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Laufberichte

Sightseeing im Venedig des Nordens

 

Eine der bekanntesten und viel besuchten Attraktionen von St. Petersburg ist die Eremitage, die größte Kunstsammlung Russlands. Sie ist mit rund 65.000 Kunstwerken in über 350 Ausstellungsräumen gleichzeitig eine der größten und wichtigsten Kunstausstellungen der Welt. Um alle Kunstwerke zu sehen, muss man mehrere Tage einplanen. Außerdem beherbergt die Eremitage die weltweit größte Juwelensammlung. Vom Boot aus kann man ihre weiteren Gebäude gut sehen wie  den Winterpalast, die Kleine und Alte Eremitage und das Eremitage-Theater. Direkt vor den Toren der Eremitage liegt der Palastplatz mit der 500 Tonnen schweren Alexandersäule, wo, wie erwähnt, der Marathon gestartet wird.

Spaziert man den Newsky-Prospekt weiter in Richtung Osten, kommt man bald zur Kasaner Kathedrale, einer russisch-orthodoxen Kirche mit einem Museum im Innern. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die Bluterlöser-Kirche, zu der man entlang eines Kanals gelangt. Sie wurde der Basilius-Kathedrale am Roten Platz in Moskau nachempfunden und sieht ähnlich prunkvoll aus.

Etwas abseits des Newsky-Prospekt, am anderen Ufer der Newa, liegt die Peter-und-Paul-Festung. Die Festungsanlage nimmt eine eigene Insel ein, die fast vollständig von Festungsmauern umgeben ist. Innerhalb der Mauern ist die Peter-und-Paul-Kathedrale das bedeutendste Bauwerk. Zahlreiche Mitglieder der russischen Zarenfamilie sind dort begraben. Außerhalb der Mauern kann man im Sommer in der Newa baden, wobei anzumerken ist, dass die schmutzig-braune Farbe des Wassers, die man vom Boot aus gut erkennen kann, auf mich nicht einladend wirkte.

Die Smolny-Kathedrale etwas nördlich des Newsky-Prospekts wurde – ebenso wie das dazugehörige Kloster – nie zu religiösen Zwecken genutzt. Heute finden dort Konzerte und andere Veranstaltungen statt.

Wer in St. Petersburg die wichtigsten Attraktionen gesehen hat, kann nun die Umgebung in Tagesausflügen erkunden. Die bekannteste Ortschaft in der Nähe von St. Petersburg ist der Peterhof. Dort hat sich Peter der Große im 18. Jahrhundert eine prunkvolle Sommerresidenz direkt am Finnischen Meerbusen bauen lassen.

Neben dem Palast gibt es eine riesengroße Parkanlage mit mehr als 150 Brunnen und Fontänen sowie einigen anderen Bauwerken. Der größte Brunnen, die Goldene Kaskade, liegt vor dem Palast in einem Hang. Aus dem Maul eines Löwen schießt eine Wassersäule 20 Meter in die Höhe. Das russische Versailles, wie es auch genannt wird, erreicht man am besten mit dem „Elektritschka“-Vorortezug oder über den Seeweg per Fähre.

Etwas weiter südlich von St. Petersburg liegt die Stadt Puschkin. Dort residierten früher ebenfalls die Zaren mit ihren Familien. Die größte Attraktion in Puschkin ist der Katharinenpalast mit einer Nachbildung des legendären Bernsteinzimmers – das Original ist nach dem Zweiten Weltkrieg verschwunden. Mit deutscher Finanzhilfe wurde es rekonstruiert.

Keine Frage, St.Petersburg ist die Kulturhauptstadt Russlands, wenngleich der Sitz der russischen Regierung in Moskau ist.

Ich kaufe mir um 40 Rubel eine Flasche Bier mit 11,5 % Alkohol und setze mich um 22 Uhr ins Gras vor der Eremitage. Dutzende andere, junge und alte St. Petersburger genießen den lauen Samstag-Abend. Morgen werden wir hier wieder vorbeilaufen. Ich schmökere im Adac-Reiseführer, die Zeit vergeht. Erst um 23 Uhr 30 komme ich ins Hotel zurück, Brasilien und Chile kämpfen mittlerweile um den Einzug ins Fußball-WM-Viertelfinale. Ich höre die Leute im angeschlossenen Restaurant schreien. Erst um 01:30 lege ich mich ins Bett. Die weißen Nächte wirken aufputschend, schlafen möchte man nicht.

