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Laufberichte

Tatort: Duisburg-Ruhrort

 

Groß geworden in den 80er Jahren spielte natürlich auch der Tatort mit Schimanski eine nicht unbedeutende Rolle in meiner Jugend. Aus Duisburg kannte ich noch den MSV, deren Spieler liebevoll Zebras genannt werden und seinerzeit durch die Bundesliga galoppierten. Fast genauso alt ist der Rhein-Ruhr-Marathon, wobei ich in dessen Anfangszeiten an einen solch langen Lauf keinen Gedanken verschwendet habe. 1.000m-Läufe waren die ultimative Herausforderung. Die Dinge ändern sich: Schimanski ermittelt nicht mehr, die Trikots der Zebras bereichern ab der kommenden Saison leider nur noch die 3. Liga und ich laufe regelmäßig Marathon. Diesmal also an Rhein und Ruhr.

Die Anreise mit Anhang erfolgt bereits am Freitagabend. Akklimatisierung tut Not, denn es sind hochsommerliche Temperaturen für das Wochenende vorausgesagt. So können wir am Samstag gemütlich das Flair der Stadt und den größten Binnenhafen Europas genießen.

Abwechslung gibt es genug, neben Resten der Stadtmauer am Innenhafen sind Rathaus und Salvatorkirche Highlights, auch wenn der Turm der letzteren derzeit eingerüstet ist. Dafür strahlen das Stadttheater und der Lebensretter-Brunnen von Niki de San Phalle umso mehr mit der Sonne um die Wette. Die Temperaturen überschreiten schon am Samstag locker die 30 Grad-Grenze, weshalb natürlich Entspannung angeraten ist, denn für den Marathontag sind noch höhere Temperaturen angesagt. Faust auf Faust, hart, ganz hart wird es werden.

Zentral am Hauptbahnhof nutzen wir die gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmittel, um pünktlich um 10 Uhr bei der Startnummernausgabe zu erscheinen. Gute 6.000 Teilnehmer werden an diesem Wochenende die verschiedenen Strecken von den Kinderläufen über die Staffeln, Inliner und den Halbmarathon bis zur Königsstrecke unter die Füße nehmen. Da bietet es sich an, die Startunterlagen früh abzuholen, um dem größten Ansturm aus dem Weg zu gehen.

Eine echte Herausforderung wird das Rennen bei einem der ältesten Stadtmarathons Deutschlands für alle Teilnehmer. Da lassen wir am Sonntagmorgen gerne das Auto im schattigen Parkhaus zurück und nutzen den Bus, um pünktlich am Start zu erscheinen. Obwohl, ich hätte mir noch etwas Zeit lassen können, denn da die Strecke noch nicht freigegeben ist, verschiebt sich der Start um 20 Minuten. Zur ursprünglichen Startzeit um 8.30 Uhr gehen die Inliner und Handbiker auf die Strecke.

 

 

Unangenehm ist das grundsätzlich nicht, ich mache mir nur Sorgen für den Rennverlauf, denn schon jetzt ist es mollig warm. Da mir die Hitze nicht besonders liegt, werde ich besonders aufpassen müssen. Für Duisburg ist das Wetter allerdings keine Überraschung, weswegen mit insgesamt 19 offiziellen Verpflegungspunkten einer Dehydrierung entgegengewirkt wird.  Deshalb kann ich mich um 8.50 Uhr unbeschwert mit der Menge auf die Strecke begeben.

Über die Kruppstraße laufe ich nach Norden. Der Startpunkt ist schon deshalb gut gewählt, da der Stahlunternehmer der Stadt Duisburg das Gelände seines nicht mehr rentablen Kieswerkes geschenkt hat, damit man sich hier erholen und ertüchtigen kann. Und das in vielfältiger Weise, wie man auf dem Bertasee sehen kann, auf dem gerade eine internationale Regatta ausgetragen wird. Näher an den Zuschauern sind eindeutig wir Läufer, durch deren Spalier wir unseren Lauf aufnehmen.

