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Laufberichte

Komplett-Paket zum kleinen Preis

 

Twisteden liegt, auch wenn der Namen anderes vermuten lässt, in Deutschland. Dieser Teilort der 28 000 Einwohnerstarken Stadt Kevelaer befindet sich theoretisch in Sichtweite der Deutsch-Niederländischen Grenze. Tatsächlich kann man die Grenze von dort allerdings nicht einsehen, denn, obwohl die Gegend äußerst flach ist, verhindern kleinere Wäldchen die Weitsicht. Große Gärtnerei- und Tierzuchtbetriebe bestimmen die Landschaft. Hin und wieder begegnet man sogar einer alten Windmühle, wenn auch die modernen Windparks mittlerweile in der Überzahl sind.

Die Häuser des kleine Örtchen Twisteden sind nahezu alle in dunklem Klinker gehalten, trotzdem ist für den genauen Betrachter jedes Bauwerk einzigartig. Auch bei den jetzt im Winter ruhenden Gärten herrschen zwar geometrische Formen, aber entzückende Kleinigkeiten fangen den Blick  - der Ort ist für den Besucher ein schier unerschöpfliches Reich an neuen Eindrücken.

Die Einheimischen sind durchweg freundliche Leute, sie grüßen mit „Moin“ und verabschieden sich mit „Tschö“. Samstags trifft man sich im einzigen Restaurant, das gleichzeitig als Kegelbahn, Dartsschuppen, Würfelareal und Kneipe dient. Es gibt nur große Essensportionen, dazu jedoch für unsereins erschreckend kleine Gläser.

Beliebte Sportarten im Ort sind Fußball und Schießen. Erst im Jahre 1995 wurde der LLG Laufsport Kevelaer e.V gegründet mit dem Ziel, Langlauf jenseits der 10km-Volkslaufstrecken als Sport zu betreiben.

Anfang der 2000er gab es laut Homepage die Idee, einen eigenen Marathon zu veranstalten. Dank des großen Engagements der Mitglieder wurde daraus trotz der beschränkten Möglichkeiten eines so kleinen Vereins die Erfolgsgeschichte des Kevelaer-Marathons. In den Anfangsjahren des Kevelaer-Marathons war Werner Goldkuhle, ein auf Honigkuchen spezialisierter Kevelaerer Bäcker  Vereinsmitglied und außerdem tatkräftiger Förderer des Marathons. Ihm zu Ehren erhielt der Lauf den Beinamen „Honigkuchenmann-Marathon“. Die süße Köstlichkeit gab es nicht nur als Streckenverpflegung, sondern jeder Finisher erhielt im Ziel auch noch einen ganzen Honigkuchen überreicht.

Leider verstarb Werner Goldkuhle nur einen Tag nach dem fünften Kevelaer-Marathon am 8. Januar 2007 nach langer Krankheit. In den folgenden Jahren wurde daher aus dem „Honigkuchenmann-Marathon“ der „LLG Kevelaer-Marathon“. Honigkuchen wird als Streckenverpflegung aber immer noch angeboten.

Die Strecke besteht aus einer 6 km langen Runde, die 7 Mal zu gelaufen ist. Dann folgen noch 195 m bis ins Ziel. Der Kurs erinnert mich etwas an die 5 km Runde in Rodgau, mit dem Unterschied, dass in Twisteden 100 % auf Asphalt gelaufen wird und die Höhenzentimeter noch geringer sind.

 

 

Norbert und ich übernachten in der einzigen Pension des Ortes. Von hier sind es ca 10 Gehminuten bis zum Sportgelände, wo bereits ein großes Zelt aufgebaut ist. Im Zelt ist es sehr warm, brechend voll und immens laut. Bereits im Eingangsbereich kann man einen Blick auf das große Frühstücksbuffet werfen, wo sich belegte Brötchen türmen und ein Kuchen besser aussieht als der andere. Wir flüchten trotzdem zunächst nach draußen, um im Vereinsgebäude die Startnummern zu holen. Ungefähr 300 Einzelstarter und mehrere Staffeln werden erwartet.