Frühstück gibt es am Renntag erst um 8 Uhr, das Hotel nimmt auf den Marathon keine Rücksicht. Allerdings bin ich der einzige, der daran teilnehmen wird, das sehe ich an der Kleidung der Gäste. Der Start ist nur wenige Hundert Meter entfernt, Hektik kommt keine auf. Viele trudeln erst jetzt ein, parken ihre Autos nahe dem Dvortsovaya Platz. Beim Zielareal sind die Fahnen der Teilnehmerländer aufgezogen, natürlich ist auch die österreichische dabei – man fühlt sich geehrt.

Die 10km-Läufer/innen haben violette Startnummern, meine mit der Nummer 1160 ist hellblau unterlegt. Geschätzte 2500 oder auch 3000 werden es wohl sein, die knapp vor 9 Uhr auf den Startschuss warten. Ich bin gestern neben den potenziellen Siegern aus Schwarzafrika bei  der Nudelausspeisung gesessen. Die Champions wissen immer im Voraus, dass einer von ihnen gewinnen wird. Ich frage mich, wo meine sportliche Leistung liegt. Unsere Tochter ist 25 geworden, den 25. Jubiläumsmarathon möchte ich ihr widmen. Eine Zeit unter 4:30 wäre fällig, nur bin ich ein wenig ausgepowert von den wöchentlichen Marathons und muss mich wohl sehr anstrengen.

Meine Uhr ist außerdem kaputt, sie lässt sich nicht mehr aufladen. So werde ich heute mit dem 4:30er-Pacemaker laufen und versuchen, so lange wie möglich dranzubleiben.

Zwei Minuten nach 9 Uhr geht es los. Von der Alexandersäule, die mitten am Dvortsovaya-Platz steht, führt der Marathonkurs nach wenigen Hundert Metern in den Admiraltejsky Prospekt. Zur Linken befindet sich die St. Isaaks-Kathedrale, die ich gestern fotografiert habe. Um 90 Grad dreht der Kurs nach rechts, es geht am Dekabristov Platz vorbei, wo man das Denkmal Peters des Großen bestaunen kann und weiter zum befestigten, höher gelegenen Newa-Ufer die Anglijskaya Straße flussabwärts.

Zur Linken winkt uns ein frisch vermähltes Hochzeitspaar zu, die beiden haben jetzt was anderes zu tun, denke ich mir. Knapp vor Kilometer 2 führt der Kurs über die Leutnant Schmitt Brücke (Blagoweschtschensky) über die Newa auf die andere Seite des Flusses. Eine Läuferin fällt mir auf: Auf ihrem Shirt steht am Rücken der Spruch „If you can dream it, you can do it“. Sie läuft nur 10 km, das sollte sich ausgehen.

Ich befinde mich zwischen den 4:15- und 4:30-Pacemakern, auf den ersten 20 Kilometern habe ich genügend Power, um das Tempo auf der offenbar frisch asphaltierten Universitätsstraße (in freier Übersetzung) zu variieren. Ein anderes „just-married“-Pärchen ließ es sich nicht nehmen, beim Lauf über 10 km zu starten. Gleich darauf sieht man zur Linken das Marinemuseum, wir nähern uns Kilometer 3 und der großen Dvortsovy-Brücke, über die ich gestern abends hin und zurück spaziert bin.

Die Strecke führt am Birzhevaya-Platz vorbei, wo sich die beiden mit Schiffsschnäbeln und antiker Figur verzierten Rostralny-Säulen befinden. Ich denke mir in dem Moment, dass man beim Laufen nicht genug Zeit hätte, um ein annehmbares Foto zu machen. Daher habe ich gestern die beiden Säulen fotografiert. Zur Linken befinden sich das Zoologische und das Literaturmuseum, nur wer hat schon die Zeit, all diese Kulturangebote wahrzunehmen.

Es geht weiter die Markarova-Straße entlang der Newa bis zur Tuchkov-Brücke, an deren Ende sich die 5km-Marke und eine Labestelle befindet. Der Kurs wendet nach der Brückenüberquerung erneut um 90 Grad und führt über den Dobrolubova Prospekt vorbei am Sportinaya-Gelände mit Stadion und U-Bahn. Gestern habe ich mich hier durchgefragt, wo man die Startnummern abholen muss.

