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Laufberichte

April, April

 

Gut sieben Monate liegt erst die letzte Auflage des Mountainman Nesselwang wegen der Covid-19-Verschiebung im vergangenen Jahr zurück. Heuer kann der Event wieder an seinem ursprünglichen Termin im Mai durchgeführt werden und ich muss mal endlich kein weiteres Wort mehr über irgendwelche Corona-Beschränkungen verlieren. Nachdem die Strecken in den vergangenen Jahren bereits mehrfach verändert wurden, haben sich die 2021er Streckenführungen bewährt und werden heuer wieder so durchgeführt. Fast …eine kleine Änderung hält man dann doch für uns bereit:  Auf dem Wasserfallweg sollen wir unter einen Wasserfall durchgeleitet werden und anschließend auf einen neuen Trailabschnitt. Hört sich abenteuerlich an.

Ebenfalls wieder in die XL-Strecke integriert, ist der Vertical 500-Bergsprint. Auf 4,5 km und 500 Höhenmetern werden innerhalb des Trailmarathons die drei schnellsten Männer und Frauen ermittelt. Insgesamt weist der längste Kurs in Nesselwang über 2.400 Höhenmeter auf. Des Weiteren finden sich noch drei Strecken über 33, 21 und 10 Kilometer, jeweils mit satten Höhenmetern im Programm, bezeichnet wie bei allen Mountainman-Events als L, M und S.

Zum dritten Mal in Folge im Zeitraum von anderthalb Jahren bin ich am Start, der Herr Kollege hat Rücken, so springe ich gerne wieder ein. Außerdem habe ich noch was gut zu machen. Im letzten Oktober habe ich mich doch glatt verfranzt und bin so nicht die korrekte Runde gelaufen, was mich ziemlich gewurmt hat.

Das Pre Race Info findet heuer erstmal live, mitten in Nesselwang, in der Alpspitzhalle statt. Diesmal ohne mich, ich nutze die Möglichkeit es online auf YouTube mitzuerleben. Spannend wird es wieder einmal wegen des Wetters. Nachdem am Freitag noch hochsommerliche Temperaturen im Allgäu herrschen, soll in der Nacht zwischen 2 und 6 Uhr eine starke Gewitterzelle über die Berge ziehen. Sollte es sich noch später hinausziehen, wird die Bergwacht keine Startfreigabe erteilen. So steht eine Startverschiebung auf 8 Uhr zur Debatte. In dem Fall sollen die Bewerbe XL, L und M gemeinsam gestartet werden, deren Starts eigentlich im Halbstundentakt geplant sind.

Für mich ist die Anfahrt nach Nesselwang, im bayerisch-schwäbischen Landkreis Ostallgäu gelegen, gut zu händeln. Ich reise wieder direkt zum Rennen in aller Herrgottsfrüh an. Als Stammgast kenne ich die Parkplatzsituation und weiß, hierfür muss ich keine zusätzliche Zeit einplanen. Direkt neben dem Eventgelände werden uns im Industriegebiet diverse Parkplätzte von den Firmen zur Verfügung gestellt.

Um 3.45 Uhr ist die Nacht für mich zu Ende, um kurz nach 6 Uhr stehe ich im Industriegebiet neben dem Trendsportzentrum Allgäu, mit noch bedrohlich dunklen Wolken am Himmel. Die Parkplätze sind aber noch vollkommen verwaist. Eine überschaubare Anzahl an Parkmöglichkeiten finden sich auch direkt am Event-Gelände, ich probiere es mal dort und tatsächlich, hier gibt es auch noch jede Menge Platz. Nachdem ich zeitig zu Bett gegangen bin und auch vergessen habe, nochmal meinen Mail-Account zu checken, habe ich nichts von der fixen Rennverschiebung auf 8 Uhr mitbekommen, die um 22.15 Uhr dort eingegangen ist. Mein Vorteil: ich hab jetzt wenigstens einen Parkplatz direkt am Eingang und kann mich nochmals auf’s Ohr hauen.