Abschnitte mit Sonne und Schatten wechseln sich ab. Der flache Abschnitt lässt ein gleichmäßiges Tempo zu. Im Schatten meines Hotels passiere ich KM 3, etwas später knickt die Strecke in Richtung Innenstadt ab, von der wir das Stadttheater zu sehen bekommen. Diesem hat Duisburg den Ruf  als Bayreuth am Niederrhein zu verdanken, denn Wagner wird hier gern gespielt. Wir biegen in Richtung Innenhafen ab und ich freue mich schon auf die Überquerungen von Ruhr und Rhein, die es nur auf der Marathonstrecke gibt.

Noch bevor ich den ersten offiziellen VP erreiche, haben aufmerksame Anwohner Wasser bereitgestellt. Schon jetzt kann ich ein Schlückchen gut gebrauchen. Über die Portsmouthbrücke quere ich unter Sambarhythmen, für die der Rhein-Ruhr-Marathon bekannt ist, den Innenhafen. Links sticht ein roter Backsteinturm aus der modernen Architektur hervor, das Landesarchiv von NRW. Auf dem Weg nach Westen spendet er mir Schatten, bevor die Strecke mich bei KM 5 nach Norden zur Ruhr führt.

 

 

Wir nähern uns nun Schimanskis Revier, Ruhrort. Auf dem Weg dorthin quere ich die Ruhr über die nach Karl-Lehr benannte Brücke. Als Duisburger Oberbürgermeister hat er sich  in besonderer Weise um den Ausbau der Duisburg-Ruhrorter Häfen verdient gemacht.

Auch wenn ich langsam anfange, in der Sonne zu braten, fühle ich mich nicht so, wie Horst Schimanski sich gerne ausgedrückt hat: Scheiße. Im Gegenteil, ich genieße den Ausblick über die Ruhr. Begleitet von Sambamusik erreiche ich die nächste Verpflegungsstelle. Hier kann ich erstmals duschen, wozu ich im Verlauf des Rennens noch öfters Gelegenheit bekommen werde. Der Veranstalter hatte im Vorfeld die Anwohner an der Strecke dazu aufgerufen, die Läufer auf diese Weise zu unterstützen.

Dann wartet die nächste Brücke, diesmal über den Rhein-Herne-Kanal. Im Wasser schaukelt ein Lastkahn und wartet darauf, die Schleuse passieren zu dürfen. Ich darf ohne Pause weiter und verlasse nach einer Stunde bei KM 10 den Hafenbereich. Die kommenden Kilometer führen mich durch Meiderich.  Bei wem klingelt’s? MSV Duisburg? MSV steht für Meidericher Sportverein.

Die nächste Verpflegungsstation betreut der hiesige Kanuverein und zeigt, dass man hier nicht nur Fußball spielen kann. Die Helferinnen und Helfer reichen mir, wie überall, freundlich das Wasser. Das Wetter können sie besser aushalten als wir Läufer. Die Sirenen, die man hören kann, haben nichts mit den  Kollegen von Schimanski zu tun, sondern damit, dass vielleicht ein Läufer dringend Hilfe benötigt. Gut aufgestellt ist man dafür in Duisburg, so dass heute keine Hitzeopfer zu beklagen sind.

 

 

Hoffentlich übernehme ich mich nicht. Auch bei KM 15 nach 1:30 Stunden geht es für mich gleichmäßig weiter voran. Zuschauer am Straßenrand feuern uns immer wieder an. Ich sehe viele Büdchen (Kioske), wie sie für das Ruhrgebiet typisch sind. Kurz vor KM 17 laufe ich auf einen Brems- und Zugläufer auf, der seine Gruppe bereits verloren hat. Die Pacemaker haben es heute wirklich nicht leicht, ihre Schäfchen pünktlich ins Ziel zu bringen. Aber die Zeit sollte heute nur eine untergeordnete Rolle spielen, gesund anzukommen hat oberste Priorität.

Wir kommen zum Rheinorange, einer Skulptur an der Mündung der Ruhr. Vielleicht kann auch ich hier mal als Finisher der Tortour de Ruhr am Ziel ankommen. Dann könnten über 230 Kilometer hinter mir liegen, denn die Extremläufer starten bereits an der Quelle der Ruhr. Daniel, auf den ich hier auflaufe, gibt mir Recht. Er hat bereits erfolgreich bei der Tortour teilgenommen.

