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Laufberichte

Anspruchsvoll, aber kurzweilig

 

Der ebm-papst Marathon ist für Norbert und mich ein alter Bekannter. Das auch überregional bekannte Sportfest im Hohenlohischen wird von der Firma ebm-papst gesponsert; eigentlich untypisch für einen mittelständischen Betrieb, der als Hersteller von Ventilatoren für die breite Masse eher unbekannt sein dürfte. Nichtsdestotrotz ist hier einiges los. Norbert und ich sind früher schon den Halbmarathon, den Duo-Marathon,  bei dem sich 2 Läufer die Strecke teilen, und auch den Marathon gelaufen. Unser Jüngster war damals beim Schülerlauf und auch beim Schüler-Duathlon aktiv. Wegen des attraktiven Rahmenprogramms kann man die ganze Familie mitbringen.

Niedernhall liegt im Nordosten Baden Württembergs in einem Dreieck zwischen Heilbronn, Bad Mergentheim und Crailsheim. Wer am Sonntagmorgen zum Marathon kommt, hat mit Parken kein Problem. Achtung, wegen der umfangreichen Streckensperrungen während des ganzen Tages sollte man sich vorher informieren, wo und wie man zu gegebener Zeit auch wieder abfahren kann. Die Ausgabe der Startunterlagen in der Sporthalle erfolgt zügig. Jeder Vorangemeldete bekommt zu seiner Startertasche noch ein Funktionsshirt.

 

 

Der Start um 8Uhr30 erscheint früh, ist aber in Erinnerung an viele Hitzeschlachten nachvollziehbar. Das wird uns heute sicher nicht passieren. Es regnet und die Temperaturen werden schwerlich die 15 °C knacken. Bis kurz vor dem Startschuss ist noch keiner im großzügigen, abgesperrten Bereich unter dem Starttor. Die oft leicht bekleideten Läufer bleiben unter Dach solange es geht. Als der Startschuss ertönt sind dann alle da; mit Musik und unter dem Applaus vieler Zuschauer werden wir auf die Strecke geschickt. Gänsehautfeeling im Kochertal.

Eine Schleife bringt uns mitten in die abgesperrte Altstadt. Ich lasse es ruhig angehen. Das Hauptfeld enteilt, während ich mir Zeit nehme, die schönen alten Fachwerkhäuser zu bestaunen. Die Stadtmauer aus dem Jahr 1363 ist noch gut erhalten und umschließt an drei Seiten den Stadtkern. Ich passiere das Rathaus mit seiner imposanten Freitreppe aus dem Jahre 1477. Es zählt zu den besterhaltenen historischen Bauwerken in ganz Franken. Das Götzenhaus, ein beeindruckendes Fachwerkgebäude am Ufer der Kocher, war in früherer Zeit Schulhaus und ist nach seinem bekanntesten Schüler, Götz von Berlichingen, benannt.

Dann ist die erste Schleife auch schon vorbei, wir erreichen erneut den Start/Ziel Bereich (km 1), wo die Zuschauer immer noch ausharren um uns anzufeuern. Es geht mittlerweile in entgegengesetzter Richtung.Hinter den Feldern beginnt eine weite Wiesenlandschaft mit Weinbergen im Hintergrund. Hier bewegt sich eine beachtliche Läuferschlange vor mir. Langsam habe ich mein Tempo gefunden. Es regnet immer noch und Nebel hängt im Wald und in den Rebhängen.

 

 

 

Ich sehe zwei Läufer, die (allen Ernstes) jeder einen 20 kg schweren Holzstamm auf der Schulter tragen. Fassungslos überhole ich und spreche sie an. Sie sind bestens gelaunt und freuen sich über die Anteilnahme, die ihnen von allen Seiten gezollt wird.

Eine kleine Steigung nutze ich zum Gehen. Oben liegt das schmucke Hauptgebäude der Fa. GEMÜ in Criesbach. Hier geht es weiter auf der kaum befahrenen Zubringerstraße. Die Kocher macht nun einen Bogen und hochgewachsene Streuobstbäume bestimmen das Bild. Der kleine Ort Criesbach liegt auf der anderen Kochseite.