Eine Stunde später sieht der Himmel doch schon deutlich freundlicher aus, wobei noch viele Wolken in den Gipfeln hängen. Das Gewitter ist aber vollkommen durchgezogen, hat aber einiges an Wasser hinterlassen. Dafür haben wir angenehme Temperaturen von 14 Grad. Ein Hitzerennen wird es wohl nicht mehr geben. Zwanzig Minuten vor dem Start gibt es nochmal ein Kurzbriefing von Chefin Jutta, für diejenigen die noch gar nicht auf dem Laufenden sind. Anschließend checken die Mountainman-Kult-Speaker Rudi und Stephan schon mal die Nebelmaschine. Start ohne Nebel geht gar nicht. Alles ok, sie bläst super. Schon läutet der zweite Bürgermeister von Nesselwang die Starts von XL, L & M mit der Mountainman-Kuhglocke ein und los geht’s mit einer Ehrenrunde durch das Trendsportzentrum.

 

 

Bereits leicht ansteigend verlassen wir die Sportanlage, nach 250 Meter geht’s schon rein in den Berg und auch in den Matsch, was an diesem rustikalen Anstieg mit seinen tief ausgespülten Spurrillen aber schon fast ein Klassiker ist. Schön aufpassen, wohin man seinen Schritt setzt, ist hier angesagt, sonst gibt’s gleich nasse Füße. Einen Kilometer und zweihundert Höhenmeter weiter, haben wir den Schlamm zum Eingewöhnen aber schon wieder hinter uns. Fast genauso weit geht es auf dem Kreuzweg Maria Trost auch wieder runter.

Das Highlight und so was wie der optische Aufmacher für den Mountainman Nesselwang ist der Wasserfallweg. Ihn erreichen wir nach 2 km, somit liegt er bereits am Anfang unserer Tour und ich kann man ihn auch wirklich genießen.

Der Einstieg führt uns gleich auf die längste und beeindruckende Stahlgittertreppe neben dem höchsten Wasserfall des Schloßbächel. Er rauscht hier über noch zahlreiche weitere Wasserfälle von der Alpspitz runter in die Tiefe. Der Aufstieg neben dem Wasserlauf über die vielen Stege, Holzstufen und Brücken ist wirklich traumhaft schön. Aber sollten wir nicht auf einem neuen Abschnitt, auch noch unter einem Wasserfall durchgeleitet werden? Vergesst bitte den Schmarrn, den ich euch in der Einleitung erzählt habe: April, April. Ich bin einem Aprilscherz-Post auf Facebook von Jutta auf den Leim gegangen.

Der relativ gut passierbare Weg wird weiter oben immer steiler und herausfordernder, durchsetzt mit hohen Stufen und vielen Wurzeln. Leider verschlechtert sich auch das Wetter hier oben spürbar, wir erreichen die Wolkengrenze und verschwinden im Nebel, bei deutlich frischeren Temperaturen. Nach gut 4 km trennt sich die XL-Strecke von der L und M. Während es für uns auf einer Forststraße wieder abwärts geht, führen die beiden anderen weiter direkt zum Sportheim Böck.

 

 

Ganz kommod mit angenehmem Gefälle führt uns eine Schotterstraße über 2,5 km wieder bergab bis kurz oberhalb der Wallfahrtskapelle Maria Trost. Einige Aufstiegsmeter weiter querfeldein erreichen wir nach 8 km unsere erste Versorgungsstation an der Kappeler Alp, wo uns Rudi am Micro schon erwartet. Für ein zweites Frühstück warten Kuchen, Waffeln, vegane Energieriegel und noch weitere Häppchen auf uns.

Ein Eyecatcher soll hier der Blick auf Schloss Neuschwanstein sein, den gibt es auf der Strecke nur zwei Mal. Wir haben gerade nicht optimale Sicht, aber wenn man ungefähr weiß, wo es liegt, kann man es mit viel Fantasie ausmachen. Nach meiner Frühstückspause packe ich meine Stöcke vom Rucksack. Ich kenn ja den Abstieg bereits, er ist immer sehr rutschig und eine diffizile Angelegenheit. Nach dem nächtlichen Gewitter erwarte ich wieder einen anspruchsvollen Downhill. Ich hab mich nicht getäuscht, eine Mitläuferin hat bereits am Anfang Bodenkontakt.

