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Laufberichte

Wein, Weib und Gesang

16.06.18 Ahrathon
 

An der Ahr ist es schön. So dachten schon im 19. Jahrhundert Bonner Professoren und Studenten und zogen nach dem Motto "Wein, Weib und Gesang" in die schöne Landschaft an der Ahr. An dem kleinen Nebenfluss des Rheins befindet sich Deutschlands nördlichstes Weinbaugebiet. Somit ist es nicht verwunderlich, dass es eine Flasche "guten" Ahrweins im Starterbeutel gibt. Quasi als Werbung in eigener Sache.

Ich fahre Samstag früh im Oberbergischen los, finde einen Parkplatz direkt vor dem Dorint Hotel und hole mir die Startunterlagen. Die gibt es Samstag ab 8 Uhr im Kongresszentrum des Dorint-Parkhotels Bad Neuenahr, unmittelbar am Start- und Zielbereich. Die Kleiderbeutelabgabe ist auch in diesem großen Raum. Karl-Heinz ist schon Freitag angereist. Das haben etliche andere auch gemacht und am Freitagabend das Pasta-Satt-Buffet im Dorint mitgemacht.

Marcel und Andre aus dem Oberbergischen sind auch dabei. Wir freuen uns auf einen schönen Lauf durch das Ahrtal. Mehr als zwei Drittel der Strecke führt uns über den Weinbaulehrpfad und den Rotweinwanderweg. Es geht durch die Weinberge. Gelaufen wird zweimal eine Halbmarathonrunde. Allgemein nicht so ganz mein Ding, aber die an den Verpflegungsständen angebotene Weinverkostung und diverse Leckereien lassen mich die zwei Runden hinnehmen.

Neben Marathon und Halbmarathon gibt es noch drei Walking Wettbewerbe, den doppelten "Ahrlauf" 10 Km und Schülerläufe im Angebot. Eine Kostümwertung für den HM rundet das Ganze ab. Eine Veranstaltung, bei der für jeden etwas im Angebot ist.
Punkt 9 Uhr geht es los. Um 9.10 Uhr folgen die schnellsten Halben, 9.50 und 10.05 Uhr werden die langsameren Halben auf die Strecke gelassen.



Petrus spielt mit


Vor dem Start treffe ich die M4Y-Kollegen Birgit und Norbert (ihre 182 Bilder vom "kostümierten Halbmarathon" findet ihr am Ende des Berichts). Karl-Heinz taucht auf und wir quatschen bis zum Start. Es ist wunderschönes Wetter vorhergesagt. Über 20 Grad warm, kein Regen, nur ab und an eine Wolke vor der Sonne. Die Vorhersage behält Recht. Es ist warm. Ich komme direkt ins Schwitzen. Ins Schwitzen kommen wird auch der Weihnachtsmann. Ich treffe ihn kurz bevor es bei den Marathonis losgeht und darf einmal in sein Kostüm schlüpfen. Respekt, darin zu laufen.

Man sieht viele verkleidete Läufer. Das liegt wohl an der Extra-Kostümwertung beim Halben. Überhaupt steht der Spaßfaktor hoch im Kurs. Der Lauf ist übrigens mit insgesamt 2.500 Läufern ausgebucht. Rekordteilnehmerzahl!

Die ersten Meter legen wir an der ruhig dahin fließenden Ahr auf asphaltiertem Rad-Gehweg zurück. Eine Unterführung bringt uns unter einer Straßenbrücke hindurch. Der erste Km ist geschafft. Ich merke schon den Einfluss der Wärme und lasse es ruhig angehen. Marcel und Andre düsen vorne weg und Karl-Heinz lässt es noch etwas ruhiger angehen als ich. Er ist halt ein Genießer. Er will was vom Lauf haben.
Wir laufen über eine Brücke auf die andere Seite der Ahr und bleiben am Fluss. Nach Km zwei biegen wir rechts ab und vor uns erscheint ein imposantes altes Stadttor. Nachher kommen wir durch das Stadttor und laufen an der Ahr zum Ziel der zweiten Runde entgegen. Wir queren die gut gesicherte Straße und weiter geht es an der Ahr flussaufwärts.

An beiden Ufern sieht man noch niedergedrückte Vegetation durch das Hochwasser der vergangenen Tage. Irgendwo müssen die Starkregen ja abfließen. Wir haben nun für einige hundert Meter einen kleinen Bach rechts neben uns. Eine Brücke führt uns über diesen. Die ersten Reben tauchen auf, sie gehören zum Weingut Kriechel, dessen Wein wir an der ersten Verpflegung (VS)  bei Km 5,2 bzw. 26,2 verköstigen können.