Irgendetwas braut sich hinter mir zusammen. Laute Musik ertönt. Die DJ Rikscha, ganz nach dem Motto: „Musik macht müde Beine munter“ überholt mich, kommt aber bald wieder zurück. Beim Marathon, auch jetzt am Anfang,  ist jede Abwechslung willkommen.

Die Jagdhornbläser aus Künzelsau trotzen der Nässe und spielen zu Ehren der Läufer. Gerade kommt der 4h30 Pacer mit seiner Gruppe. Hier wird gefachsimpelt und so hänge ich mich gerne dran. Die erste VP lasse ich aus, denn bei diesem Wetter muss ich noch nichts trinken.

Auf einer breiten Brücke überqueren wir in Ingelfingen die Kocher. Die Polizei hat die Strecke abgesperrt. Auf der anderen Seite zeigen Pfeile über den schmalen EVS Kanal. Zwischen Kanal und Kocher geht es weiter im Grünen, km 5. Beim nächsten Wehr queren wir erneut den Kanal und befinden uns wieder im Grünen. Wer aufmerksam nach links oben blickt, kann die schnelleren Läufer ausmachen. Bis zur Kurve laufe ich noch mit den netten Leuten, die den 4h30 Pacer begleiten. Der Weg führt ab jetzt bergauf, das wird mir zu schnell. Wir haben den östlichsten Punkt der Strecke erreicht, es geht nun richtungsmäßig wieder zurück.

 

 

Dunja und ich laufen beide ungefähr im selben Tempo leicht bergauf. Die Steigung zieht sich, dafür werden wir aber oben überschwänglich empfangen. „Wasser oder Iso?“ rufen die Helfer schon von weitem. Ein fast mystischer Ausblick über Ingelfingen und das in Nebel gehüllte Kochertal belohnt uns für die Mühen des Aufstiegs. Die Guggenmusiker pfeifen aus dem letzten Loch, als wir den gastlichen Ort verlassen. Anschließend geht es wellig im Weinberg dahin, km 9.

Die Reben hängen voll mit blauen Trauben, da freut sich das Herz des Weintrinkers, es scheint eine gute Ernte zu geben. Ein rasanter Abstieg zurück ins Tal bringt uns auf die Bühlhofer Straße, die wir, von Polizei gesichert, überqueren - km10. Wieder bergauf gelangen wir zu einem Hofgut mitten im Weinberg, weiter bergab kommen wir zur nächsten VP. Ich bleibe mal bei Iso.

 

 

Ein paar Meter weiter stehen erneut die Jagdhornbläser Künzelsau und geben alles. Kein Wunder, dass die eigentliche Sehenswürdigkeit an diesem Platz ins Hintertreffen gerät: das Ingelfinger Fass, zweitgrößtes Holzfass in Europa, Weinbaumuseum und Eventlocation. Das Museum hat keine festen Öffnungszeiten, da die Exponate durch Schaufenster von außen besichtigt werden können. Wir haben natürlich keine Zeit, uns das näher anzusehen, denn es geht schon wieder bergauf.

Hinter km 14 und einem weiteren welligem Weinbergweg liegt Niedernhall unter uns. Ein schönes Stück bergab, aber oberhalb der ersten Häuser, befindet sich an der nächsten VP die Wechselzone des Duomarathons. Nur noch eine Läuferin harrt geduldig auf ihren Einsatz. Das kann so schlimm nicht sein, denn die Jungs von der Verpflegung machen Stimmung. Für uns geht es nun weiter bergab, schnell sind wir in Weißbach. Wir laufen an der schönen evangelischen Kirche mitten durch den Ort. Liegt es am Wetter, oder warum ist hier kein Mensch auf der Straße?

Die Büschelhofer Straße schließlich führt uns erneut steil bergauf. Bald liegt Weißbach mit dem Firmengelände der Konrad Hornschuch AG, die 2016 von Continental übernommen wurde, unter uns. Der Betrieb nimmt, das kann man von hier oben gut erkennen, die gesamte Kocherschleife ein. Ulli läuft auf uns auf und so wird aus meinem Duo mit Dunja kurzzeitig ein Trio.