Vor dem Zelt hängt das Zielbanner, hier wird es später auch die Zielverpflegung geben. Auf der Straße vor dem Sportplatz wird gestartet. Punkt 10 Uhr geht es los. Im Loslaufen bemerke ich nun erst, wie viele Zuschauer sich hier eingefunden haben. Der ganze Ort scheint auf den Beinen, um die Läufer lautstark anzufeuern.

Wir laufen zunächst ein kurzes Stück gerade aus, dann folgt eine scharfe Linkskurve in den Gerberweg. In dieser Kurve stehen erneut Zuschauer und beschallen, zusätzlich zum tosenden Applaus, mit lauter Musik die Laufstrecke. Es geht an einer kleinen Siedlung „Am Bingelberg“ vorbei. Hier erwarten die Anwohner an Stehtischen und großem Biervorrat auf die Läufer und feuern sie lautstark an.

 

 

Dann wird es ruhiger. Während man in der Ferne bereits einzelne bunte Shirts der schnellen Läufer erkennen kann, ist hinten bei uns das Feld noch dicht zusammen, man unterhält sich. Der erste Kilometer ist fast unmerklich vergangen. Die Entfernungen sind mit Pfosten markiert, auf denen die Kilometer z.B. 1,7,13,19, usw, je nach gelaufener Runde, abzulesen sind.

Es geht an mehreren Gehöften vorbei bis zu einer kleinen Baumreihe. Dahinter biegen wir in den Gagelweg. Die Strecke ist nicht für den Verkehr gesperrt, aber die wenigen Anlieger verhalten sich während des gesamten Rennens vorbildlich. Rechts scheint es einen Geflügelhof zu geben, dahinter befinden sich riesige Beete mit schwarzen Matten ausgelegt - eine Gärtnerei in Winterruhe. Beim nächsten Hofgebäude gibt es eine VP. Helfer haben bestens vorgearbeitet, die Becher sind gefüllt, Bananen und Honigkuchen geschnitten.

Über eine grüne Weide hinweg kann man in der Ferne die bereits gelaufene Strecke einsehen, rechts liegt einen Steinwurf entfernt die Deutsch-Niederländische Grenze. Beim Verlassen des kleinen Wäldchens spüren wir erstmals den scharfen Wind, der über den Feldern direkt von vorne kommt. Weitere 200 m später geht es rechts mit Rückenwind am Waldrand entlang. Plötzlich werden wir von hinten angerufen: der führende Staffelläufer naht. Die Staffeln sind 15 Minuten später gestartet.

Nach ca 500 Metern gelangen wir zurück auf den Gerberweg vom Anfang. Da kommt bereits reichlich Gegenverkehr der schnelleren Läufer. Mit Spannung versuche ich einige Bekannte zu erspähen. Bald habe ich den Startpunkt erreicht. Hier liegt die Zeitmessmatte von Mika Timing. In früheren Jahren musste man seine Runden selber zählen und es kam immer wieder zu Unstimmigkeiten. Mit dem Champion Chip sind Veranstalter und Läufer nun auf der sicheren Seite.

Es geht um die Kehre und wieder zurück. Aber erst einmal mache ich halt an der VP. Es gibt heißen Tee, warmes Wasser und Cola, dazu Bananen und Honigkuchen. Die zweite VP bei km 3 bietet zusätzlich Iso. Was braucht man mehr?

 

 

Auf meiner 2. Runde werde ich vom führenden Marathoni überholt. Als einer der wenigen in kurzer Hose und Singlet gestartet, kommt der Schotte Nikki Johnstone angespurtet. Er war hier bereits letztes Jahr siegreich. Interessant ist allerdings, dass er 2018 von den elf Marathons, bei denen er gestartet ist, sechs gewonnen hat! Auch den ersten Marathon in diesem Jahr, den Neujahrsmarathon in Zürich, hat er in Rekordzeit (2:26:52) gewonnen.

