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Laufberichte

Harter Kampf um die Plätze

17.11.13

Wenn das nichts ist! Von meinem Bett aus sind es gerade mal 50 Meter bis zur Ausgabe der Startunterlagen, bis zum Start keine 200 Meter.

Diesen Luxus der kurzen Wege kann jeder haben. Vorausgesetzt, er entscheidet sich für eine Übernachtung in der Sportschule Werdau. Das Einzelzimmer für 30, das Doppelzimmer für 50 Euro – das geht in Ordnung. Nur beim Frühstück stimmt das Preis-Leistungsverhältnis nicht, denn für 4.50 Euro gibt es viel zu viel. Für uns Marathonläufer hat man hier aufgetafelt, als wären wir Ringer oder Gewichtheber. Marathonläufer essen doch nur wenig vor dem Start… Stimmt das überhaupt? Wenn ich mich so umschaue, da scheinen einige Läufer richtige Lebensmittelberge auf ihren Teller geschaufelt zu haben. Und was ich noch nicht weiß – sie werden am Ende des Tages vor mir im Ziel sein. Da habe wohl ich was falsch gemacht…

Bei mir am Frühstückstisch sitzt die Weltelite der Marathonläufer. Nein, aus Kenia oder Äthiopien ist keiner nach Werdau gekommen. Sie kommen aus Berlin und Hamburg. Es ist nicht die Weltspitze der Sekundenjäger, es ist die der Marathonsammler. Im Durchschnitt ist jeder von uns Dreien 781 Marathons gelaufen. Für die Erbsenzähler, die immer alles ganz genau wissen wollen, kann ich die Zahl auch aufschlüsseln. Sigrid Eichner bringt es auf 1792 Marathons, Hans-Joachim Meier auf 1504. Und ich auf 47. Ich meine, es reicht, wenn sich jeder den Durchschnitt merkt...

Wir reden über unseren letzten Marathon. Der war gestern. Der 9. Bornaer Marathon, ein geführter Landschaftslauf. Ein Lauf, den man jedem empfehlen kann, der nicht auf der Jagd nach persönlichen Rekorden ist. Es läuft alles in fast familiärer Atmosphäre, man hat viel Spaß und auch hier ist das Preis-Leistungsverhältnis kaum zu toppen: Für 25 Euro gibt es ein T-Shirt, eine Medaille, eine Urkunde, gute Verpflegung unterwegs und nach dem Lauf Bratwurst, Kaffee und Kuchen. Da bekommt man fast ein schlechtes Gewissen.

Es war eine gute Idee, die Marathons von Borna und Werdau an einem Wochenende durchzuführen. Oder wie mir der Chef des Borna-Marathons Jens Benndorf sagt, es war gar keine gute Idee, es war Zufall. Aber als man merkte, dass man damit die Läufer anzieht, die gern auch mal zwei Marathons an einem Wochenende laufen, wurde daraus wirklich eine gut Idee. Zwischen Borna und Werdau liegen gerade mal gut 50 Kilometer.   

Ich laufe an diesem Wochenende meinen ersten „Doppeldecker“. Was Hans-Joachim Meier auf die Idee bringt, er müsse vielleicht mal in seiner Statistik nachrechen, wie viele er schon gelaufen ist. Nicht so schlimm, dass er seine Statistik nicht dabei hat. Da würde ich ja schon wieder ziemlich alt aussehen…

Vor dem Start treffe ich noch einen Läufer aus meiner Heimat, den Oschatzer Rainer Conrad. Der erzählt mir, dass er in der Starterliste meinen Namen gelesen hat. Aber dann dachte er, da gibt es wohl noch einen anderen Günter Schmidt. Einen, der für Marathon4you startet. Was so klang wie: Einen guten Läufer… Wir verabschieden uns gleich wieder, aber nicht deshalb. Eher vorsichtshalber, denn meist sehen wir uns nach Läufen nicht mehr - der läuft immer so schnell. Und genau das war richtig, in 03:58:15 Stunden wird er die AK 65 gewinnen.

Der Start zum Marathon erfolgt um 11 Uhr vor der Sportschule. Als man diese in den 30er Jahren  baute, dachte wahrscheinlich keiner an uns Marathonläufer. Sonst hätte man sie nicht ins Tal gesetzt. Gleich die ersten zwei Kilometer geht es teilweise stark bergauf. Ob man will oder nicht – da läuft sich jeder warm.

Es dauert gar nicht lange, da verschwindet die Läuferschar im Wald. Und wir sind noch keine 5 Kilometer gelaufen, da finden sich Hans-Joachim Meier und ich am Ende des Feldes wieder. Könnte vielleicht mal jemand auf uns warten? Wir sind gestern schon einen Marathon gelaufen! Das scheint keinen zu interessieren.

Bei Kilometer 11, an der Waldgaststätte „Weidmannsruh“, beginnt ein Rundkurs, der zweimal zu durchlaufen ist. Dort befindet sich eine Verpflegungsstelle. Ich habe schon den Tee in der Hand, da bietet man mir Schleim an. Den nehme ich auch. Und das ist richtig - denn der schmeckt.