Schnell stellen wir fest, dass wir auch gleiche Lauferfahrungen, wie den WUT von meinem Freund Wolfgang, teilen. So kommen wir über die Friedrich-Ebert-Brücke und nach Alt-Homberg. Es ist mittlerweile etwa 11 Uhr. Die Außentische der Kneipen im Ortskern sind voll besetzt. Die Zuschauer feuern uns bei kühlen Getränken an. Beneidenswert, aber ich habe mich freiwillig für den Marathon entschieden.

Die Strecke führt hier geradewegs nach Süden, die Sonne scheint ins Gesicht. Ab und zu kühlt ein mildes Lüftchen. Über 20 KM habe ich jetzt in den Beinen. Es folgt ein schöner Abschnitt am Fluss entlang. Vater Rhein glänzt in der Sonne. An der Brücke vor mir ist Halbzeit. Ich freue mich, als mir Silke entgegenstrahlt. Mein Anhang hat den Shuttleservice des Veranstalters genutzt, der die Zuschauer zielsicher zu verschiedenen Punkten an der Strecke bringt, und das kostenlos.

Die Pacemaker für 4:15 Stunden überholen mich hier. Dranhängen wäre schön, aber ich sehe schnell ein, dass ich diese Zeit heute kaum erreichen werde. Kurz darauf lasse ich auch Daniel ziehen. Obwohl ich mich noch wohl fühle, lasse ich Vorsicht walten. Damit bin ich nicht alleine.

 

 

Der Löschzug in Rheinhausen macht seinem Namen alle Ehre und kühlt die erhitzten Läuferinnen und Läufer, und das nicht nur von außen. KM 24,5: Neue Ortsmitte, gleiches Bild. Die Außentische sind voll besetzt, der Spielmannszug spielt auf und erinnert an ein Schützenfest. Ich muss aufpassen, nicht ins Marschieren zu wechseln. Kurz darauf erreiche ich die Brücke der Solidarität.  Hier haben sich die Duisburger 1988 mit den Stahlarbeitern von Krupp solidarisiert, als die Werkschließung drohte.

Ich solidarisiere mich mit Christiane, mit der ich die folgenden Kilometer gemeinsam unterwegs sein werde. Ihre Marathon-Premiere hat sie sich einfacher vorgestellt, auch wenn der Rhein-Ruhr-Marathon für seine Hitzeschlachten bekannt ist. Dazu heizen die vielen Sambagruppen ein. Gleichmäßiges und lockeres Laufen sieht anders aus. Wir überholen Läufer, um uns wenig später von diesen wieder einholen zu lassen. Aber so kommt man auch vorwärts. Kurz vor KM 30 wartet Christianes Fanclub. Motiviert machen wir uns an das letzte Viertel des Laufes. 3:14 Stunden sind wir unterwegs und beneiden diejenigen, die das Ziel bereits erreicht haben.

Immer wieder werden wir von schnellen Hirschen überholt.  Richtig, das können keine Marathonis sein, sondern Staffelläufer, die gerade gewechselt haben. Auf einem Rad überholt uns Michel Descombes auf seinem Drahtesel. Ich freue mich, den Edelfan aller Marathonläufer mal wieder zu sehen und nutze die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Foto.

Jede Getränkestation wird sehnsüchtig erwartet und lässt zum Glück nie nicht lange auf sich warten. Die Mütze habe ich heute nicht zum letzten Mal gewässert. Es wird immer heißer. KM 34,5 -  Helga feiert mit ihren Gästen am Streckenrand ihren Geburtstag. Die  Party gefällt mir und ich gratuliere artig. An Abwechslung fehlt es wahrlich nicht.

 

 

KM 35 erreiche ich noch nach nicht einmal 4 Stunden. Henning schließt sich uns an. Die sichere Ankunft vor Augen, entlässt mich Christiane aus dem Begleitservice, denn sie hat gemerkt, dass ich noch ein paar Körner aufgespart habe. So ziehe ich bei KM 38 an, wenn auch nicht wirklich forsch. Alle Sinne beisammen, kann ich dem Moderator noch meinen Namen auf meiner Dienstkleidung präsentieren, weil er ihn auf der Startnummer nicht sehen kann.