Unten in Kappel angekommen, sind wir bereits wieder auf Starthöhe. Nach genau 10 km beginnt die Wertung zum Vertical 500. Eine Zeitmessmatte leitet den Bergsprint ein. Für die Racer hat man extra gut laufbaren Untergrund gewählt. Wir beginnen auf Asphalt. Nachdem ich das im Herbst vermutlich etwas zu motiviert angegangen bin, halte mich heuer etwas zurück. Bis auf ein paar flachere Abschnitte, genügt mir ein zügiger Wanderschritt.

Nach 3,7 km beim Sprint passieren wir wieder die Kappeler Alp auf der Rückseite, diesmal aber ohne Verpflegungsangebot. Rennleiter Horst und Rudi haben ihren Job erledigt und sind gerade auf dem Rückweg ins Zielgelände. Köstlich amüsieren sie sich über meinen Reinfall auf Juttas April Joke. Apropos April, April. Das Wetter verhält sich auch gerade so. Kurze Sonnenabschnitte wechseln permanent mit Regenschauern. Kurz vor dem Sportheim Böck passieren wir wieder eine Zeitmessmatte, der Vertical 500 ist beendet.

 

 

Ziemlich diffus präsentiert sich der Platz unserer zweiten Labestelle vor dem Sportheim Böck nach 15 km. Aufhellung bringt hier nur das gute Versorgungsangebot. Zum Empfehlen ist der vegane Käse auf Knäckebrot und auch Kuchen und Obst. Natürlich hat am Vortag bei den Sommertemperaturen keiner daran gedacht, dass auch warme Getränke ein Hit wären.

Direkt vor uns sollte die Alpspitz liegen, zu sehen gibt es aber nix von ihr, zu tief hängen die Wolken. Wir dürfen noch 150 Höhenmeter weiter aufsteigen, um endgültig im dichten Nebel zu verschwinden und dabei den höchsten Punkt unserer Strecke, den Edelsberg auf 1580 m Höhe passieren. Das hatte ich mir gestern noch ganz anders vorgestellt.

Etwas mehr Durchblick gibt es aber wieder beim Abstieg. Der anspruchsvolle Single-Trail über viele Wurzeln und ergiebige Schlammlöcher ist ein absoluter Hit. Ich lasse mich zu einigen Fotostopps hinreißen, fast schon so schön wie beim legendären Baaz-Festival bei der 2020er Auflage. Geil anzusehen wie die Mädels und Jungs ihre Fango-Packung durchziehen. Zwischendrin überqueren wir die Grenze in die österreichische Enklave Jungholz. Auf knapp 3 km verlieren wir etwa 350 Höhenmeter. Unten herrschen bereits wieder deutlich bessere Aussichten und wir können auch schon wieder nach oben blicken und zwischendrin ein paar Sonnenstrahlen einfangen.

Nur wenige hundert Meter Luftlinie weiter, etwas oberhalb, liegt unsere nächste Raststation an der Stube Alpental, die ebenfalls noch in Tirol liegt. Unser Weg führt aber nicht direkt dort hin, wir müssen den Pfeiferberg auf einer Länge von 4 km fast komplett umrunden.

Nach etwas mehr als der Hälfte der XL-Strecke erreichen wir die Stube Alpental. Das herzhafte Käseangebot ist mir schon einen längeren Pausenstopp wert und natürlich muss ich auch „Karl’s Marathonschnitte mit Schoko“ probieren. Dazu wird jetzt erstmals auch Cola angeboten.

 

 

Ganz wunderbar finde ich immer den Aufstieg über den grasigen Bergrücken der Reuterwanne. Bei klarem Wetter hat man eine fantastische Aussicht in alle Richtungen. Heute ist das Panorama nicht ganz optimal, aber ich will mich gar nicht beklagen. Am Gipfelkreuz ist die Bergwacht zahlreich präsent und wacht mit Argusaugen über uns.

Unser nächster Anlaufpunkt ist die Alpe Untere Reuterwanne, wo wieder ein üppiges Verpflegungsangebot für uns bereitsteht. Selbstgemachte Landjäger, Hirschsalami, Käsebrote, Obst, Gemüse und mehr lassen keine Wünsche offen. Jutta ist auch gerade zu Besuch, sie jettet gerade von Alm zu Alm, um nach ihren Schäfchen zu schauen. Der Esel hinter uns auf der Weide muss unbedingt mit auf unser gemeinsames Bild, meint der Hüttenwirt.