Jetzt müssen wir unsere angeregte Unterhaltung unterbrechen: Musik liegt in der Luft. Hinter der nächsten Kurve fast auf dem Gipfel der Steigung erwartet uns ein Dudelsackspieler. Wir bewundern seine Ausdauer und spenden Beifall und das nicht zu knapp. An der nächsten VP gibt es jetzt auch Cola.

Bei km 19 geht es ein beachtliches Stück bergab, anschließend gleich wieder hoch und dann erneut runter. Auf der gesperrten L1045 laufen wir bis Forchtenberg. Überraschend schnell hat uns Ulli abgehängt. Wir biegen links ab und sind kurz überfordert. Nach langer Zweisamkeit sind wir so einen Trubel nicht mehr gewohnt. Also konzentriert die VP abgearbeitet, wo müssen wir hin? Hier ist die Trennung von 1. und 2. Runde. Der Helfer weist uns den Weg: Wir müssen die rechte Straßenseite nach Forchtenberg benutzen für die 1. Runde.

 

 

Es geht über die Kocher.  Das Würzburger Tor, der nördliche Zugang zur Altstadt, liegt direkt vor uns. Leider werden wir vorher nach rechts geleitet. Es geht durch einen kleinen Park und dann sind wir schon wieder im Grünen. Auf welligem Terrain geht es weiter.

Vor km 27 erreichen wir Ernsbach, den westlichsten Punkt der Strecke. Ein Zuschauergrüppchen harrt hier der letzten Läufer. An der VP wird noch alles angeboten. Wir greifen gerne zu. Die Percussion an der Zeitmessung ist müde, doch für uns wird noch einmal fleißig getrommelt.  Danke. Es geht nun wieder zurück Richtung Niedernhall.

Bei mir lassen allmählich die Kräfte nach. Daher lasse ich Dunja ziehen. Hinter km 29 erreiche ich Forchtenberg im gemütlichen Wohngebiet. Auf der sonntäglich ruhigen Straße komme ich gut vorwärts und finde mich unvermutet bei der Streckentrennung von 1. und 2. Runde wieder. Vom Trubel vorhin ist nun nichts mehr zu spüren, nur die Mädels an der VP bieten voll Elan ihr gesamtes Sortiment an. Ich bin mittlerweile bei Cola, das hat mir schon öfters die Müdigkeit vertrieben.

Ich darf nun auf der linken Fahrbahn die 2. Runde in Angriff nehmen. Das Würzburger Tor von Forchtenberg liegt erneut als Blickfang vor mir, diesmal weisen mich die Polizisten genau darauf zu und hindurch. Auf der Homepage der Stadt heißt es: „Ein Zauber umspielt das malerische Städtchen mit seinen engen, steilen Gassen und romantischen Winkeln. Es bietet Überraschungen auf Schritt und Tritt, nach jedem Winkel und jeder Treppenstufe.“ Nun habe ich endlich Gelegenheit, in diese zauberhafte Welt einzutauchen.

Es geht steil bergan, gut zum Schauen und Besichtigen. Eine kleine Fangruppe treibt mich zum Laufschritt. Oh, es geht wieder bergab. In voller Fahrt erreiche ich eine Ladenstraße. Nanu, da kommt mir ein Läufer entgegen. Wo will der denn hin? Entferntes Trommeln sagt mir aber, dass ich richtig bin. Auf einem kleinen Platz ist mit Flatterband der Wendepunkt abgesteckt. Einmal rum unter dem Rhythmus der Percussions. Obwohl ich den offenbar coolen Spruch, der mir von den Trommlern entgegengeschleudert wird, nicht verstehe,  verfehlt er nicht seine Wirkung: Flotten Schrittes laufe ich das Begegnungsstück wieder zurück.

Bergab gelange ich zu einem kleinen Festplatz. Die Menge hat sich hier um den Getränkewagen gruppiert und feuert mich an. Im Vorbeilaufen kann ich einen Schluck Bier abstauben. Danke. Eine scharfe Rechtskehre bringt mich auf einem schmalen Radweg richtungsmäßig wieder zurück. Bald habe ich die Trommler im Ohr und erkenne den Wendepunkt von vorhin (km32), befinde mich aber  eine Straße unterhalb. Das hätte ich näher haben können, aber die Abkürzung wird von Sanis bewacht.