Kloster Kalvarienberg im Blick


Als ich zurück schaue, sehe ich hinter uns das bekannte Kloster Kalvarienberg. Das werden wir später auch aus der Höhe der Weinberge zu sehen bekommen. Km 4 wird passiert und kurz später verlassen wir die Ahr und biegen nach rechts ab. Die ersten Weinberge am Hang sind zu sehen.

Ich treffe Marion und Jochen. Beide sind auch Israelfans und wie sich herausstellt, kennen sie alle meine Laufberichte aus Israel. Wir werden uns heute noch des Öfteren sehen. Schön, wenn man immer wieder nette Läufer trifft und sich gut unterhalten kann.

Es klingelt. Nicht mein Mobiltelefon, nein die Fahrradbegleitung des Führenden im Halbmarathon. Und schon saust der Bursche an mir vorüber. Ich bleibe ruhig und genieße den Blick aufs Kloster Kalvarienberg.

Wir laufen durch Walporzheim. Km 5 bleibt hinter uns und die erste VS bietet Köstlichkeiten. Norbert steht schon da mit einem Glas Rotwein, da lasse ich mich nicht lumpen und greife auch zu. Prost! Ein Gläschen zu Beginn des Laufes ist ja wohl noch erlaubt. Auf mehr verzichte ich allerdings, ich bin ja nicht nur Läufer, sondern auch Autofahrer.

Mit dem Glas Rotwein der Hand fasse ich den Entschluss: Beim nächsten Mal wird hier ein Wochenende mindestens von Freitag bis Sonntag verbracht. Dann kann man beim Ahrathon alles mitnehmen, was angeboten wird. An fester Nahrung haben mir es die leckeren frischen Erdbeeren angetan.

 

 

Frühstück


Wenige Meter nach der VS 1 wechsle ich auf die linke Straßenseite. Hier sitzen nette Leute beim Frühstück, die mir prompt was abgeben.  Vielleicht sind diese netten Menschen auch noch in der zweiten Runde da, denke ich mir.

Es wird ernst. Unter einer Unterführung durch, links ab und hinauf in die Weinberge. Es geht zum Rotweinwanderweg. Wer hat noch nicht davon gehört. Hier und jetzt dürfen wir drüber laufen. Unter uns liegt neben der Straße der Bahnhof von Walporzheim. Wir fallen mehr oder weniger alle vom Lauf- in den Gehschritt und gewinnen Höhenmeter. Der Schweiß fließt in Strömen. Und ich hab meine Kappe und meine Getränkeflasche im Auto vergessen!

Km 6 wird im Aufstieg passiert. Einige extreme Hanglagen sind aufgelassen. Man sieht die Brachflächen deutlich. Aber der Weinbau ist hier im Ahrtal ein florierender Wirtschaftsfaktor. Was wäre die Region ohne den Weinanbau? Den alten Römern sei‘s gedankt. Es gibt hier in Ahrweiler-Bad Neuenahr übrigens auch eine alte ausgegrabene Römervilla.

Wir laufen auf einem Weinlehrpfad. Immer wieder weisen Schilder auf bestimmte Lagen hin und erklären Besonderheiten des Weinanbaus. Ich habe aber keine Zeit zum Lesen, so langsam gehe ich auch nicht. Aber Zeit um die Landschaft zu betrachten, haben ich. Interessant ist auch die an Trockenheit angepasste Vegetation auf den Steinflächen der Mauern.



Mehr und mehr Halbe ...


... überholen uns. So auch Magnus und Andreas, mir bestens bekannt aus meinem Lauftreff an der Hochschule des Bundes in Brühl. Die Höhe ist erreicht und ich lasse es wieder laufen. Nach einer Biegung können wir den weiteren Laufweg durch die Weinberge gut sehen.

Eine Baustelle verengt den ansonsten recht breiten Laufweg. Der Untergrund ist längst nicht mehr asphaltiert. Der Blick voraus geht über Ahrweiler-Bad Neuenahr bis zur in der Ferne gut erkennbaren mächtigen Autobahnbrücke der A 61. Ich konzentriere mich auf VS 2 bei Km 7,5. Das Restaurant & Hotel Hohenzollern bittet zu Tisch. Da kann ich doch nicht nein sagen. Erdbeeren und Brot in leckeres Olivenöl getaucht passt zwar nicht, aber hinein damit.

Einige Worte zur Verpflegung. Allein hierfür lohnt sich der Ahrathon. Es gibt 7 VS auf der HM-Runde, also 14 beim Marathon. Bei jeder VS bietet ein bekanntes Weingut bzw. Winzergenossenschaft Läufern Getränke an. Wer mag, kann Wein aus der jeweiligen Weinberglage verkosten. Dazu gibt es regionale Speisen, sprich Gourmethäppchen,  als Fingerfood. Perfekt.