Nur gut 2 km sind es bis zur nächsten Labe, dazwischen liegt aber der steilste und ekeligste Anstieg des gesamten Kurses. „Nur“ einen Kilometer ist er lang, hat bis zu 45 Steigungsprozente und man kann in ganz schnell verfluchen. Dafür ist es dann aber auch der letzte und oben angekommen gibt es zur Belohnung auch einen wunderschönen Blick hinunter zum Grüntensee, da führt auch unser nächster Weg hin.

Zwischendrin noch eine kurze Einkehr an der Alpe Blösse (km 32), es gibt wieder Cola und Energy-Gels. Wer es deftiger mag, Schinken-, Salami- und Käsebrote werden ebenfalls angeboten. Ein Markenzeichen der Mountainman-Serie ist u.a. immer die üppige Verpflegung, meist von den Hüttenwirten selbst übernommen. Neben der Buron-Skipiste geht es im Wald weiter abwärts bis zum Campingplatz am Grüntensee, dann sind wir unten und haben den überwiegenden Teil aller positiven und negativen Höhenmeter geschafft.

 

 

Mittlerweile hat sich die Sonne durchgesetzt und verdrängt immer mehr die Wolken. Am See entlang laufen wir knapp zwei Kilometer bis ans östliche Ende, wo wir wieder Richtung Berge abbiegen. Ein Radweg neben der Grüntenseestraße und eine kleine Landstraße bescheren uns einige Asphaltkilometer. Kurz nach Bayerstetten wartet inmitten der Felder die VP des Skiklub Nesselwang, der Verpflegungs-Pavillon ist genau über den Weg aufgebaut. Die Nussecken sind lecker.

Ein paar Hügel auf und ab führen uns nach einem Kilometer an den Ortsanfang von Nesselwang. Nach Feuerwehrhaus und Brauerei wird’s für die Muckis nochmal etwas anstrengender, daher sollte man sich ein paar Körner bis zum Schluss aufheben, auf den Kappeler Höhenweg sind noch einmal 100 Aufstiegsmeter zu meistern. Nach 42 km kommen wir in der Mitte unseres anfänglichen Aufstieges wieder raus. Jetzt geht’s nur mehr abwärts bis ins Ziel. Die tiefen Spurrinnen sind natürlich noch etwas schlammiger und es gibt auch etwas Verkehr vor mir. Die Königin und ihr Ritter samt Gefolge beenden gerade ihren Kreuzzug über die M-Strecke.

 

 

Der geteerte und leicht abfallende Weg, rein ins Trendsportzentrum begünstigt einen optisch lockeren Zieleinlauf, wo auf den letzten Metern nochmal jeder von Rudi und Stephan besonders motiviert und angefeuert wird. Ob Zwei- oder Vierbeiner, jeder bekommt gleich eine von den ganz neu gestalteten Medaillen umgehängt. Jutta bringt mir noch das Finisher-Bier direkt an den Zielbogen. Dazu dürfen wir uns am Mountainman-Stand ein Finishershirt abholen. Die Bons fürs Bier und Shirt sind praktischerweise gleich von der Startnummer abzutrennen

Mein Tag war erfolgreich, ich konnte sogar meine PB in Nesselwang laufen, trotz oder wahrscheinlich eher wegen meiner anfänglichen Zurückhaltung. Dazu ist meine Scharte ausgewetzt. Wie ich mich bei der tadellosen Streckenmarkierung letztes Mal verlaufen konnte, bleibt mir ein Rätsel.

 

 

Ein Problem gibt es noch mit dem immer stärker werdenden Wind, am Ende muss sogar der rote Teppich beim Zieleinlauf eingerollt werden, bevor noch ein fliegender daraus wird. Ansonsten war es wieder ein wunderschöner Tag, alles perfekt organisiert und abgewickelt. Die vernebelte Aussicht auf dem Gipfel vergessen wir mal.

 

Informationen: MOUNTAINMAN Nesselwang
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