Ab jetzt werde ich dauernd überholt. Macht aber nichts, ich weiß ja, dass ich nicht die Schnellste bin. Irgendwann überholt mich auch die führende Frau Dioni Gorla, ebenfalls in kurzem Sportdress und wunderschöner Lauftechnik. Ich freue mich, so einer Gazelle beim Laufen zusehen zu können. Wie ich später erfahre, ist sie die Partnerin es führenden Schotten.

Das Wetter ist optimal, so zwischen 5 und 7 °C, der leichte Niesel am Start ist schnell vergessen. Zeitweise kommt sogar leicht die Sonne heraus. Der gefürchtete Wind hält sich in Grenzen, schnell merke ich, dass es heute locker läuft. Ich genieße die Strecke, komme gut voran, tausche mich mit Bekannten aus und freue mich über diesen netten ersten Lauf des Jahres.

 

 

Zufällig überholt mich Nikki Johnstone immer im Zielbereich, so dass ich auch in den Genuss von viel Applaus komme. Von einer LKW-Ladefläche herunter ist der Moderator pausenlos im Einsatz. Nahezu jeder der vorbeikommenden Läufer wird begrüßt, über viele weiß er eine informative Kleinigkeiten zu berichten. Überhaupt entpuppen sich die Fans hier und an der Strecke als sehr ausdauernd. Irgendwann gesellt sich noch eine Musikgruppe zu den Zuschauern „Am Bingelberg“. Da laufen die Beine nochmal so gut.

Nach meiner 4. Runde leert sich langsam die Strecke. Immer öfter höre ich, dass sich die Läufer von den Streckenposten verabschieden, weil sie gleich im Ziel sind. Ich komme gerade von meiner 5. Runde zurück, da treffe ich Norbert, der seine letzte Runde einläutet. Wir klatschen ab.

Dann bin auch ich final unterwegs. Erfreut stelle ich fest, dass es für meine Verhältnisse weiterhin gut läuft. Immer noch sind Zuschauer unterwegs, die mich nach meiner letzten Runde fragen und dann motivieren. Zwei Kilometer vor dem Ziel steht eine Helferin und verteilt Süßes für den Endspurt.

 

 

Im Zielbereich ist immer noch was los. Beim letzten Wendepunkt klatscht mich der Helfer ab, dann fliege auch ich dem Ziel entgegen. Es gibt eine Medaille und viele Glückwünsche. Marathon4you-Kollege Carsten ist kurz vor mir angekommen, wir machen ein Zielfoto und trinken das Zielbier. Norbert ist wohl noch duschen.

Im Zelt findet gerade Siegerehrung statt.  Nikki Johnstone hat auch hier einen neuen Streckenrekord mit 2:.24:21 geschafft, vor dem Niederländer Ralph Steegh mit 2:46:41 und Dennis Schäfer mit 2:50:13.
Dioni Gorla gewinnt bei den Frauen in 2:53:22 vor Birgit Schönherr-Hölscher mit 3:11:17 und Kathrin Willems mit 3:17:21.

Draußen laufen immer noch Finisher ein. Es gibt ja eigentlich kein Zeitlimit, um 16 Uhr wird halt langsam abgebaut. Bernhard Sesterheim schafft heute seinen 500. Marathon und Norbert seinen 200ten.

 

 

 

Fazit:

Beim Kevelaer Marathon stimmt das komplette Paket. Schöne, auch abwechslungsreiche Strecke ohne Höhenmeter, gute Verpflegung, Toiletten während des Laufs zu erreichen, tolle Atmosphäre auf der Strecke und drum herum, ein kompetenter Moderator während der ganzen Veranstaltung und das alles zu einem relativ kleinen Preis. Obwohl für uns Süddeutsche weit, ist Twisteden gut zu erreichen. Wer also am „Heiligen Drei Königstag“ sonst nichts vorhat, ist bei diesem schnuckeligen Marathon bestens aufgehoben.

 

Informationen: Kevelaer-Marathon
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