliste auftauchten. Ärgerlich.

Nach rund zwei Stunden Laufzeit wird es ruhiger in den Gängen, die Halbmarathonis sind mit ihrem Tagwerk am Ende, sind beim Duschen, in der Kantine oder beim Zuschauen. Die schnellsten Einzel- und Staffelläufer ziehen weiterhin ihre Runden. Ich merke nach 30 Runden so langsam meine Beine, eine ungewohnte Belastung ist das mit dem vielen hinunter, hinauf, links und rechts. Dann werden die Schnellsten mit ihrem Lauf fertig und ich bekomme auf meinen Runden mit, dass sie im Foyer erwartet und angekündigt werden. Meine Restrundenzahl ist noch zweistellig, als der erste durch das Siegerband läuft.

Einer rollt das Feld von hinten auf. Pumuckl, mit den letzten gestartet, läuft noch deutlich unter die Top Ten im Endklassement. Aber nicht mit Schuhen, sondern (wie meistens) barfuß! Auf einer meiner letzten Runde muss ich mir vom Dietmar anhören, ob ich auch dafür bezahlt habe, so langsam wie ich daherkomme. Er lacht und hält mir sein Isogetränk hin, das es bei der VP im Keller in der Form nicht gibt. Ein Hopfen-Smoothie!

 

 

Meine letzten drei Runden - vier Stunden sind lange verstrichen. Ich muss mich langmachen, dass ich pro Runde nicht mehr als fünf Minuten brauche. 4.30 Stunden will ich nicht überbieten. Und dann bleibt die Uhr bei guten 4.25 Stunden stehen, der Helfer am Computer hebt den Daumen hoch und der heutige Indoormarathon „is a gmahde Wiesn“!

Eigentlich will ich noch eine Ehrenrunde in den Gängen drehen, doch mein innerer Schweinehund treibt mich in die Kantine zu Kaffee und Kuchen. Jetzt lasse ich ihn den Vortritt, nächste Woche wird er wieder geschunden, der Pigdog.

Na, bei wem habe ich jetzt Interesse geweckt? Nehmt Verbindung zu Petra auf, die setzt euch dann auf die Mail-Liste, damit ihr euch pünktlich anmelden könnt. So ein Rennen macht unbandig Spass.

 

 

 

Die Erstplatzierten beim Marathon
Männer

1. Michael Burkhard, Schwabbruck IMF, 3.09.02
2. Thorsten Siegl, TEAM AR SPORT, 3.10.55
3. Andrzej Kulawiak, Opex, 3.12.40

Frauen
1. Sonja Huber, TG Viktoria Augsburg, 3.50.00
2. Renate Warnstedt, Triathlon Gera, 4.01.50
3. Anja Rieder, LG Mauerweg, 4.09.26


Teilnehmer:
Gesamtteilnehmer 120 Einzelläufer, 30 Staffeln. Mehr Teilnehmer verträgt die Strecke nicht

Streckenbeschreibung:
Auf Filzboden und Noppenboden, 2 Treppenhäuser.

Wettbewerbe:
Marathon, Halbmarathon, Staffellauf.

Zeitnahme:
Bibchip (Transponder in der Startnummer).

Auszeichnung:
Große Goldmedaille, Funktionsshirt, Urkunde für alle. Geldpreise für die 3 schnellsten Damen und Herren. Das alles für 22 EUR Startgeld.

Logistik:
Reichlich Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe. Startnummern können bereits Freitag und Samstag zuvor abgeholt werden, am Starttag ab 08.00 Uhr. Duschmöglichkeiten und  Kleiderablage im abgetrennten Bereich.

Verpflegung:
Verpflegungstation auf der Ebene 0 mit Iso, Wasser, Cola, Bananen, Äpfel, Riegel, Keksen.

Zuschauer:
Viele Zuschauer im Foyer, sachkundige Moderation, Sambagruppe

Termin 2017:
Wieder im November. Interessierte frühzeitig anmelden, denn die Startplätze sind Wochen vorher ausgebucht.

 

 

 

 

 

 

 


 



 

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