Geheimnisvolles Bauwerk


Wieder auf Straße geht es abwärts. Aber nicht lange, da führt es uns wieder steil empor. Ein Schild weist den Weg zum ehemals geheimsten Bauwerk der Bundesrepublik Deutschland. Es ist der atombombensichere ehemalige Regierungsbunker. Standortgünstig nahe des alten Regierungssitzes Bonn und unter Nutzung zweier Eisenbahntunnel der unvollendet gebliebenen Bahnstrecke durchs Ahrgebirge wurde hier für den Ernstfall ein Rückzugsraum für die Bundesregierung geschaffen.

Nach seiner Fertigstellung 1971 wurden bis zur Stilllegung regelmäßig Übungen abgehalten, einschließlich einem Übungs-Bundeskanzler. Ein Klasse Job, um den – so hört man – sich die Regierungsmitglieder nicht gerade gerissen haben. 2001-2006 erfolgte der Rückbau, 203 m können heute besichtigt werden.

Wir lassen den Bunker links über uns liegen, passieren Km 8 und haben einen schönen Blick auf das auf der anderen Talseite am Hang gelegene  Restaurant & Hotel Hohenzollern. Dann sehen wir schon die VS 3 bei Km 10,2 an der Winzerkapelle.
Aber vorher laufen wir auf Straße hinab und biegen nach links ab, weiter hinauf. Hinter uns sind die imposanten Brückenpfeiler der ehemaligen Ahrgebirgsbahn zu sehen. Nachher werden wir hier noch einmal vorbei kommen.

Aber erst einmal heißt es weiter hinauf auf Asphalt. Gottlob spendet der Wald etwas Schatten.  Mehrere Kehren bringen uns aufwärts.

 

Ein Viertel ist vorbei


Die ersten 10 Km sind geschafft. Ein Fahrrad mit richtig dicken Reifen weckt mein Interesse, aber ich bleibe beim Laufen. Dann die VS 3 an der Winzerkapelle. Bei diesen Kostbarkeiten kann man nicht wiederstehen. Bei diesem  Lauf nimmt garantiert keiner ab.

Vor der Kapelle sitzt ein Duo und heizt uns musikalisch ein. Klasse was Marc und Monty hier bieten. Die Strecke führt uns dann weiter aufwärts, aber es sind auch flachere Stücke dabei. Insgesamt ein Lauf zum Genießen. Und das nicht nur kulinarisch, auch fürs  Auge haben die Weinberge und das Ahrtal einiges zu bieten. Zum Teil erinnert mich der Ahrathon an den Chianti Marathon in der Toskana.
Auf der Hochfläche hören die Weinberge auf und links sind Getreidefelder zu sehen. Wir stoßen auf eine Straße und laufen hinauf, vorbei am Heimkehrerdenkmal. Nun heißt es Höhenmeter vernichten. Der Maubischpass mit imposanten 177,5 Hm wird überlaufen und es geht hinab nach Lantershofen. Die Sonne brennt von oben. Ich merke, wie meine Beine zu Pudding werden.

Die nächste VS bei 13,2 kommt gerade zur rechten Zeit. Wasser zur Kühlung über den Kopf, Getränke fassen, Erdbeeren und Fingerfood greifen. Und weiter. Beim Weiterlaufen nehme ich noch die Klänge des musikalischen Duos mit. Auch diese Zwei sind Spitze.

Wir laufen immer noch in voller Sonne. In den Weinbergen um uns herum wird mächtig gearbeitet. Schließlich soll der neue Jahrgang auch wieder ein guter werden. Wie sagt doch ein Läufer auf meine Bemerkung, dass es mächtig warm sei: Warum gibt es hier wohl so einen guten Wein?



Die Straße ...


... hat uns wieder. Wir laufen steil hinab Richtung Ahrweiler. Aber an der Bundesstraße angekommen, biegen wir rechts ab und müssen mächtig steigen. Natürlich gehend. Das hier laufe ich in der Sonne nicht. Km 15 sieht uns schon wieder in den Weinbergen. Über uns liegt die Winzerkapelle,  vor uns tauchen die mächtigen Brückenpfeiler auf. Als wir an ihnen vorbei laufen können wir gut sehen, dass sie als Klettermöglichkeiten genutzt werden. Diverse Routen führen hinauf. Sogar Überhänge sind zu klettern.

Wir meistern immer noch die stechende Sonne. Es kommt der Abzweig, den wir vorhin hinauf zur Winzerkapelle genommen haben. Etliche Läufer sind auf ihrem Weg hinauf zu sehen. Es sind Halbe, meist kostümiert. Wir dürfen scharf links abbiegen und hinunter. Steil hinunter.