In der ersten Runde habe ich ein gutes und ein schlechtes Erlebnis. Das schlechte: Mich überholt einer mit den Worten: „So, und nun hast du die rote Laterne!“ Das gute Erlebnis folgt, ich überhole einen Läufer und kann es mir nicht verkneifen, ihm eine freudige Nachricht zu überbringen: „So, und nun hast du die rote Laterne!“ 

Ich bin überrascht, welche Hügelchen die Natur hier im Werdauer Wald aufgeschüttet hat - nur um die Läufer zu quälen. Ein leichter Kurs ist etwas anderes. Ich sage mir, das Beste ist, ich schaue nicht nach vorn, sondern nach unten. Da sieht man die Anstiege nicht. Dafür sehe ich aber bei Kilometer 20 etwas auf dem Weg liegen. Was mag das sein? Erst denke ich, lass den Mist liegen, doch dann siegt die Neugierde. Ich bücke mich, schon im dritten Versuch erreiche ich das auf dem Weg liegende Etwas. Wahrscheinlich habe ich Rücken…

Als ich mir mein Fundstück so betrachte, neige ich dazu, es gleich wieder in den Wald zu werfen. Da steht „Ford“ drauf – ich fahre Opel. Und was ist das überhaupt? Als ich merke, dass man da auch noch was ausklappen kann, dämmert es bei mir. Das ist ein Autoschlüssel! Waren das noch Zeiten, als Autoschlüssel wie Autoschlüssel aussahen. Aber den sollte ich vielleicht doch mitnehmen, vielleicht braucht ihn noch jemand. Wie sich an der Verpflegungsstelle herausstellt liege ich mit dieser Vermutung richtig. Ein Läufer hat den Verlust schon gemerkt. Der wird sich freuen, ich hätte auch keine Lust, nach einem Marathon nachhause zu laufen.

Da habe ich nun eine gute Tat begangen, aber trotzdem fällt mir die zweite Runde nicht leichter. Es läuft nicht so, wie ich mir das wünschen würde. Schlimmer als ich sind wohl nur die Helfer an der Strecke dran. Es regnet zwar nicht, aber es ist kalt. Einer der Streckenposten hat sich ein kleines Feuer angezündet. Die Nächsten haben aus einem Baumstamm und Moos eine Bank gebaut, andere sich in Decken gehüllt. Alles schöne Motive, da muss ich fotografieren, wohl wissend dass mir nun nicht nur Hans-Joachim, sondern auch die Zeit davonläuft. In 3.45 Stunden muss ich die Zeitkontrolle bei Kilometer 31 erreichen. Also wieder Kopf nach unten.

Das hilft, nach etwa dreieinhalb Stunden erreiche ich die Verpflegungsstelle an der Waldgaststätte und damit die über Leben und Tod entscheidende Zeitkontrolle. Trotz der nicht gerade verlockenden Temperaturen stehen einige Leute an den Tischen vor der Gaststätte und trinken Bier. Wenn die wüssten - der Schleim schmeckt besser. Inzwischen bin ich fast süchtig danach. Der schmeckt besser als beim Rennsteigla… Nein, das nehme ich zurück, so etwas dürfen Rennsteigläufer nicht einmal denken.

Bei Kilometer 35 trotte ich wieder neben Hans-Joachim her. Er bekennt: Unseren Doppeldecker-Zweikampf hast du gewonnen! Ja, ich war gestern vor ihm im Ziel. Aber wenn der wüsste – ich überlege gerade, ob ich nicht mal ein Stück gehe. Denn irgendetwas habe auch ich auf den Waldwegen verloren, fast so schlimm wie ein Autoschlüssel – es ist die Lust am Laufen. Aber auch die findet sich wieder. Ich kann es mir nicht erklären, die letzten Anstiege vor dem Ziel machen mir keine Schwierigkeit und als es dann vor dem Ziel steil bergab geht, denke ich nur noch: Als die damals die Sportschule ins Tal bauten, haben sie garantiert an uns Marathonläufer gedacht…

Es sagt viel über die Qualität des Starterfeldes aus, dass meine Zeit von knapp 4:50 Stunden hier in Werdau gerade für den vorletzten Platz reicht. Ich bin zufrieden. Und Hans-Joachim Meyer wird sich auch nicht ärgern, dass er fast zwei Minuten nach mir ins Ziel läuft und auch noch den Doppeldecker-Zweikampf gegen mich Grünschnabel verloren hat. Er verlässt den Platz als Sieger in der Altersklasse M70!

Zusammenfassend kann man sagen: Wie in Borna gibt es auch in Werdau nichts zu meckern. Und möchte vielleicht noch jemand wissen, ob ich jemals wieder einen Doppeldecker laufe? Diese Frage habe ich mir keinen Augenblick gestellt – im November 2014 werde ich wieder Borna und Werdau ansteuern! Sonst komme ich doch nie auf 781 Marathons – und das ist ja nur der Durchschnitt…

Marathonsieger Männer 
1  Köhler, Benjamin                     Lac Erdgas Chemnitz        02:49:18
2  Flinzberger, Lukas                   Tri-Sport Wurzen               03:00:02
3  Metzner, Wieland                     Saalfelder LV                    03:02:14

Marathonsieger Frauen

1  Kranich, Franziska                   LSV Niesky                       03.13:51   
2  Fischer, Christine                     Copacobana Läuferinnen   03:22:50
3  Neumann, Petra                       ESV Lok Zwickau              03:29:50

 

Informationen: Werdauer Herbstmarathon
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