Nun folgt ein feiner Radweg an der Kocher entlang. Bäume rechts und links bieten sicher auch bei heißen Temperaturen Schatten. Zwei Läufer tauchen vor mir auf. Es geht über eine Zeitmessmatte. Rechts über mir scheint ebenfalls Laufstrecke zu sein, denn dort sind Läufer unterwegs. Da ist ja auch Kati. Wie weit sie wohl voraus ist?

Beim Bikerbahnhof LOK7119 bin ich nun direkt am Continental-Gelände, das wir vorhin von oben betrachtet hatten, dann geht es auf dem flachen Hellas-Weg der Kocher entlang. Hier gibt wieder etwas zu trinken. Erschrocken halte ich an. Das Schild zeigt km 39. Bin ich falsch, habe ich versehentlich abgekürzt? Eine Läuferin klärt mich auf: „Nein, alles gut, da vorne gibt es ein Armbändchen, dann kommst Du auf einer Schleife wieder zurück, und das Schild stimmt.“ Beruhigt laufe ich weiter.

Es ist schön, vor und hinter mir wieder weitere Läufer wahrzunehmen. Auch Kati taucht auf und spricht mir Mut zu: „Die Schleife ist gar nicht schlimm“. Dann ist sie auch schon vorbei. Es geht noch einmal eine kleine Steigung hinauf, dann bekomme ich von den Helfern das Gummiband als Nachweis, km 36.

 

 

An der nächsten VP erreiche ich die beiden Holzstammträger. Mamo Topyürek und Michael Walz gehören zu der Bewegung der Baumstammläufer (ja, so etwas gibt es). Sie sind erstaunlicherweise voll in Fahrt und unterhalten die ganze Mannschaft. Mir wird klar, dass hier keine Verrückten am Werk sind. Die beiden leben für mich den Geist des Marathonlaufs. „Warum tue ich das? - Weil ich es kann!“ Im Moment lasse ich zwar die Beiden hinter mir, aber sie motivieren mich ungemein.

Bei km 40 darf ich nun geradeaus, mit den besten Wünschen der Helfer. Ein letztes Getrommel als Anfeuerung, dann liegt die Silhouette von Niedernhall vor mir. Links erhebt sich das Säutor mit der bereits erwähnten Stadtmauer und mittig der Turm der Laurentiuskirche aus dem 12. Jahrhundert.

Hinter einer Schrebergarten Kolonie und vor dem Turm geht es an der Mauer entlang und dann in die Stadt. Die Hauptstraße wird überquert, ein letzter Dank an die Polizisten, die den Verkehr für mich anhalten.

Der Zielkorridor ist abgesperrt, der Start der Handbiker steht kurz bevor. Ein paar Zuschauer feuern mich an und dann geht es durchs Zieltor - geschafft. Zuerst bekomme ich eine Medaille in Form eines Ventilators, dann wartet schon Dunja auf mich, sie hat mir fast 20 Minuten abgenommen. Norbert bringt mir ein kühles Radler.

Im großzügigen Zielbereich ist es mittlerweile übersichtlich. Aber es gibt noch das komplette Angebot, unter anderem Erdinger in 3 Varianten, Obst und sogar Müsli ist noch reichlich vorhanden. Bierbänke unter Sonnen/Regenschirmen laden zum Verweilen ein - was will man mehr?

Fazit:

Beim ebm-papst Marathon sind in diesem Jahr die Teilnehmerzahlen etwas rückläufig. Liegt’s am Wetter?  An der Strecke kann es nicht liegen. Mir gefällt der neue Kurs gut, weil er deutlich kurzweiliger ist als der frühere, obwohl man den (weil eben) schneller laufen konnte.  Die Aussichten über das Kochertal sind herrlich und auch dazwischen gibt es viel Natur. Abwechslung bringen kleine Orte, wo es einiges zu sehen gibt. Kurzum: Aus einer schnellen,  aber eher langweiligen Strecke wurde ein anspruchsvoller Landschaftslauf.

Das Rahmenprogramm ist topp, vor allem für Kinder wird viel geboten. Es lohnt sich also beim ebm-papst Marathon vorbeizuschauen, auch wenn man kein Marathonläufer ist.

 

Informationen: ebm-papst Marathon
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