Kurz nach Km 16 dürfen wir über die Brücke hinein nach Ahrweiler. Es geht durch die Altstadt, mir von diversen Besuchen bestens bekannt.  Links am Weißen Turm ist VS 5, wieder mit vielen Köstlichkeiten. Bei Wackelpudding mit Gummibärchen z. B. kann ich nicht widerstehen. Auch hier spielt ein Duo gute Mucke.

Ich muss weiter. Ein Schild zeigt uns an, es sind nur noch 4,5 Km bis zum Ziel meiner ersten Runde. Puh, das wird hart heute. In mehreren Kurven durchlaufen wir die Altstadt. Rechts sehe ich den Nachbau der alten Synagoge. Hier war ich schon mit Freunden aus Israel.

 

Bunter Haufen


Durch die alte Stadtmauer hindurch laufen wir auf den uns bekannten Hinweg entlang der Ahr zu. Hier kommen uns jede Menge bunt kostümierte Läufer entgegen. Da wird dem Auge was geboten!

Vor der Brücke über die Ahr, über die wir beim Hinweg von der anderen Seite kamen, ruft mir ein netter Helfer zu: Junger Mann, bitte geradeaus! Ich bedanke mich bei ihm für den „jungen Mann“. Die Wärme hier unten im Tal ist sehr drückend. Ich muss mich richtig zusammen reißen, um im Laufschritt zu bleiben. Das Ziel ist auf der anderen Seite zu sehen und wir müssen noch etwas die Ahr abwärts laufen. Gut ist, dass es noch eine Wasserstelle an einer kleinen Brücke gibt.

 


Mentale Stärke


Weiter die Ahr entlang. Vor dem Kurgarten kommt VS 6 und stärkt uns mit ihren Köstlichkeiten. Eine weitere Mucke motiviert musikalisch. Noch durch den Kurgarten und dann taucht endlich das Zielbanner im  Dahliengarten auf. Der Sprecher fragt mich, ob ich schon fertig sei. Ich bedaure und mache mich auf zur zweiten Runde. Kurz hinter dem Zielbanner sehe ich auf der anderen Seite der Ahr Karl-Heinz laufen. Ein echter Kämpfer.

Ich beweise mentale Stärke. Ich sehe im Dahliengarten jede Menge fröhliche Läufer auf Bänken und auf dem Rasen sitzen oder liegen. Alle laben sich  an Getränken und diversen Leckereien. Es ist verlockend, aber ich verwerfe den Gedanken, hier nach einer Runde auszusteigen und kämpfe. Allerdings mache ich auf der zweiten Runde Gehpausen. Und damit fange ich schon bei Km 23 an. Es ist mir zu heiß. Klar, die Steigungen gehe ich später auch alle. Aber die flachen Stücke und bergab kann ich laufen.

Diverse Unterhaltungen mit netten Läufern und die Angebote der VS sorgen für Abwechslung. Und natürlich die Attraktivität der Strecke. Auf Zeit möchte ich hier aber nicht laufen, denke ich mir. Das Ding  ist ein echter Lauf zum Genießen.

Weitere Kostümierte kommen mir entgegen. U. a. zwei Läuferinnen ganz grün als Hulk verkleidet. Da kann man schon einen Schrecken kriegen. Aber die Beiden sind friedlich. Vor dem Stadttor fotografiere ich noch zwei Pharaos und mache mich dann auf in die Weinberge. Hier sind jetzt viele Wanderer und jede Menge Walker unterwegs. Auf meinen Zuruf „Heiße Suppe“ machen sie bereitwillig Platz und applaudieren. Danke, das treibt mich voran.

Kämpfend und schnaubend nähere ich mich dem Ziel. Gerade noch unter 5.30 Std. laufe ich durchs Zielbanner. Das war wunderschön, tolle Strecke, sehr abwechslungsreich, Klasse Organisation und Verpflegung, aber durch die Hitze  war die mit 288 Hm pro Runde gewürzte Strecke auch ganz schön hart.

Auf der Heimfahrt denke ich so bei mir, schade, dass ich nicht gewonnen habe. Die Sieger werden nämlich in Wein aufgewogen. O.k., bei meinem Gewicht ist das nicht das meiste, wäre aber dennoch ein reizvoller Gewinn gewesen. Gewonnen habe ich dennoch. Es war ein schöner Tag und hat richtig Spaß gemacht.

 

Fazit:


Die Bonner Professoren und Studenten hatten Recht in der Bewertung des Ahrtals. Ein empfehlenswerter Marathon auf schöner Strecke durchs wunderschöne Ahrtal. Gute Organisation. Allein wegen der Verköstigung unterwegs zu wiederholen.

 

 

Birgits Bilder vom "Kostüm-Halbmarathon"

 

 

 

 

 

 

 

 

Informationen: Ahrathon
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