Nur noch zwei Kilometer bis zum Ziel. Im Schatten der Platanen reicht mir eine fürsorgliche Zuschauerin einen ersten Schluck Hopfensaft. Kann als vorgezogenes Finisherbier durchgehen, weshalb ich es mir dankbar schmecken lasse. Anderen gibt dieses Getränk einen noch größeren Push, denn Yvonne und Heiko überholen zügig. Das bunt gestreifte Shirt des Geburtstagskindes hatte ich seit dem Binnenhafen aus den Augen verloren. Das passende Wetter für seinen Ehrentag hat er ja.

Zum Dranbleiben fehlt mir die Kraft und ich gebe mich auf dem finalen Kilometer der  Einsamkeit des Langstreckenläufers hin. Obwohl, so einsam ist es nicht, denn als ich in Richtung Stadion abbiege, lausche ich wieder musikalischen Klängen und die Zuschauer stehen Spalier. Noch vor dem Stadion bekomme ich eine eisgekühlte Getränkedose gereicht. Ich kann nicht wiederstehen und kühle mich von innen.

Beschwingt erreiche ich die Heimat des MSV. Gegenüber winkt der Zieleinlauf. Die Zuschauer haben für den Innenraum keinen Zutritt, was schlimm ist, denn sie haben von den Tribünen sowieso den besseren Blick. Silke grüßt mich in der letzten Kurve, nur noch wenige Schritte und ein anstrengender, aber schöner Lauf ist abgehakt. Jetzt nur noch in den Schatten und ab zur Tränke, dann kehrtmachen und Christiane und Henning im Ziel empfangen. Unter 5 Stunden finisht sie ihren ersten Marathon, der kein einfacher war. Glückwunsch. Sie ist gut drauf, da wird es  nicht bei dem einen bleiben.

Damit endet eine perfekt organisierte Veranstaltung, deren Organisatoren alles richtiggemacht haben, damit niemand ernsthaft zu Schaden kommt. Wie schwer es heute war, ist der Ergebnisliste zu entnehmen, denn von den 700 gelisteten Startern kommen letztendlich 548 ins Ziel. Einige verzichteten wohl sogar auf den Start, was für den einen oder anderen vielleicht nicht die schlechteste Entscheidung war.

Hier sollte mein Bericht eigentlich enden. Ich will aber nicht verheimlichen, wie es weiter geht.  Auf der Busfahrt macht mein Kreislauf schlapp, kompetente und liebevolle Ersthelfer überbrückten gekonnt die Minuten bis zum Eintreffen des Rettungswagens. Nach 2 Stunden kann ich die Notaufnahme wieder verlassen. Für meine Familie war diese Erfahrung spannender als jeder Tatort. Und das ist hart für Schimi, diesmal mein ganz privater Krimi. Ich  hoffe, uns bleiben künftig ähnliche Erlebnisse erspart.

 

Impressionen

 
 
 

 

 

Sieger Marathon:
 

Damen
1.    Annika Vössing, 2:57:10
2.    Sonja Vernikov, 3:02:04
3.    Andree Paquet, 3:08:14

Herren
1.    Nikki Johnstone, 2:29:48
2.    Gunnar Diederichs, 2:43:53
3.    Cemal Ineci, 2:52:01

 

Streckenbeschreibung:

Kurs über eine Runde.

Zeitnahme:
Transponder

Startgeld:
Marathon: 40,00 € - 50,00 € - 58,00 € - 63,00 € - 70,00 €, nach Anmeldezeitpunkt

Auszeichnungen:
Medaille inklusive Gravur, Finisher-Shirt, Urkunde über das Internet und Internetlink zum persönlichen Zieleinlaufvideo.

Verpflegung:
19 Verpflegungs- und Erfrischungspunkte an der Strecke und Verpflegung im Ziel. Gereicht werden Iso, Wasser und Cola (leider erst ab KM 30). Dazu Bananen- und Orangestücke.

 

 

 

 

 

 

 

 

Informationen: Rhein-Ruhr-Marathon
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