Bald ist Kilometer 6 erreicht, es geht weiter die Kronverkskaya-Uferstraße entlang. Zur Rechten erblickt man die berühmte Peter-Paul-Festungsanlage, zur Linken das Artilleriemuseum. Knapp vor Kilometer 8 teilt sich die Strecke: die 10 km-Läufer drehen nach rechts über die Troitsky-Brücke ab, für uns Marathonis geht es weiter über die Petroskaya. Highlight ist knapp vor Kilometer 9 der Panzerkreuzer Aurora, dessen Besatzung während der Oktoberrevolution 1917 die Bolschewki unterstützte, die den Sturz des russischen Zaren herbeiführten. Ich bin der Einzige, der stehenbleibt und fotografiert. Man glaube gar nicht, wie schnell es geht und man hat 200 m an Boden verloren.

Während eines Marathons hat man bald sein Umfeld sondiert, die Läufer bleiben zumeist in Reichweite zusammen. Ich sprinte nach und erreiche meinen Dänen wieder, der einem Farbigen erklärt, dass er in den USA an einem Trainingscamp für Marathonläufer teilgenommen habe. Ich bin gespannt, wo der Mittvierziger nach 30 km anzutreffen sein wird.

Die nächste Labestelle ist bei Kilometer 10 aufgebaut, vom Gefühl her liege ich in der Zeit, denn der 4:30er-Pacemaker befindet sich noch hinter mir. Bald aber holt mich die Gruppe ein, jetzt lautet die Devise: Dranbleiben. Die folgenden Kilometer laufen wir durch Stadtteile, die noch nicht so sichtbar renoviert sind wie jene im Zentrum von St. Petersburg. Man sieht vereinzelt verfallene Häuser, aber auch Neubauten. Als Kontrast dazu reichlich Grünland, vor allem Laubwald.

Kilometer 12 wird auf der Professor Popov Street-Straße erreicht, nach der Überquerung der folgenden Brücke sind wir 14 km gelaufen. Kaum bleibe ich stehen, um zu  fotografieren, ist der bullige Pacemaker namens Vladimir (wie gut, wenn man die cyrillischen Buchstaben lesen kann) mit seinem Tross wieder 200 m vorne. Nach der Labe bei Kilometer 15 muss ich mich ordentlich anstrengen, um die 4:30er-Gruppe wieder einzuholen.

Bald  danach gibt es „Gegenverkehr“, die vorausliegenden Läufer grinsen uns entgegen. Ich denke mir, dass ich viele wieder schnappen werde, warten wir auf das letzte Drittel des Marathons. Zwischen Kilometer 17 und 18 liegt die Petrovsky Brücke, die keine Hürde darstellt. Die gleichnamige Straße führt uns parallel zu einem Seitenarm der Newa zur 20 km-Marke. Vladimir wird von 2 Radfahrern begleitet, denen  er immer wieder etwas zuruft. Er bekommt dann ein Gel zugesteckt oder eine Cola-Flasche. Ich fühle mich richtig wohl, das Tempo um 6:15 kann man lange mithalten, auch wenn man wie ich eigentlich von seiner Grundkondition „lebt“. Dann ist die Halbmarathondistanz erreicht, Vladimir schreit etwas auf Russisch, das ich nicht verstehe, gefühlsmäßig sollte die Zeit eher über 2:14 liegen. Ich versuche sonst mit GPS-Uhr, die mir diesmal fehlt, 2:10 zu laufen, weil ich man auf der 2. Hälfte eines Marathons immer (etwas) länger brauche.

Es geht nun zurück in Richtung Schloss, über die Dvortsovy Brücke und dann erneut auf die Uferstraße mit der Statue Peters des Großen und dahinter der Isaaks-Kathedrale. Diesmal fotografiere ich die Bauwerke schnappschussartig für Belegzwecke. Auch das vor Anker liegende Kreuzfahrtschiff, die Ocean Princess, mir der wir schon gefahren sind, wird fotografisch dokumentiert. Die meisten Schiffe liegen im neuen Hafen, die Liegegebühren sind so nahe im Zentrum sicher weitaus höher.

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Informationen: White Night Marathon
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